J 0035/97 (Zweitakt/HONES) of 7.6.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:J003597.20000607
Datum der Entscheidung: 07 Juni 2000
Aktenzeichen: J 0035/97
Anmeldenummer: 94116249.7
IPC-Klasse: F01C 1/063
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zweitaktkreiskolbenbrennkraftmaschine mit selbsteinstellendem Verdichtungsverhältnis
Name des Anmelders: HONES, Josef, Dipl.-Ing.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 69(1)
European Patent Convention 1973 R 78
European Patent Convention 1973 R 85a
Schlagwörter: Empfang von Mitteilung - nicht bewiesen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0005/04
T 0261/07

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat gegen die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 31. Juli 1997, daß die Mitteilung nach Regel 85b EPÜ (vom 14.01.97) sowie die Mitteilung "Feststellung eines Rechtsverlusts nach Regel 69(1) EPÜ (vom 03.05.97) aufrecht erhalten werden, und daß die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen gilt, am 8. Oktober 1997 Beschwerde eingelegt, die Beschwerdegebühr bezahlt und die Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Der Beschwerdeführer beantragt die angefochtene Entscheidung sowie die Mitteilung "Feststellung eines Rechtsverlusts nach Regel 69(1) EPÜ vom 03.05.97 aufzuheben, die Mitteilung nach Regel 85b zuzustellen, und hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. In der Beschwerdebegründung wurde u.a. vorgetragen:

- Die Mitteilung nach Regel 85b EPÜ, die das Europäische Patentamt am 14. Januar 1997 ("14.01 Mitteilung") zur Poststelle gegeben habe, sei ihm, dem Anmelder, nicht zugestellt worden. Es sei somit die Nachfrist zur Entrichtung der Prüfungsgebühr mit Zuschlagsgebühr nicht in Gang gesetzt worden.

- Die eingeschriebene Mitteilung sei zwar von einem Herrn Holy in Empfang genommen worden, der aber von ihm nicht zum Empfang von Post bevollmächtigt gewesen sei und diese auch nicht an ihn ausgehändigt habe. Es habe somit keine gemäß den Vorschriften der Deutschen Postordnung §§45, 50 erfolgte Zustellung an ihn persönlich oder an seinen Bevollmächtigten gegeben. Hierfür werde Herr Holy als Zeuge angeboten.

IV. Mit Bescheid vom 18. Mai 1998 wies die Kammer darauf hin, daß das bisherige Vorbringen dahingehend zu ergänzen sei welche Regelungen der Beschwerdeführer im Fall seiner Abwesenheit für den Postempfang getroffen habe.

V. Mit am 20. Oktober 1998 eingegangenem Schreiben reichte der Vertreter des Beschwerdeführers eine eidestattliche Versicherung des Beschwerdeführers und eine eidestattliche Versicherung des Herrn Holy in tschechischer Sprache mit deutscher Übersetzung mit im wesentlichen folgendem Inhalt ein:

- Der Beschwerdeführer gab an, daß wenn ein Auslandsaufenthalt nur wenige Tage dauere, er keine besonderen Vorkehrungen zur Entgegennahme seiner Post treffe. Eingeschriebene Sendungen hole er dann nach seiner Rückkehr innerhalb der von der Post üblicherweise vorgegebenen Aufbewahrungsfrist ab. In Fällen längerer Abwesenheit erteile er eine Vollmacht, um eine korrekte Zustellung zu gewährleisten. Während seiner Abwesenheit vom 13. bis zum 21. Januar 1997 habe er keine besonderen Vorkehrungen zur Entgegennahme eingeschriebener Sendungen getroffen. Seine Abwesenheit sei ja so kurz gewesen, daß nicht entgegengenommene Sendungen in jedem Fall von der Post aufbewahrt worden wären. Am 15. Januar 1997 habe sich Herr Holy in seinem Geschäftsräumen befunden. Herr Holy sei für ihn in Tschechien tätig, um dortigen Kunden den Kontakt zu seinen Firmen zu ermöglichen, sei aber weder Angestellter noch Mitinhaber dieser Firmen. Er habe Herrn Holy nicht beauftragt oder bevollmächtigt, Sendungen in Empfang zu nehmen. Seine Ausführungen in seinem Schreiben vom 14. Mai 1997 [an das EPA] in dem er Herrn Holy als "Repräsentant meiner Firma" bezeichnet habe, seien nur im vorgenannten Sinne zu verstehen. Seine weiteren Ausführungen in diesem Schreiben, nach denen das verlorengegangene Schreiben des EPA "von meinem Angestellten versehentlich in irgendeine Ablage gelegt wurde" bezögen sich auf einen späteren, ihm unbekannten Zeitpunkt, zu welchem seine (Teilzeit-)Angestellten sich ebenfalls in den Geschäftsräumen aufgehalten hätten.

- Herr Holy erklärte daß er sich u.a. am 15. Januar 1997 in Deutschland in den Geschäftsräumen des Beschwerdeführers befunden habe. Er könne sich erinnern, daß er einer Person die Tür geöffnet habe, die ihn einiges gefragt habe, was er nicht verstanden habe. Er verstehe kein Deutsch. Lediglich der Name "Hones" sei ihm verständlich gewesen. Er habe nur verdeutlichen können, daß der Beschwerdeführer nicht anwesend sei. Daraufhin sei ihm eine Briefsendung zusammen mit einem Zettel und einem Kugelschreiber übergeben worden. Den Gesten des Boten habe er entnehmen können, daß der Bote eine Quittierung der Sendung wünsche, was er auch getan habe. Zu keinem Zeitpunkt habe ihn der Beschwerdeführer bevollmächtigt, an diesen gerichtete Sendungen entgegenzunehmen.

VI. Mit Schriftsatz vom 14. April 2000, reichte der Vertreter des Beschwerdeführers Kopien der §§ 12 und 13 der zum fraglichen Zeitpunkt für die Deutsche Post AG geltenden Post-KundenschutzVO vom 19.12.1995 (BGBl I, S. 2016) ein und trug vor, daß die eingeschriebene Mitteilung nach Regel 85b EPÜ weder an eine nach § 12 berechtigte Person noch an einen nach § 13 berechtigten Ersatzempfänger ausgeliefert worden sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Mit den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen stellt sich die zu beurteilende Sachlage in einem ganz anderen Licht dar als vor der ersten Instanz. Es ist hier im Sinne der Verfahrensökonomie, wenn die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 111(1) EPÜ ausübt, um selbst den Fall zu entscheiden.

3. Gemäß Regel 85b EPÜ kann der nicht innerhalb der in Artikel 94(2) EPÜ vorgesehenen Frist gestellte Prüfungsantrag noch innerhalb einer Nachfrist von einem Monat nach Zustellung einer Mitteilung, in der auf die Fristversäumnis hingewiesen wird, wirksam gestellt werden, sofern innerhalb dieser Frist eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird.

4. Die entsprechende Mitteilung ist ordnungsgemäß durch eingeschriebenen Brief nach der damals geltenden Regel 78(1) EPÜ an den Beschwerdeführer zur Post gegeben worden. Nach Absatz 3 derselben Regel gilt bei dieser Art der Zustellung der Brief mit dem zehnten Tag nach Abgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, er ist nicht oder an einem späteren Tag zugegangen. In Zweifelsfällen hat das Europäische Patentamt die ordnungsgemäße Zustellung nachzuweisen. Regel 78(4) EPÜ (früher Regel 78(5) EPÜ) sieht vor, daß ergänzend zu den Bestimmungen der Konvention das Recht des Staates anzuwenden ist, in dessen Hoheitsgebiet die Zustellung erfolgt.

5. Ausgehend von den entsprechenden Vorschriften der damals für die Deutsche Post AG geltenden Post-KundenschutzVO vom 19.12.1995 (BGBl I, S. 2016), §§12 und 13, hatte nach §12(1) für eine ordnungsgemäße Auslieferung die Deutsche Post AG die Briefsendung dem in der Anschrift bezeichneten Empfänger, also dem Beschwerdeführer, oder dessen Ehegattin zuzustellen oder auf Antrag zur Abholung bereitzuhalten.

6. Der Beschwerdeführer hatte nach der Beweislage keine Postvollmacht erteilt, so daß §12(2) der Post-KundenschutzVO in diesem Fall nicht relevant ist.

7. War keiner der nach §12(1) und (2) Berechtigten anzutreffen, hätte die Briefsendung unter Anwendung von § 13(2) der Post-KundenschutzVO an einen der folgenden (abschließend aufgezählten) "Ersatzempfänger" bewirkt werden können:

1. Angehörige der nach § 12 Abs. 1 und 2 Berechtigten,

2. in der Wohnung oder im Geschäft des Empfängers anwesende Arbeitnehmer,

3. der Inhaber oder Vermieter der in der Anschrift angegebenen Wohnung,

4. der Inhaber einer Schließfachanlage und die in seinem Betrieb beschäftigten Personen.

8. Wie sich übereinstimmend aus den vom Europäischen Patentamt angestellten Nachforschungen und den Eingaben des Beschwerdeführers ergibt, ist die Sendung nicht dem Beschwerdeführer oder dessen Ehegattin, sondern Herrn Holy übergeben worden. Herr Holy war vom Beschwerdeführer nicht bevollmächtigt, die Sendung in Empfang zu nehmen. Somit kann nicht von einer Zustellung gemäß §§ 12(1) und (2) der Post-KundenschutzVO gesprochen werden. Herr Holy könnte höchstens als Ersatzempfänger gemäß § 13 der geltenden Post-KundenschutzVO in Frage kommen. Aber Herr Holy ist keiner der möglichen Kategorien von Ersatzempfängern zuzuordnen. Er war nicht ein Angehöriger. Er war zwar unbestritten in der Wohnung oder im Geschäft des Empfängers anwesend, war aber nicht Angestellter. Er war nicht Inhaber oder Vermieter der Wohnung, und nicht Inhaber einer Schließfachanlage oder dessen Angestellter.

9. Nach seinem Vorbringen hat der Beschwerdeführer die eingeschriebenen Briefsendung mit der Mitteilung nach Regel 85b EPÜ auch nicht später zu Gesicht bekommen, da sie dem Anschein nach unauffindbar geblieben ist. Es fehlt jeglicher Beweis, daß der Beschwerdeführer sie je zu Gesicht bekommen hat.

10. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß das Europäische Patentamt eine ordnungsgemäße Zustellung der Mitteilung gemäß Regel 85b EPÜ nicht bewiesen hat. Hieraus folgt, daß die Mitteilung über die Feststellung eines Rechtsverlusts nach Regel 69(1) EPÜ (vom 03.05.97) zu unrecht ergangen ist und somit auch die europäische Anmeldung nicht als zurückgenommen gilt. Die Mitteilung gemäß Regel 85b EPÜ ist daher zu wiederholen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Eingangsstelle zurückverwiesen.

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