J 0023/96 (Wesentlicher Verfahrensmangel/Bühler) of 28.8.1997

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1997:J002396.19970828
Datum der Entscheidung: 28 August 1997
Aktenzeichen: J 0023/96
Anmeldenummer: 95113855.1
IPC-Klasse: B07B 1/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Reinigung von Sieben
Name des Anmelders: BÜHLER AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 122(4)
European Patent Convention 1973 R 69(2)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Keine Entscheidung über den Hilfsantrag
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0002/22

Sachverhalt und Anträge

I. Am 4. September 1995 reichte die Anmelderin die europäische Patentanmeldung Nr. 95 113 855.1 als Teilanmeldung zur Stammanmeldung Nr. 93 903 774.3 ein, welche am 24. Februar 1993 eingereicht worden war.

II. Nach Empfang eines Hinweises vom 11. April 1996 bezüglich der für das vierte Jahr am 29. Februar 1996 fälligen Jahresgebühr, zahlte die Anmelderin diese Jahresgebühr mit Zuschlag am 15. April 1996.

III. Am 13. Mai 1996 wurde der Anmelderin gemäß Regel 69 (1) EPÜ mitgeteilt, daß die europäische Patentanmeldung gemäß Artikel 86 (3) EPÜ als zurückgenommen gelte, weil die Jahresgebühr für das dritte Jahr und die Zuschlagsgebühr nicht entrichtet worden waren.

IV. Mit Telefax vom 29. Mai 1996 beantragte die Anmelderin eine Entscheidung gemäß Regel 69 (2) EPÜ und hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gleichzeitig wurden die Jahresgebühr für das dritte Jahr, die Zuschlagsgebühr und die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet und die Anträge begründet.

V. Am 30. Juli 1996 hat die Prüfungsabteilung (Formalsachbearbeiterin) den Antrag auf eine Entscheidung des EPA gemäß Regel 69 (2) EPÜ zurückgewiesen. Die Entscheidung, daß die Mitteilung nach Regel 69 (1) EPÜ zugetroffen habe, wurde damit begründet, daß die 3. Jahresgebühr weder am Fälligkeitstag noch mit Zuschlag innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit gezahlt worden sei, und daß die Anmelderin für eine rechtzeitige Zahlung zu sorgen hatte, unabhängig davon, ob sie einen Hinweis auf Artikel 86 (2) EPÜ erhalten hatte. Gleichzeitig erfolgte eine Kurzmitteilung, daß über den Antrag auf Wiedereinsetzung nach Rechtskraft der Entscheidung gemäß Regel 69 (2) EPÜ oder gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren entschieden werde.

VI. Am 9. August 1996 legte die Anmelderin gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und reichte gleichzeitig die Beschwerdebegründung ein. Die Beschwerdegebühr wurde am 12. August 1996 entrichtet.

Die Anmelderin erstrebt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens. Den mit Schreiben vom 29. Mai 1996 hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung hält sie aufrecht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Gemäß Regel 69 (2) wird eine Entscheidung nur getroffen, wenn das EPA die Auffassung des Antragstellers nicht teilt. Dies ist hier der Fall, wie sich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergibt. Deren Tenor ist jedoch unzutreffend formuliert und hätte formell richtig lauten müssen: "Die europäische Patentanmeldung Nr. 95 113 855.1 gilt gemäß Artikel 86 (3) EPÜ als zurückgenommen". Mit der in Regel 69 (2) angesprochenen Entscheidung ist die "sachliche" Entscheidung gemeint. Nach deren Vorschrift ist dagegen im vorliegenden Fall die "Zurückweisung" des Antrags auf eine Entscheidung nicht zulässig. Denn diese Formulierung würde bedeuten, daß die Prüfungsabteilung sich weigert, eine sachliche Entscheidung zu treffen.

3. Darüber hinaus hat die Prüfungsabteilung zu Unrecht nicht über den Hilfsantrag entschieden. Der Hilfsantrag wird für den Fall gestellt, daß der Hauptantrag nicht gewährt werden kann; er rückt dem Hauptantrag nach und war in der gleichen Entscheidung zu bescheiden wie der Hauptantrag. Das von der Prüfungsabteilung eingeschlagene Verfahren ist zum einen nicht verfahrensökonomisch und könnte zum anderen den Antragsteller dazu zwingen, zweimal eine Beschwerde einlegen zu müssen. Das Verfahren der Prüfungsabteilung stellt somit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der im vorliegenden Fall zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und ohne sachliche Entscheidung zur Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung führen muß, damit diese gleichzeitig über den Hauptantrag und über den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag entscheidet.

Eine Entscheidung der Kammer über diesen Wiedereinsetzungsantrag, wie es die Beschwerdeführerin anregt, ist nicht zulässig, da gemäß Artikel 122 (4) EPÜ über den Wiedereinsetzungsantrag das Organ entscheidet, das über die versäumte Handlung zu entscheiden hat. Dies ist hier die Prüfungsabteilung.

4. Gemäß Regel 67 EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht. Hier wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als die angefochtene Entscheidung aufgehoben wird. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt, wie oben dargelegt, vor. Die Rückzahlung entspricht auch der Billigkeit, da der Beschwerdeführerin selbst kein prozessuales Fehlverhalten vorzuwerfen ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, gleichzeitig über Haupt- und Hilfsantrag zu entscheiden.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückerstattet.

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