| European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:R000924.20250715 | ||||||||
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| Datum der Entscheidung: | 15 Juli 2025 | ||||||||
| Aktenzeichen: | R 0009/24 | ||||||||
| Anmeldenummer: | 17165893.3 | ||||||||
| IPC-Klasse: | A21C 9/08 | ||||||||
| Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
| Verteilung: | D | ||||||||
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| Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUM AUSRICHTEN VON GEWICKELTEN TEIGPRODUKTEN IN EINER DEFINIERTEN SCHLUSSLAGE | ||||||||
| Name des Anmelders: | Fritsch Bakery Technologies GmbH & Co. KG | ||||||||
| Name des Einsprechenden: | Rademaker B.V. | ||||||||
| Kammer: | EBA | ||||||||
| Leitsatz: | - | ||||||||
| Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
| Schlagwörter: | Antrag auf Überprüfung - offensichtlich unzulässig Einhaltung der Rügepflicht - nein |
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| Orientierungssatz: |
- |
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| Angeführte Entscheidungen: |
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| Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit Schriftsatz vom 22. März 2024 (nachfolgend auch ,,Überprüfungsantrag") legte die Beschwerdeführerin-Einsprechende (,,Antragstellerin") unter gleichzeitiger Zahlung der entsprechenden Gebühr einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung T 866/22 der Technischen Beschwerdekammer 3.2.04 ein. Diese Entscheidung war in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2023 verkündet und mit den schriftlichen Entscheidungsgründen den Beteiligten am 25. Januar 2024 übermittelt worden. Mit dieser Entscheidung hob die Technische Beschwerdekammer 3.2.04 (,,Kammer") die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung auf und hielt das Patent in unveränderter Form aufrecht, d.h. wies im Ergebnis den Einspruch zurück.
II. Das Verfahren, das zum vorliegenden Überprüfungsantrag geführt hat, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Einspruchsabteilung hatte in der angefochtenen Zwischenentscheidung unter anderem entschieden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung D1 Stand der Technik sei und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in erteilter Fassung von dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung neuheitsschädlich vorweggenommen sei, dass aber das Patent in der Fassung eines Hilfsantrags, und die Erfindung, die es zum Gegenstand habe, den Erfordernissen des EPÜ genügten.
b) Gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hatten die Patentinhaberin und die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
c) Am Ende des Beschwerdeverfahrens entschied die Kammer unter anderem, dass die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung D1, gestützt auf D1d und D1m, nicht bewiesen war; neues Vorbringen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung betreffend die Vorbenutzung D1, gestützt auf die Beweismittel D1a, D1h, D1i und D1g, wurde, wie von der Patentinhaberin beantragt, nicht zugelassen; ebenfalls nicht zugelassen wurden die erstmals im Beschwerdeverfahren von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände basierend auf D10A, D14 und D15, sowie der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2. Der Antrag der Antragstellerin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung wurde vor dem Hintergrund der Nichtzulassung der Dokumente D10A und D15 abgelehnt.
III. Der Überprüfungsantrag ist auf Artikel 112a (2) c) EPÜ gestützt. Die Antragstellerin macht geltend, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ dadurch verletzt worden sei, dass nicht all ihre Einwände betreffend eine mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung von der Kammer inhaltlich geprüft oder zumindest die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung über diese Einwände an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen worden sei, obwohl diese Einwände in das Beschwerdeverfahren eingeführt worden seien. Mit dieser Vorgehensweise sei der Antragstellerin die Möglichkeit genommen worden, das Patent wie erteilt anzufechten, und somit sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
IV. In ihrer gegenwärtigen Besetzung gemäß Regel 109 (2) a) EPÜ unterrichtete die Große Beschwerdekammer in einer gemäß Artikel 13 VOGBK erlassenen Mitteilung die Antragstellerin davon, dass sie den Vortrag der Antragstellerin im Lichte der Gesamtumstände und vor dem Hintergrund der gesetzlich normierten Befugnisse der Großen Beschwerdekammer dahingehend verstehe, dass die Antragstellerin die Aufhebung der Entscheidung T 866/22 und die Wiedereröffnung des Verfahrens vor der zuständigen Beschwerdekammer beantrage. Weiterhin sei nach vorläufiger Auffassung der Großen Beschwerdekammer der Überprüfungsantrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen von Regel 106 EPÜ offensichtlich unzulässig und selbst unter gegenteiliger Annahme offensichtlich unbegründet. Die Große Beschwerdekammer wies ferner darauf hin, dass der Überprüfungsantrag mit einem Mangel nach Regel 107 (1) a) EPÜ behaftet war, forderte innerhalb einer Frist zur Beseitigung des Mangels gemäß Regel 108 (2) EPÜ auf und gab Gelegenheit zur allfälligen Stellungnahme.
V. Mit fristgerecht eingegangenem Schriftsatz reichte die Antragstellerin die nach Regel 107 (1) a) EPÜ erforderlichen Angaben nach, bestätigte ihren Antrag auf Aufhebung der Entscheidung T 866/22 und die Wiedereröffnung des Verfahrens vor der zuständigen Beschwerdekammer, und machte weitere Ausführungen zur Stützung ihres Überprüfungsantrags.
VI. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung wurde von der Antragstellerin nicht gestellt, so dass die vorliegende Entscheidung schriftlich ergehen kann.
Entscheidungsgründe
1. Der auf Artikel 112a (2) c) EPÜ gestützte Überprüfungsantrag, mit dem die Antragstellerin geltend macht, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ verletzt worden sei, ist offensichtlich unzulässig.
2. Der Überprüfungsantrag erfüllt zwar die Erfordernisse von Artikel 112a (1),(4) und Regel 107 EPÜ, zumal die Antragstellerin die nach Regel 107 (1) a) EPÜ erforderlichen und zunächst fehlenden Angaben innerhalb der nach Regel 108 (2) EPÜ gesetzten Frist nachgereicht hat.
3. Jedoch sind die Erfordernisse von Regel 106 EPÜ im Hinblick auf das gesamte Vorbringen der Antragstellerin, woraus sich ihrer Ansicht nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ergeben soll, nicht erfüllt.
4. Gemäß Regel 106 EPÜ ist u.a. ein Antrag nach Artikel 112a (2) c) EPÜ nur zulässig, wenn der Verfahrensmangel während des Beschwerdeverfahrens beanstandet wurde und die Beschwerdekammer den Einwand zurückgewiesen hat, es sei denn, der Einwand konnte im Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.
5. Die Erhebung eines Einwands gemäß Regel 106 EPÜ ist eine Verfahrenshandlung und grundsätzlich eine Zugangsvoraussetzung zum außerordentlichen Rechtsbehelf des Überprüfungsantrags nach Artikel 112a EPÜ. Für die ordnungsgemäße Erhebung eines Einwands i.S.v. Regel 106 EPÜ ist es daher erforderlich, dass er so ausgedrückt wird, dass die betroffene Beschwerdekammer unmittelbar und zweifelsfrei erkennen kann, dass es sich um einen Einwand nach Regel 106 EPÜ handelt, also um einen Einwand, der zusätzlich und gesondert zu anderen Erklärungen erhoben wird, in denen insbesondere gegen die Verfahrensführung oder eine einzelne Verfahrensfeststellung argumentiert oder gar protestiert wird. Auch muss erkennbar sein, welcher Verfahrensmangel geltend gemacht wird (siehe auch R 8/17, Punkt 7 der Entscheidungsgründe; R 21/11, Punkt 9 der Entscheidungsgründe; R 17/10, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe; Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage 2022, V.B.3.6.2.a)).
6. Die Antragstellerin hat im Überprüfungsantrag zum Vorliegen der Voraussetzungen von Regel 106 EPÜ, insbesondere zur Einhaltung der Rügepflicht nicht vorgetragen. Insbesondere hat sie nicht geltend gemacht, den vermeintlichen Verfahrensmangel der Verletzung ihres rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren, beispielsweise während der mündlichen Verhandlung, i.S.v. Regel 106 EPÜ beanstandet zu haben.
7. Zudem ist aus der Aktenlage, insbesondere der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 vor der Kammer, nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin während der mündlichen Verhandlung einen Verfahrensmangel beanstandet bzw. einen Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ erhoben hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kammer einen Einwand, mit dem ein Verfahrensmangel beanstandet wurde, zurückgewiesen hat, wozu die Kammer gemäß Regel 106 EPÜ verpflichtet gewesen wäre.
8. Zwar hat die Antragstellerin im Fall T 864/22 in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer um 9:30 Uhr ein Schriftstück eingereicht, welches der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 im Fall T 864/22 als Anlage beigefügt ist. Allerdings handelt es sich dabei, der Bezeichnung ,,Speaking Notes" und dem Inhalt des Schriftstücks zufolge, nicht um einen Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ. Im Übrigen kann eine Bezugnahme oder ein Verweis in einer mündlichen Verhandlung in einem bestimmten Beschwerdeverfahren, hier in dem Verfahren T 866/22, auf das Vorbringen in einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Beschwerdeverfahren, hier dem Verfahren T 864/22, nicht die Erhebung eines Einwands i.S.v. Regel 106 EPÜ darstellen.
9. Die Antragstellerin hat in ihrem nachgereichten Schriftsatz vorgetragen, dass sie ,,klare mündliche Einwände gegen diese Zurückweisung" (,,[c]lear oral objections against this refusal", siehe Schriftsatz vom 6. Mai 2025, Seite 4) während der mündlichen Verhandlung erhoben habe.
10. Mit ,,dieser Zurückweisung" bezieht sich die Antragstellerin laut Schriftsatz auf das Vorgehen der Kammer, die Einwände der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht zum Verfahren zuzulassen sowie den Antrag der Antragstellerin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Behandlung der erfinderischen Tätigkeit zurückzuweisen.
11. Nähere Informationen betreffend die ,,klaren mündlichen Einwände", etwa betreffend den Inhalt des Vorbringens oder den Zeitpunkt, hat die Antragstellerin nicht gegeben.
12. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 vor der Kammer, die den Verfahrensablauf wiedergibt, enthält nichts, was darauf schließen lassen könnte, dass diese ,,klaren mündlichen Einwände" von der Kammer als verfahrensrechtliche Beanstandungen, geschweige denn als Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ verstanden worden wären.
13. Eine Berichtigung der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 vor der Kammer, etwa auf der Grundlage eines Vortrags, dass eine verfahrensrechtliche Erklärung, obwohl tatsächlich abgegeben, nicht in der Niederschrift erscheine, wurde von keinem Beteiligten beantragt.
14. Darüber hinaus ergibt sich auch aus der schriftlich begründeten Entscheidung der Kammer keinerlei Anhaltspunkt, der auf die Erhebung eines Einwands i.S.v. Regel 106 EPÜ im Verfahren vor der Kammer hindeuten würde.
15. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das mündliche Vorbringen, das die Antragstellerin als ,,klare mündliche Einwände gegen diese Zurückweisung" bezeichnet, auf einem Niveau verblieben ist, welches ein im Sinne von Regel 106 EPÜ verfahrensrechtlich nicht relevantes Argumentieren oder Protestieren darstellt.
16. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Erhebung eines Einwands i.S.v. Regel 106 EPÜ eine separate verfahrensrechtliche Erklärung. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass ein Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ auch mündlich erklärt werden kann, und es ist auch nicht zwingend erforderlich, dass eine Rechtsnorm zitiert wird, allerdings muss laut ständiger Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer ein Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ in einer Art und Weise formuliert worden sein, dass dieser für die betroffene Kammer als solcher erkennbar war. Erst eine derartige Erhebung ermöglicht es einer Kammer, sich mit dem vermeintlich aufgetretenen Verfahrensmangel zu befassen, und ihn gegebenenfalls zu heilen oder den Einwand zurückzuweisen.
17. Es liegt dabei in der Sphäre einer Partei bzw. eines künftigen Antragstellers, einen Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ im Beschwerdeverfahren rechtzeitig und auf eine Art und Weise zu erheben, so dass in einem etwaigen späteren Verfahren nach Artikel 112a EPÜ vor der Großen Beschwerdekammer der Nachweis über die Erhebung dieses Einwands geführt werden kann.
18. Mangels jeglichen Anhaltspunktes für das Vorliegen eines Einwands i.S.v. Regel 106 EPÜ im vorliegenden Fall kann die Große Beschwerdekammer nur davon ausgehen, dass ein Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ nicht ordnungsgemäß erhoben worden ist.
19. Weiteres wurde von der Antragstellerin in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen von Regel 106 EPÜ, etwa zur vorgesehenen Ausnahme von der Rügepflicht nicht vorgetragen. Es ist im Lichte des Gangs der mündlichen Verhandlung, wie er in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2023 vor der Kammer festgehalten ist, auch nicht ersichtlich, dass ein Einwand von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht hätte erhoben werden können. So wurde ausweislich der Niederschrift während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mit den Parteien die Sach- und Rechtslage erörtert, wobei festgehalten wurde, dass ,,im Hinblick auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer und den Verfahrensgang des Falles T 864/22 auf das schriftliche Vorbringen verwiesen" wurde (siehe Niederschrift vom 30. November 2023, Seite 2). Den Parteien war somit Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden und beide Parteien hatten darüber hinaus erklärt, dass sie keine weiteren Anmerkungen oder Anträge vorzubringen hätten.
20. Da ein für die Zulässigkeit eines nachfolgenden Überprüfungsantrages erforderlicher Einwand i.S.v. Regel 106 EPÜ nicht ordnungsgemäß erhoben worden ist, ist in Bezug auf den vermeintlichen Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgrund der Nichtzulassung von Einwänden bzw. der unterbliebenen Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung die Voraussetzung von Regel 106 EPÜ nicht erfüllt.
21. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen von Regel 106 EPÜ ist der Überprüfungsantrag daher offensichtlich unzulässig.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag auf Überprüfung wird einstimmig als offensichtlich unzulässig verworfen.