European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T000600.20020314 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 März 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0006/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 89101839.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23G 1/34 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gewindefräser | ||||||||
Name des Anmelders: | Prototyp-Werke GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (01) Joh. & Ernst Link GmbH & Co. KG (02) Turchan, Manuel |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 2. Februar 1989 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 16. März 1988 eingereichte Patentanmeldung Nr. 89 101 839.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 334 002 erteilt.
II. Gegen die Patenterteilung legten die Beschwerdeführer I und II (Einsprechende 01 und Einsprechender 02) Einspruch ein und beantragten den Widerruf des Patents. Zur Begründung trugen sie vor, das beanspruchte Verfahren zum Einbringen einer Gewinde-Sackbohrung in ein Werkstück und der Gewindefräser zur Durchführung des Verfahrens seien nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil die beanspruchten Lösungen durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt seien (Einspruchsgrund Artikel 100 a) EPÜ).
III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 1999 verkündeten Entscheidung in geändertem Umfang aufrecht. Die schriftliche Begründung wurde am 4. November 1999 zur Post gegeben.
Sie kam zu dem Ergebnis, daß das europäische Patent unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen gegenüber dem Stand der Technik insbesondere nach
D2: Entwurf DIN 69 884 Teil 2
D5: WO-A-88/05361
D6: DE-A-36 27 798
D7: EP-A-0 237 035
D10: Betriebstechnik 11/84, Seiten 66, 68
den Erfordernissen des EPÜ genüge.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 2 in der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung lauten wie folgt:
"1. Verfahren zum Einbringen einer Gewinde-Sackbohrung in ein Werkstück mittels eines Gewindefräsers (10) mit einem länglichen Schaft (11), der an seinem Umfang mindestens eine mit Schneidstollen (4) versehene Gewindefräserschneide aufweist und an seinem unteren Ende als Stirnfräser ausgebildet ist, dessen Schneiden (2) zum Schaft (11) hin einen Stirnwinkel ( ) einschließen, der größer als 180 ist, wobei der Gewindefräser (10)
- in eine Drehung um die Längsachse (9) des Schaftes (11) versetzt wird,
- zum Einbringen einer Ausgangsbohrung in Richtung der Längsachse (9) in das Werkstück hinein vorwärtsbewegt wird,
- nach Erreichen seiner Bohrtiefe unter Beibehaltung seiner Drehung seitlich versetzt wird,
- unter Beibehaltung seiner Drehung rückwärts bewegt wird, dabei mindestens eine wendelförmige Umlaufbewegung durchführt und hierbei längs der Umfangswand der Ausgangsbohrung mit den Schneidstollen (4) ein Muttergewinde in das Werkstück schneidet, wobei der kleinste Durchmesser des Muttergewindes nicht keiner ist als der Durchmesser der Ausgangsbohrung, und
- nach Erreichen seiner größten Bohrtiefe und Beenden seiner Vorwärtsbewegung und vor irgendeiner Rückwärtsbewegung unmittelbar seitlich so lange in das Material (5) des Werkstücks hinein versetzt wird, bis er den Umfang des beliebig großen Muttergewindes erreicht hat.
2. Gewindefräser zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, mit einem länglichen Schaft (11), der an seinem Umfang mindestens eine mit Schneidstollen (4) versehene Gewindefräserschneide aufweist und an seinem unteren Ende als Stirnfräser ausgebildet ist, dessen Schneiden (2) zum Schaft hin zur Bildung einer Hohlspitze am unteren Ende des Gewindefräsers (10) einen Stirnwinkel ( ) einschließen, der größer als 180 ist."
IV. Gegen diese Entscheidung haben sich die Beschwerdeführerin I (Einspechende 01) am 28. Dezember 1999 sowie der Beschwerdeführer II (Einsprechender 02) am 10. Januar 2000 beschwert und jeweils am selben Tag die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit den am 3. März und am 9. März 2000 eingereichten Beschwerdebegründungen haben sie ihren Antrag auf Widerruf des Patents wegen mangelnder Neuheit (Beschwerdeführer II) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Beschwerdeführerin I und Beschwerdeführer II) weiterverfolgt.
V. Die Beschwerdekammer hat sich in ihrer Mitteilung vom 16. Oktober 2001 zur Behauptung der mangelnden Neuheit kritisch geäußert und auf Diskussionsbedarf zur erfinderischen Tätigkeit hingewiesen.
VI. Am 14. März 2002 fand eine mündliche Verhandlung statt, zu der der ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführer II - wie in seinem Schreiben vom 11. März 2002 angekündigt - nicht erschienen ist. Mit Einlegung der Beschwerde hatte er beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 334 002.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VII. Die Beschwerdeführerin I vertrat die Auffassung, daß das Verfahren nach Anspruch 1 und der Gewindefräser nach Anspruch 2 durch den Stand der Technik nahegelegt seien. Sämtliche Verfahrensschritte einschließlich des seitlichen Versatzes ohne Rückwärtsbewegung des Fräsers seien bereits durch D6 oder D7 bekannt, so daß der einzige Unterschied des Anspruchs 1 demgegenüber in einem gegenständlichen Merkmal bestehe, nämlich der Verwendung eines Gewindefräsers mit Hohlspitze. Der Schritt des Zurückziehens sei in D6 erst im Anspruch 2 enthalten, so daß der Fachmann aus dem Anspruch 1 auch einen Seitenversatz unmittelbar nach dem Erreichen der Bohrtiefe herauslese. Die ältere Anmeldung gemäß der nachveröffentlichten D5 zeige in Figur 9 und 10 schon einen Gewindefräser mit einem Stirnwinkel von 180 . Der Fachmann kenne die einschlägigen DIN (siehe z. B. D2 und zeitlich nachfolgende) und wisse, daß Stirnschneiden bei Schaftfräsern immer einen Hohlschliff von 1 bis 2 aufwiesen. Beim Taschen- oder Nutenfräsen tauche der Fräser in nur einer Zustellung ein und werde anschließend ohne irgendeine Rückwärtsbewegung seitlich versetzt, nicht anders als es das Verfahren des angegriffenen Patents beanspruche. Es habe daher nahegelegen, die Schneidengeometrie eines bekannten Schaftfräsers bei einem Gewindefräser anzuwenden, zumal D10 ausdrücklich die Verwendung des Schaftfräsers als Bohrwerkzeug und als Umfangsfräser erwähne.
Im schriftlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer II dargelegt, daß das beanspruchte Verfahren und der beanspruchte Gewindefräser weder gegenüber D5 noch gegenüber D7 neu seien. Neben den unstrittig bekannten Merkmalen entnehme der fachkundige Leser der Figur 11 der D5 eine Hohlspitze mit zumindest bereichsweise einem Stirnwinkel von größer als 180 . Wenn im Zusammenhang mit Figur 9 beschrieben sei, daß der Fräser ausreichend zurückgezogen werde, so sehe der Fachmann eindeutig, daß in diesem Fall mit einem Stirnwinkel von 180 ein Zurückziehen gerade nicht erforderlich sei. In D7 werde der Gewindefräser unmittelbar nach Erreichen seiner Bohrtiefe seitlich versetzt, und es sei von einer Bohrspitze oder Bohrfläche die Rede, worunter der Fachmann ebenso die Schneide eines Stirnfräsers verstehe.
Zumindest seien die beanspruchten Lösungen aber durch die Kombination von D7 oder D1 mit D2 oder D3 nahegelegt, denn es bedürfe keiner erfinderischen Tätigkeit, die Bohrspitze eines bekannten Stirnfräsers mit einem Stirnwinkel von größer 180 bei einem Gewindefräser des Standes der Technik anzuwenden.
VIII. Die Beschwerdegegnerin trug vor, der zweifellos neue Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch den Stand der Technik auch unter Betrachtung des Standes der Technik aus dem Blickwinkel des Fachmannes nicht nahegelegt. Mit den aus D6 und D7 bekannten Bohrspitzen sei nach dem Zurückziehen des Gewindefräsers um einen Gewindegang ein seitlicher Versatz nur um die Tiefe des Gewindes, aber nicht bis zu einem beliebigen Gewindedurchmesser möglich, weil der Gewindebohrer infolge des auf die Spitze wirkenden Seitendruckes brechen würde. Selbst wenn D7 besage, daß ein Seitenversatz des Gewindefräsers ohne dessen vorheriges Zurückziehen möglich sei, so gehe das nur unter bestimmten Bedingungen wie in weichem Werkstoff und um ein geringes Maß, denn eine solche Belastungsart sei grundsätzlich ein grober Verstoß gegen die anerkannten technische Regeln. Da die Hauptschnittarbeit beim Gewindefräsen zunächst durch Bohren geleistet werde, seien die Lösungen mit üblichen Bohrspitzen nur konsequent, und auch Druckschrift D5, die nach Artikel 54 (3) EPÜ zu bewerten ist, schreibe auch bei der 180 -Schneide der Figur 9 und 10 ausdrücklich eine Rückwärtsbewegung des Gewindefräsers vor dem seitlichen Versetzen vor. Dies zeige, daß bei diesem Stand der Technik in eine ganz andere Richtung gedacht wurde als bei der Erfindung. Da somit jegliches Vorbild in Richtung der beanspruchten Lösung fehle, könne die Behauptung mangelnder erfinderischer Tätigkeit nur auf rückschauender Betrachtung in Kenntnis der Erfindung beruhen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde erfüllt die Vorschriften der Artikel 106 bis 108 EPÜ und ist auch im übrigen zulässig.
2. Neuheit
2.1. Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 wurde in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angegriffen. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß keines der entgegengehaltenen Dokumente sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 oder des Anspruchs 2 aufweist. So ist D5, die nach Artikel 54 (3) EPÜ nur bei der Beurteilung der Neuheit in Betracht zu ziehen ist, einerseits das Merkmal, daß das als Stirnfräser ausgebildete Ende des Gewindefräsers einen Stirnwinkel von größer als 180 aufweist, nicht unmittelbar entnehmbar, denn die Zeichnung (Figur 9) zeigt einen Stirnwinkel von 180 und in der Beschreibung ist hierzu nichts näheres angegeben. Die Ausführungsform der Figur 11 zeigt eindeutig einen Stirnwinkel der Schneiden von kleiner 180 , denn die Ausnehmung 76 zwischen den Schneiden ist keine Schnittfläche und daher auch keine Stirnschneide.
Andererseits offenbart diese Schrift keine Verfahrensabfolge, bei der der Gewindefräser nach Erreichen seiner größten Bohrtiefe und Beenden seiner Vorwärtsbewegung und vor irgendeiner Rückwärtsbewegung unmittelbar seitlich so lange in das Material des Werkstücks hinein versetzt wird, bis er den Umfang des beliebig großen Muttergewindes erreicht hat, denn die Beschreibung der Figuren 9 und 10 sagt eindeutig, daß ein Zurückziehen zur Schaffung eines ausreichenden Freiraums erfolgt (Seite 8, Zeilen 23 bis 25).
2.2. Die Begriffe "Bohrspitze oder Bohrschneide" (drill point or drilling face) in D7 sagen nichts näheres über die Schneidengeometrie aus. Da sämtliche in den Figuren gezeigten Beispiele Stirnwinkel von kleiner als 180 aufweisen, ist in dieser Druckschrift das Merkmal eines Stirnwinkels von größer 180 nicht offenbart.
Die weiteren Entgegenhaltungen stellen die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 und des Gewindefräsers nach Anspruch 2 unbestritten nicht in Frage, so daß das Erfordernis des Artikels 54 (1) EPÜ erfüllt ist.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Der nächstliegende Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, wird durch D6 oder D7 repräsentiert. Diese Druckschriften offenbaren jeweils ein Verfahren zum Einbringen einer Gewinde-Sackbohrung in ein Werkstück mittels eines rotierenden Gewindefräsers mit einer üblichen Bohrerstirnschneide von 120 , mit dem zunächst eine zylindrische Ausgangsbohrung hergestellt wird, der nach Erreichen seiner Bohrtiefe seitlich versetzt wird, unter Rückwärtsbewegung eine wendelförmige Umlaufbahn beschreibt und danach zentriert wieder aus der Gewindebohrung herausgefahren wird.
Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde, einen bekannten, mit einer Bohrerspitze ausgerüsteten Gewindefräser dahingehend weiterzubilden, daß er zum Fräsen von bevorzugt gratfreien Sacklöchern mit größtmöglicher Einschraubtiefe sowie einem Durchmesser zu geeignet ist, der nicht nur dem Nenndurchmesser (Außendurchmesser des Gewindefräsers zuzüglich der zweifachen Ganghöhe) entspricht, sondern auch beliebig größer sein kann, so daß es möglich ist, mit ein und demselben Gewindefräser Gewinde-Sacklöcher herzustellen, die zwar die gleiche Steigung, aber stark unterschiedliche Durchmesser sowie bevorzugt einen gratfreien Gewindeeinlauf aufweisen. Es wird auch ein Verfahren angestrebt, mit dem wenigstens eines dieser Ziele erreichbar ist. (Patentschrift Spalte 2, Zeile 43 bis Spalte 3, Zeile 1).
Gelöst wird dieses technische Problem durch ein Verfahren mit den Arbeitsschritten und Merkmalen des Anspruchs 1 sowie durch einen Gewindefräser mit den Merkmalen des Anspruchs 2.
3.2. Aus D6 und D7 sind Gewindefräser bekannt, mit denen das Verfahren nach Anspruch 1 im Prinzip durchgeführt werden kann. Dabei ist in D7 explizit beschrieben, daß unter bestimmten Umständen ohne vorheriges Zurückziehen unmittelbar ein Seitenversatz des Fräsers erfolgen kann (Spalte 6, Zeilen 26 bis 35). Dem fachkundigen Leser ist hierbei jedoch klar, daß diese begrenzenden Umstände, etwa die Materialhärte des Werkstücks, einen Seitenversatz des Gewindefräsers nicht in einer solchen Weise erlauben, daß er den Umfang eines beliebig großen Muttergewindes erreicht, weil das seitliche Anlaufen der Bohrerspitze an der gebohrten Kegelfläche erst zum Verbiegen des Gewindebohrers und bei weiterer Seitwärtsbewegung bis zum Bruch führen würde. Die beanspruchte Maßnahme wird erst dadurch möglich, daß das Ende des Gewindefräsers als Stirnfräser ausgebildet ist, dessen Schneiden einen Stirnwinkel von größer als 180 einschließen. Ein solches Fräserende arbeitet wie die bekannten Stirn- oder Schaftfräser, die nach dem Eintauchen unmittelbar seitlich versetzt werden können, um Nuten oder Taschen zu fräsen.
3.3. Die Beschwerdeführerin I meinte, eine solche Gestaltung des Gewindefräsers sei nicht erfinderisch, weil der Fachmann nur das Ende eines aus D6 oder D7 bekannten Gewindefräsers in der bekannten Form eines Schaftfräsers auszubilden brauche.
Der Beschwerdeführerin I kann zugestanden werden, daß dem zuständigen Fachmann, einem Maschinenbau-Ingenieur der Fachrichtung Fertigungstechnik, Schaftfräser bekannt sind, wie sie in D2 oder D11 offenbart sind, und deren Schneiden einen Stirnwinkel von größer als 180 einschließen. Zwar besagt der in D11 genannte "Hohlschliff 1 bis 2 " noch nicht eindeutig, daß damit der Stirnwinkel der Schneiden gemeint ist, jedoch weiß der Fachmann aus seiner beruflichen Praxis, daß ein Schneidenwinkel von 180 beim Stirnfräsen wegen der ungünstigen Schnittgeometrie in der Praxis nicht verwendet wird, sondern zumindest etwas größer als 180 in der Form einer Hohlspitze ausgeführt wird.
3.4. Um einen bekannten Gewindefräser mit einem bekannten Schaftfräser zu kombinieren, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden, müßte der Fachmann durch den Stand der Technik oder durch sein allgemeines Fachwissen eine Anregung erhalten haben, was die Kammer im vorliegenden Fall nicht erkennen kann.
Die Frage, ob der Gewindefräser unmittelbar nach dem Erreichen seiner Bohrtiefe seitlich versetzt werden kann, wird in D6 offengelassen, der Schritt des Zurückziehens ist allerdings erst in Anspruch 2 genannt. Nach der Beschreibung des Ausführungsbeispiels ist dieser Schritt jedoch erforderlich (Spalte 4, Zeilen 38 bis 39). Da der Fachmann sofort erkennt, daß ein unmittelbarer Seitenversatz, ohne den Gewindefräser zurückzuziehen, wegen des Anlaufens der Spitze gegen eine schräge Fläche zum Verbiegen der Spitze und der Gefahr eines Bruches des relativ teueren Gewindefräsers führen würde, schließt er diesen Fall als unpraktikabel aus. Andere Möglichkeiten sind in D6 nicht angegeben, so daß der Fachmann dieser Druckschrift allein weder eine Anregung zu einer Ausbildung des Stirnwinkels größer als 180 noch zum Seitenversatz unmittelbar nach Erreichen der Bohrtiefe und vor irgendeiner Rückwärtsbewegung bis zum Erreichen des Umfangs eines beliebig großen Muttergewindes.
3.5. Daß ein Seitenversatz unmittelbar nach Erreichen der Bohrtiefe nach D7 unter bestimmten Umständen möglich ist, führt nach Überzeugung der Kammer den Fachmann in eine andere Richtung, als an der Schneidengeometrie der Bohrspitze weiterzuarbeiten. Als Beispiel für die Umstände, unter denen der unmittelbare Seitenversatz möglich ist, wird das Material des Werkstückes genannt, im Verständnis des Fachmannes also die mechanische Festigkeit und die Schnitteigenschaften, wobei er ohne weiteres erkennt, daß dieser unmittelbare Seitenversatz nur bei einem relativ weichen Material des Werkstückes möglich ist und auch nur um ein geringes Maß. Hätte der Konstrukteur der Ausführung von D7 an einen weiteren Seitenversatz gedacht als nur den der Gewindehöhe, etwa bis zu einem beliebig großen Muttergewinde, so wäre er mit seinen Überlegungen nicht beim Material des Werkstückes stehengeblieben, denn er hätte die Problematik der an einer schrägen Fläche anlaufenden Bohrerspitze mit der Gefahr des Verbiegens und Brechens erkennen müssen. Da aber eine weitergehende Offenbarung fehlt, ist aus fachmännischer Sicht D7 ebensowenig eine Anregung zu entnehmen, den Stirnwinkel größer als 180 auszubilden noch den Seitenversatz bis zum Erreichen des Umfangs eines beliebig großen Muttergewindes vorzunehmen. Somit enthält weder D7 noch D6 eine zielführenden Hinweis, der die Kombination der Verfahrensschritte und Merkmale der Ansprüche 1 und 2 nahelegen könnte.
3.6. Daß Schaft- und Stirnfräser mit der beanspruchten Schneidengeometrie viele Jahre vor dem Prioritätstag des vorliegenden Patents bekannt waren, liegt auf der Hand. Aus D10 geht auch hervor, daß die neuartigen Schaftfräser multifunkionell einsetzbar sind für Eintauchen, Bohren, Langfräsen und Umfangsfräsen. Ziel dieser Entwicklung war es jedoch in erster Linie, mit dem Mehrzweck-Fräser Werkzeugplätze an den teueren Magazinen der NC-Maschinen einzusparen. Somit kann dieser Stand der Technik keinen unmittelbaren Hinweis liefern, die Schneidengeometrie auf den speziellen Einsatzzweck eines Gewindefräsers mit Bohrspitze zu übertragen, zumal diese Gewindefräser mit Bohrspitze einerseits und die Schaft- oder Stirnfräser andererseits zum Prioritätszeitpunkt schon lange Zeit nebeneinander bekannt waren. Die übrigen im Verfahren befindlichen und in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffenen Entgegenhaltungen liegen der Erfindung ferner als der vorstehend behandelte Stand der Technik und können daher die erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht in Frage stellen.
3.7. Da somit das Verfahren nach Anspruch 1 und der Gegenstand des Anspruchs 2 weder durch eine einzelne Entgegenhaltung noch durch deren naheliegende Kombination zu erreichen war und auch nicht erkennbar ist, wie der Fachmann nur unter Einsatz seiner fachlichen Fähigkeit dahin hätte gelangen können, beruhen die beanspruchten Lösungen auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Zusammenfassend ist die Kammer aus den dargelegten Gründen zu dem Ergebnis gelangt, daß die mit den Ansprüchen 1 und 2 beanspruchte Erfindung die Erfordernisse des Artikels 52 (1) EPÜ erfüllt. Zusammen mit diesen Ansprüchen können die abhängigen Ansprüche 3 bis 6, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, ebenfalls aufrechterhalten werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.