European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T002600.20010830 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 August 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0026/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94111087.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 8/36 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Steuereinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO GmbH & Co. OHG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Robert Bosch GmbH Haldex Brake Products GmbH & Co. KG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - mangelnde Neuheit Einspruchsgründe - mangelnde erfinderische Tätigkeit Änderungen - Erweiterung (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden beider Einsprechenden richten sich gegen die am 5. November 1999 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, daß das europäische Patent Nr. 0 644 092 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen, unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen.
II. Mit den Einsprüchen war das ganze Patent im Hinblick auf u. a. Artikel 100 a) i. V. m. Artikeln 52 (1), 54, 56 EPÜ angegriffen worden. Sie stützten sich u. a. auf die folgenden Entgegenhaltungen:
D4: DE-A-3 928 108
D8: EP-B-0 463 349.
III. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurden am 15. Dezember 1999 (Beschwerdeführerin I) und am 17. Januar 2000 (Beschwerdeführerin II) bei jeweils gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerden eingelegt. Die Beschwerdebegründungen sind am 19. Februar 2000 bzw. 15. März 2000 eingegangen.
IV. Beide Beschwerdeführerinnen beantragten in der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2001, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen und das Patent in der von der Einspruchsabteilung genehmigten Fassung, hilfsweise in Fassungen gemäß Hilfsantrag 1 und 2 aufrechtzuerhalten.
V. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Anordnung mit einer Steuereinrichtung (4; 29) und einer Ventileinrichtung (11; 20), wobei die Steuereinrichtung (4; 29) ein Gehäuse (2; 24) mit einer eine elektrische Signale verarbeitenden elektrische Einrichtung (5; 26, 28) enthaltenden Gehäusekammer (3; 25) und die Ventileinrichtung (11; 20) eine einen Druckausgleich mit der Atmosphäre ermöglichende Druckentlastungseinrichtung (10; 34) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß die Gehäusekammer (3; 25) über eine Verbindungsleitung (6; 30, 31, 32) direkt mit der Druckentlastungseinrichtung (10; 34) verbunden ist."
Der Anspruch 1 gemäß dem 1. Hilfsantrag lautet wie folgt, wobei der dem Inhalt des Hauptantrags hinzugefügte Wortlaut fettgedruckt ist:
"Anordnung mit einer Steuereinrichtung (4; 29) und einer Ventileinrichtung (11; 20), wobei die Steuereinrichtung (4; 29) ein Gehäuse (2; 24) mit einer eine elektrische Signale verarbeitenden elektrische Einrichtung (5; 26, 28), die aus einer Platine (5, 28) mit darauf befindlichen elektrischen Bauelementen besteht, enthaltenen Gehäusekammer (3; 25) und die Ventileinrichtung (11; 20) eine einen Druckausgleich mit der Atmosphäre ermöglichende Druckentlastungseinrichtung (10; 34) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß die Gehäusekammer (3; 25) über eine Verbindungsleitung (6; 30, 31, 32) ständig direkt mit der Druckentlastungseinrichtung (10; 34) verbunden ist."
Der Anspruch 1 gemäß dem 2. Hilfsantrag unterscheidet sich von dem gemäß dem 1. Hilfsantrag dadurch, daß der Wortlaut "die aus einer Platine (5, 28) mit darauf befindlichen elektrischen Bauelementen besteht" gestrichen wurde.
VI. Die Beschwerdeführerinnen haben im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sei gegenüber der Offenbarung der D4 nicht neu. Insbesondere sei es in der Spalte 2, Zeilen 56 bis 64 der D4 offenbart, daß das Ventil 7 in seiner zweiten Stellung den Innenraum der Kammer 12 des Gehäuses 8 direkt mit einer in der Figur durch ein Dreieck bezeichneten eigenen Entlüftungsstelle des Ventils verbinde.
Der Inhalt des in den Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß dem 1. Hilfsantrag eingefügten Wortlauts sei in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbart. Offenbart sei lediglich eine platinenartige Darstellung, ohne anzugeben, ob sich elektrische Bauelemente darauf befinden. Der Begriff "Platine" habe in der ursprünglichen Anmeldung nicht die Bedeutung einer Leiterplatte, sondern sei lediglich als eine bestimmte geometrische Form offenbart. Der einzige offenbarte Bauteil sei ein Drucksensor, der jedoch keine elektrischen, sondern mechanische Signale verarbeite. Die Offenbarung des 2. Absatzes der Beschreibung in seiner ursprünglich eingereichten Fassung betreffe nicht die Erfindung, sondern den Stand der Technik.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem 2. Hilfsantrag sei gegenüber D8 nicht erfinderisch. Alle Merkmale des Anspruchs seien aus D8 bekannt, außer, daß eine Anordnung der Elektronik in der Kammer 22 nicht ausdrücklich offenbart sei. Der Anschluß der Elektronik an den Zentralstecker 26 sei jedoch schon bekannt. Auch sei das Prinzip einer gemeinsamen Entlüftung aus D8, insbesondere dem die Spalten 2, 3 überbrückenden Absatz, bekannt. Es sei für den Fachmann naheliegend, die Lehre der gemeinsamen Entlüftung auch für die Elektronik 32 anzuwenden.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag unterscheide sich von dem gemäß D4 dadurch, daß im letzteren die Elektronik nicht im Ventil angeordnet sei. Ferner sei die Gehäusekammer nicht direkt, sondern über das Ventil mit der Entlüftungseinrichtung verbunden.
Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbare das dem Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag hinzugefügte Merkmal, indem das in der Figur 1 ersichtliche Element 5 in Spalte 1, Zeilen 47 bis 49 der EP-A-0 644 092 als eine platinenartige elektrische Einrichtung beschrieben wird. Ferner sei gemäß Spalte 4, Zeilen 2 bis 5 hinsichtlich der elektrischen Einrichtung im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 offenbart, daß "auch ein Drucksensor" dazu gehöre, was für den Fachmann bedeute, daß andere elektrische Bauelemente vorhanden seien. Die Darstellung der elektrischen Einrichtung in den Figuren sei auch so, daß der Fachmann daraus schließe, daß das in den Oberbegriff eingefügte Merkmal vorhanden sei. Weiterhin offenbare der 2. Absatz der Beschreibung in der ursprünglichen Fassung, daß eine Steuereinrichtung gemäß dem Anspruch 1 elektrische Bauelemente aufweise.
Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß dem 2. Hilfsantrag sei es in D8 nicht offenbart, daß die Elektronik 32 in der Kammer 22 angeordnet sei. Insbesondere sei die Außenwand des mit 32 bezeichneten Bereichs nicht schraffiert, woraus es herleitbar sei, daß die Elektronik außerhalb der Kammer 22 angeordnet sei. Ferner halte der in der Elektrotechnik tätige Fachmann elektronische Bauteile von mechanischen Bauteilen möglichst entfernt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Hauptantrag
D4 betrifft eine Druckluft-Bremsanlage, bei der eine elektronische Bauteile aufweisende Steuereinrichtung 5 in einer Kammer 12 innerhalb eines Gehäuses 8 untergebracht ist. Nach Auffassung der Kammer bilden "elektronische Bauteile" eine elektrische Signale verarbeitende Einrichtung. Um die Elektronik vor dem Eindringen von Schmutz und Feuchtigkeit zu schützen, wird ein Druckluftbehälter 2 über eine Ventileinrichtung 7 und eine Leitung 3 mit der Gehäusekammer verbunden. Bei offenem Ventil entsteht in der Gehäusekammer ein Überdruck, der das Eindringen von Verunreinigungen, insbesondere bei einem Watvorgang, verhindert. Das Ventil ist als Umschaltventil gestaltet, wobei in einer ersten Stellung die Druckluft in die Gehäusekammer geleitet wird und in der zweiten Stellung z. B. bei Nichtbedarf von Watfähigkeit, die Verbindung zwischen dem Druckluftbehälter und der Gehäusekammer unterbrochen wird. Ferner wird in dieser zweiten Stellung der in der Gehäusekammer entstandene Druck entlastet, indem das Ventil die Leitung mit dem Ausgang des Ventilgehäuses verbindet. Gegenüber einem Ventil, das lediglich eine Verbindung zwischen dem Druckluftbehälter und der Gehäusekammer öffnet und schließt, weist das Ventil 7 gemäß D4 daher eine zusätzliche, in der zweiten Stellung des Ventils wirksame Druckentlastungseinrichtung auf. In dieser zweiten Stellung wird die Gehäusekammer daher über die Verbindungsleitung direkt mit einer Druckentlastungseinrichtung verbunden. Somit sind alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag bekannt. Dem Hauptantrag kann somit wegen mangelnder Neuheit des Anspruchs 1 nicht stattgegeben werden.
3. 1. Hilfsantrag
Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung beschreibt im Zusammenhang mit der schematischen Darstellung in der Figur 1 eine elektrische Einrichtung 5, die "durch eine platinenartige Darstellung symbolisiert" ist (Spalte 1, Zeilen 47 bis 50. der EP-A-0 644 092). Die elektrische Einrichtung wird in der Figur 1 lediglich durch ein Rechteck dargestellt. Die detailliertere Darstellung gemäß Figur 2 zeigt in der Gehäusekammer 25 ein Rechteck 28, das andere Seitenverhältnisse als das gemäß Figur 1 aufweist und das als elektrische Einrichtung bezeichnet wird, zu der "auch" ein Drucksensor gehört (Spalte 4, Zeilen 2 bis 8). Nach Auffassung der Kammer ist aus der die Figur 2 betreffenden Offenbarung lediglich herleitbar, daß eine durch ein Rechteck symbolisierte elektrische Einrichtung mit einem außenliegenden Drucksensor vorhanden ist, ohne jeglichen Hinweis auf sonst vorhandene Bauelemente und deren Anordnung in der elektrischen Einrichtung. Der Bezug in Spalte 1, Zeilen 3 bis 6 auf eine elektrische Einrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 in seiner ursprünglich eingereichten Fassung betrifft lediglich teilweise oder insgesamt nicht druckbeständige elektrische Bauelemente, ohne jeglichen Hinweis auf eine Platine. Daß die elektrische Einrichtung als eine Platine mit darauf befindlichen elektrischen Bauelementen ausgebildet ist, ist daher nicht unmittelbar und eindeutig herzuleiten, zumal der Begriff "Platine" lediglich in Zusammenhang mit einer symbolisierten Darstellung verwendet wird. Weiterhin "besteht" die elektrische Einrichtung gemäß dem 1. Hilfsantrag "aus einer Platine mit darauf befindlichen elektrischen Bauelementen", wodurch weitere nicht auf einer Platine befindliche Bauelemente ausgeschlossen sind. Nach Auffassung der Kammer ist auch diese eingeschränkte Anordnungsmöglichkeit für die Bauelemente in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ebensowenig offenbart wie das Merkmal Platine. Im übrigen stellt die Kammer fest, daß es bezüglich der ursprünglich offenbarten, die Beatmung einer elektrische Bauelemente enthaltenden Kammer betreffenden Aufgabe ohne Belang ist, ob die elektrischen Bauelemente auf einer Platine montiert sind.
Die Offenbarung des Merkmals, daß die elektrische Einrichtung aus einer Platine mit darauf befindlichen elektrischen Bauelementen besteht, ist zu verneinen. Dem 1. Hilfsantrag kann somit wegen eines Verstoßes gegen den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ nicht stattgegeben werden.
4. 2. Hilfsantrag
4.1. Neuheit
Der nächstliegende Stand der Technik ist aus D8 bekannt. D8 betrifft einen pneumatischen Arbeitszylinder, bei dem die Arbeitskammer 11 sowie eine der Arbeitskammer gegenüberliegenden Seite des Kolbens befindlichen Atmungskammer 12 an einer Druckentlastungseinrichtung in Form einer gemeinsamen Außenluftstelle 29 angeschlossen sind. Weiterhin ist eine Magnetventile 27, 28 enthaltende Steuergeräte-Kammer 22 über einen (für den Fachmann mit erfaßten) durch den Deckel 6 zur Außenluftstelle führende Verbindungsleitung zwecks einer Druckentlastung verbunden (Ansprüche 8, 9). Eine Elektronik 32, die ein aus einem u. a. die Wegmessung des Kolbens erfassenden Sensor 16 bis 18 stammendes Signal verarbeitet und die die Magnetventile steuert (Spalte 3, Zeilen 55, 56), wird in der Beschreibung erwähnt. Der Bereich, in dem sich die Elektronik befindet, ist lediglich in der Figur 1 gezeigt, in der er außerhalb einer zur Andeutung eines Schnitts schraffierten Wand 2 liegt und äußerlich durch eine ein Außenprofil darstellende Linie begrenzt ist. Es ist nach Auffassung der Kammer nicht deutlich entnehmbar, ob sich die Elektronik inner- oder außerhalb der Steuergeräte-Kammer 22 befindet. Befindet sich die Elektronik nicht innerhalb der Steuergeräte-Kammer 22, dann findet sich in der D8 auch kein Hinweis, daß sie in einer mit einer Druckentlastungseinrichtung verbundenen Gehäusekammer enthalten ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit gegenüber D8 neu.
4.2. Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem gemäß D8 dadurch, daß die Elektronik sich in einer Gehäusekammer befindet, die ständig über eine Verbindungsleitung direkt mit der Druckentlastungseinrichtung verbunden ist.
4.2.1. Um die Lehre gemäß D8 auszuführen, muß der Fachmann entscheiden, wo die Elektronik unterzubringen ist. Hierfür stehen nach der D8 lediglich die Räume innerhalb der Steuergeräte-Kammer oder außerhalb des Gehäuses zur Verfügung. Schon der Begriff "Steuergeräte-Kammer" ist nach Auffassung der Kammer eine Anregung, die zur Steuerung dienende Elektronik in der Steuergeräte-Kammer unterzubringen. Ferner ist die Elektronik elektrisch an die in der Steuergeräte-Kammer 22 befindlichen Anschlüsse 24, 25 und Magnetventile angeschlossen (Spalte 2, Zeilen 49 bis 52; Spalte 3, Zeilen 55, 56), was offensichtlich durch eine Anordnung der Elektronik in der Kammer vereinfacht würde. Bei einer Unterbringung der Elektronik außerhalb des Gehäuses dagegen wäre der elektrische Anschluß schwieriger. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß es für den Fachmann naheliegend ist, die Lehre gemäß D8 dadurch zu vervollständigen, daß die Elektronik in der Steuergeräte-Kammer 22 untergebracht wird, die direkt über eine Verbindungsleitung (durch den Deckel) mit der Druckentlastungseinrichtung verbunden ist. Somit gelangt der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1. Dies gilt auch für den Fall, daß der Fachmann die Elektronik wegen Verunreinigungsgefahr in einer von der Steuergeräte-Kammer getrennten Elektronik-Kammer unterbringen sollte, weil er dann, gemäß der Lehre der D8, sämtliche Gehäusekammern an die einzige Außenluftstelle anzuschließen, auch die Elektronik-Kammer in naheliegender Weise über eine durch die Steuergeräte-Kammer führende Verbindungsleitung direkt mit der Außenluftstelle verbinden würde.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem 2. Hilfsantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und dem Antrag kann nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.