European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1989:J003389.19891211 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Dezember 1989 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0033/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88403355.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | F28F 19/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | FR | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Caisse Palette Dif. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | Die Eingangsstelle ist für die Entscheidung über einen die Zeichnungen betreffenden Berichtigungsantrag nach Regel 88 Satz 2 EPÜ zuständig, wenn dieser Antrag keine technische Prüfung erfordert (vgl. Entscheidung J 04/85 der Juristischen Beschwerdekammer vom 28. Februar 1986, ABl. EPA 1986, 205). | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Auslassung von Zeichnungen Berichtigungsantrag Eingangsstelle - technische Prüfung - Zuständigkeit |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Am 29. Dezember 1988 reichte die Beschwerdeführerin beim Europäischen Patentamt eine europäische Patentanmeldung mit sieben Zeichnungen ein, die mit FIG. 1 bis FIG. 7 gekennzeichnet waren. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung fehlten drei Zeichnungen - die Abbildungen 8 bis 10 -, obwohl hierauf in der Anmeldung und in der der Eingangsstelle am 18. Januar 1989 übersandten Abschrift der Prioritätsunterlage Bezug genommen wurde.
II. Am 27. Januar 1989 übersandte die Eingangsstelle dem Vertreter der Beschwerdeführerin die Mitteilung nach Regel 43 (2) EPÜ und machte ihn auch auf die Regel 88 EPÜ aufmerksam.
III. Mit Schreiben vom 22. Februar 1989 beantragte der Vertreter die Berichtigung der Anmeldung gemäß Regel 88 EPÜ; gleichzeitig reichte er die bei der Einreichung der Anmeldung nicht eingereichten Zeichnungen nach. Am 1. März 1989 teilte die Eingangsstelle dem Vertreter mit, daß über seinen Berichtigungsantrag von der Prüfungsabteilung entschieden und die Anmeldung in der eingereichten Fassung mit einem Hinweis auf das Vorliegen dieses Antrags veröffentlicht werde.
IV. Mit Schreiben vom 10. März 1989 beantragte der Vertreter unter Bezugnahme auf die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (A-III, 10, letzter Absatz) die Berichtigung durch die Eingangsstelle. Diese teilte ihm am 20. April 1989 mit, daß sie aufgrund einer (in der nächsten Auflage erscheinenden) Änderung der Richtlinien hierfür nicht mehr zuständig sei. In seiner Erwiderung vom 26. Mai 1989 bestand der Vertreter auf der Prüfung seines Berichtigungsantrags durch die Eingangsstelle, damit die Anmeldung in ihrer vollständigen Fassung veröffentlicht werden könne.
V. Am 19. Juli 1989 wurde die Anmeldung ohne die Abbildungen 8, 9 und 10 unter der Nummer 0 324 299 veröffentlicht. Auf der Titelseite der Druckschrift wurde auf den Berichtigungsantrag hingewiesen.
VI. Am 25. Juli 1989 wies die Eingangsstelle den Antrag auf Berichtigung mit der Begründung zurück, daß sie für Entscheidungen über Berichtigungsanträge nicht mehr zuständig sei; über den Antrag werde von der Prüfungsabteilung entschieden.
VII. Am 25. September 1989 legte der Vertreter Beschwerde ein. In seiner Begründung beantragte er, die Entscheidung vom 25. Juli 1989 aufzuheben und dem vorher wiederholt bei der Eingangsstelle gestellten Berichtigungsantrag stattzugeben; hierbei betonte er, es sei unbillig, daß ein Verfahren, das nach den Richtlinien in der den Vertretern zur Verfügung stehenden Fassung zulässig und bislang vom Amt auch praktiziert worden sei, einseitig zuungunsten der Anmelder geändert werden könne. Er beantragte außerdem eine erneute, vollständige Veröffentlichung der Anmeldung.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Eine erste Frage, die sich im vorliegenden Fall stellt, hängt mit der Übermittlung der Entscheidung vom 25. Juli 1989 an den Vertreter zusammen und betrifft die Begründung. Aus der Akte der Eingangsstelle geht hervor, daß sich in einem Entwurf für eine Entscheidung eine Begründung befindet; die endgültige Entscheidung hingegen enthält keine Begründung. Sie fehlt auch auf der der Begründung des Vertreters angehefteten Kopie. Trotz dieses Sachverhalts braucht nicht ermittelt zu werden, ob die Entscheidung der Eingangsstelle ungültig ist, weil dem Vertreter keine Begründung übermittelt worden ist. Die Kammer ist nämlich der Auffassung, daß die Entscheidung aus einem anderen entscheidenden Grund aufgehoben werden muß.
3. Daß der Vertreter die Berichtigung nach Erhalt der Mitteilung nach Regel 43 (2) EPÜ beantragt hat, ist ohne Bedeutung. In dieser Mitteilung hat die Eingangsstelle selbst den Anmelder auf die Regel 88 EPÜ hingewiesen und ihm somit zu verstehen gegeben, daß er einen Antrag nach dieser Regel noch stellen könne. Die Kammer hat bereits in ihrer Entscheidung J 04/85 (ABl. EPA 1986, 209) festgestellt, daß ein Aufschub bei der Anwendung der Regel 43 EPÜ den normalen Ablauf der bei der Prüfung von europäischen Patentanmeldungen vorgesehenen Verfahrensschritte nicht verzögert, die - wie die Veröffentlichung der Anmeldung (Art. 93 EPÜ) - zu einem bestimmten, ab dem Anmelde- oder Prioritätstag berechneten Zeitpunkt vorgenommen werden müssen; solange nämlich keine Entscheidung nach Regel 43 ergangen ist, ist nur der ursprüngliche Anmelde- oder Prioritätstag zu berücksichtigen.
4. Die Kammer kann sich der Auffassung der Eingangsstelle, sie sei für Entscheidungen über Berichtigungsanträge nach Regel 88 EPÜ nicht zuständig, nicht anschließen. Wurden die in Artikel 78 (1) d) genannten Zeichnungen am Anmeldetag nicht oder nicht vollständig eingereicht, so bietet das Übereinkommen neben der Mitteilung nach Regel 43 EPÜ in Artikel 91 (1) g), (2) EPÜ die Möglichkeit, Maßnahmen zur Beseitung dieses Mangels zu ergreifen. In Übereinstimmung damit wird in der Ausführungsordnung in Regel 88 Satz 2 näher erläutert, unter welchen Bedingungen ein solcher Berichtigungsantrag, der die Zeichnungen betrifft, zulässig ist. Hinsichtlich der Zuständigkeit der Eingangsstelle in dieser Frage heißt es in den Richtlinien, daß über einen Antrag nach Regel 88 EPÜ von der Eingangsstelle entschieden wird, sofern er keine technische Prüfung erfordert (A-III, 10, Absatz 2). Dieser Wortlaut entspricht dem von der Kammer in ihrer vorstehend genannten Entscheidung aufgestellten Grundsatz. Gehört die Prüfung eines Berichtigungsantrags nach Regel 88 EPÜ zu den der Eingangsstelle nach den Artikeln 16, 90 und 91 EPÜ übertragenen Aufgaben, so darf daraus gefolgert werden, daß sie auch die Entscheidung darüber trifft.
5. Die Änderung der Richtlinien (A-V, 2.2, Fassung vom September 1989), auf die die Eingangsstelle ihre Entscheidung gestützt hat, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Zunächst ist festzustellen, daß sich die Zuständigkeit der Eingangsstelle - wie dies die Kammer in ihrer bereits angeführten Entscheidung festgestellt hat - aus dem Übereinkommen, und zwar aus den Artikeln 16, 90 und 91, ergibt, und das Übereinkommen kann durch die Richtlinien nicht geändert werden. Zudem wird in den Richtlinien den unterschiedlichen Zuständigkeiten durchaus Rechnung getragen. Ihre Neufassung berührt den Grundsatz nicht, daß die Eingangsstelle für die Entscheidung über einen Berichtigungsantrag nach Regel 88 EPÜ zuständig bleibt, wenn er keine technische Prüfung erfordert (A-III, 10, Absatz 2). Die betreffende Änderung ist daher wie folgt auszulegen: Ist in der Beschreibung, in den Patentansprüchen oder in den Zeichnungen ein Fehler enthalten, der eine technische Prüfung erfordert, so ist die Eingangsstelle nicht mehr zuständig; sie hat die Akte an die Prüfungsabteilung weiterzuleiten, die über den Berichtigungsantrag entscheidet.
6. Unrichtigkeiten im Sinn der Regel 88 EPÜ können auch in Auslassungen bestehen, wie dies die Kammer in den Beschwerdesachen J 08/80 und J 19/80 (ABl. EPA 1980, 293 und 1981, 67) entschieden hat. Im vorliegenden Fall wurde in der eingereichten Beschreibung ausdrücklich auf die Abbildungen 8 bis 10 (Seiten 3, 6 und 7) Bezug genommen. Da zwei Blätter mit Zeichnungen, den Abbildungen 1 bis 7, aber keine Blätter mit den in der Beschreibung erwähnten Abbildungen 8 bis 10 eingereicht worden sind, mußte ein Irrtum vorliegen. Dies wird auch durch die Abschrift der Prioritätsunterlage bestätigt, deren drittes Zeichnungsblatt die fehlenden Abbildungen enthält.
7. Aufgrund des unter Nummer 6 festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Regel 88 Satz 2 EPÜ gegeben. Der Fehler, im vorliegenden Fall die Auslassung bestimmter Zeichnungen, war leicht festzustellen und erforderte keine technische Prüfung. Die Eingangsstelle war infolgedessen hierfür zuständig und hätte dem Berichtigungsantrag stattgeben müssen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 25. Juli 1989 wird aufgehoben.
2. Es wird angeordnet, daß die europäische Patentanmeldung Nr. 88 403 355.6 in der Weise berichtigt wird, daß den eingereichten Zeichnungen das Zeichnungsblatt 3/3 mit der Bezeichnung "FIG. 8, FIG. 9, FIG. 10" beigefügt wird.