J 0029/86 (Gebührenpflichtige Ansprüche) of 12.6.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:J002986.19870612
Datum der Entscheidung: 12 Juni 1987
Aktenzeichen: J 0029/86
Anmeldenummer: 81301196.2
IPC-Klasse: F01N 3/04
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Paccar
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: 1. Wird die Richtigkeit einer Feststellung eines Rechtsverlusts nach Regel 69(1) EPÜ bestritten, so ist das EPA verpflichtet, innerhalb einer dem Gegenstand der Mitteilung angemessenen Frist darauf zu antworten.
2. Nach Regel 69(2) EPÜ hat der Betroffene einen Rechtsanspruch auf die von ihm beantragte Entscheidung; ergeht sie nicht, liegt unter den gegebenen Umständen ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 R 31
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 69
Schlagwörter: Anspruchsgebühren nicht rechtzeitig entrichtet
Kein Wegfall des Zahlungshindernisses bei falscher Mitteilung eines Rechtsverlusts
Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben
Nichterlass der Entscheidung nach R 69(2) EPÜ
Verfahrensmangel(wesentlicher)/ja
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Beschwerdegebühr/Rückzahlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0043/92
J 0011/03
T 0612/90
T 0949/94
T 0024/04
T 0170/04
T 0178/23

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung wurde mit 13 Patentansprüchen eingereicht, die zusätzlichen Gebühren für die gebührenpflichtigen Ansprüche 11 bis 13 wurden ordnungsgemäß entrichtet. Im Laufe der Prüfung der Anmeldung kamen weitere vier Ansprüche hinzu. Am 12. Februar 1985 erging fristgerecht eine Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU an die Beschwerdeführerin mit der Aufforderung, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zustellung der Mitteilung, d. h. bis zum 22. Mai 1985, die Erteilungs- und die Druckkostengebühr sowie die Anspruchsgebühren für die weiteren Ansprüche 14 bis 17 zu entrichten und die Ubersetzungen der Patentansprüche einzureichen. Die Mitteilung enthielt u. a. den Hinweis, daß die betreffenden Ansprüche als fallengelassen gälten, falls diese Anspruchsgebühren nicht fristgerecht entrichtet würden. Die Erteilungs- und die Druckkostengebühr wurden rechtzeitig entrichtet und die Ubersetzungen der Ansprüche 1 bis 17 fristgerecht eingereicht. Die Gebühren für die weiteren Ansprüche wurden nicht fristgerecht entrichtet. Mit Schreiben vom 11. Juni 1985 beantragte die Beschwerdeführerin die Berichtigung einiger geringfügiger Schreibfehler. Eine Mitteilung nach Regel 69 (1) EPU vom 26. Juni 1985 unterrichtete die Beschwerdeführerin darüber, daß die Ansprüche 11 bis 17 nach Regel 31 (3) EPU als fallengelassen gälten. Mit Schreiben vom 2. Juli 1985, das am 4. Juli einging, wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die Gebühren für die Ansprüche 11 bis 13 bereits bei der Einreichung der Anmeldung entrichtet worden seien; außerdem entrichtete sie die Anspruchsgebühren für die weiteren Ansprüche 14 bis 17. In diesem und einem weiteren (am 16. Juli 1985 eingegangenen) Schreiben vom 12. Juli 1985 führte die Beschwerdeführerin u. a. an, sie habe ihr Einverständnis mit der Fassung nicht mitgeteilt, da die Anspruchsgebühren für die Ansprüche 14 bis 17 erst verspätet entrichtet worden seien und daher entsprechend den "Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt", Teil C, Kapitel VI, Absatz 15.4.4 eine weitere Mitteilung nach Regel 51 (4) beantragt werde. Am 10. Oktober 1985 erging ein Bescheid, der unter Bezugnahme auf Absatz 15.4.1 der "Richtlinien" feststellte, daß eine neue Mitteilung nach Regel 51 (4) nicht ergehen könne. Außerdem wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, für die Ansprüche 14 bis 17 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.

II. Die Beschwerdeführerin brachte folgende Anträge und Eingaben ein:

a) Mit Schreiben vom 2. und vom 12. Juli 1985 erklärte die Beschwerdeführerin, ihr Einverständnis mit der Fassung der Anmeldung habe nicht vorgelegen, und beantragte, daß entsprechend der einschlägigen Praxis des EPA eine weitere Mitteilung nach Regel 51 (4) ergehen solle.

b) Mit Schreiben vom 28. Oktober 1985 (eingegangen am 31. Oktober 1985) beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 EPU. Mit diesem Schreiben wurde eine schriftliche Begründung nach Artikel 122 (3) EPU eingereicht; gleichzeitig wurde die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet.

c) In einem zweiten Schreiben vom 28. Oktober 1985 erklärte die Beschwerdeführerin, die Nichtzahlung der Anspruchsgebühren beruhe auf einer Unrichtigkeit oder einem Schreibfehler, und beantragte eine Berichtigung nach Regel 88 EPU.

d) Mit Schreiben vom 2. Juli 1985 und vom 28. Oktober 1985 beantragte die Beschwerdeführerin eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU und erinnerte mit Schreiben vom 19. Dezember 1985 an diesen Antrag.

e) Mit Schreiben vom 4. November 1985 brachte die Beschwerdeführerin vor, daß die Mitteilung vom 26. Juni 1985 in Ansehung des Wortlauts der Regel 31 (2) EPU als Aufforderung zur Behebung eines Mangels und nicht als Feststellung eines Rechtsverlusts zu betrachten sei.

III. Im wesentlichen wurden zur Stützung der unter II dargelegten Anträge (unter anderem) folgende Argumente vorgebracht:

a)i) In der Mitteilung vom 26. Juni 1985 werde fälschlicherweise festgestellt, daß die Anspruchsgebühren für die Ansprüche 11 bis 13 nicht entrichtet worden seien. Auf seinen entsprechenden Hinweis habe der Vertreter der Beschwerdeführerin eine neue (berichtigte) Mitteilung erwartet. In diesem Stadium sei nicht erkannt worden, daß zwangsläufig ein Rechtsverlust eingetreten war. Die Mitteilung vom10. Oktober 1985 sei als erstmalige Feststellung eines Rechtsverlusts zu betrachten. Das Hindernis für die fristgerechte Entrichtung der Gebühren für die weiteren Ansprüche innerhalb der in der Mitteilung vom 12. Februar 1985 nach Regel 51 (4) EPU gesetzten Frist sei daher erst mit Eingang der Mitteilung vom 10. Oktober 1985 weggefallen.

ii) Die Versäumung der zur Entrichtung der Gebühren für die weiteren Ansprüche gesetzten Frist gehe auf ein in der Kanzlei des Vertreters unterlaufenes Versehen zurück. Ein erfahrener Sachbearbeiter sei mit der Beantwortung der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU unter der Aufsicht des mit der Sache befaßten Vertreters beauftragt worden und habe eine Sekretärin ordnungsgemäß angewiesen, ein Schreiben und ein Formblatt über die Gebührenzahlung vorzubereiten, dabei aber nicht auf die Gebühren für die weiteren Ansprüche 14 bis 17 hingewiesen. Die Sekretärin habe die erforderlichen Unterlagen weisungsgemäß vorbereitet. Normalerweise würden solche Unterlagen vom Sachbearbeiter kontrolliert. In Abwesenheit des Sachbearbeiters würden die Unterlagen in eiligen Fällen lediglich vom Vertreter überprüft, dem dann aber mitgeteilt werde, daß der Sachbearbeiter sie nicht kontrolliert habe. Im vorliegenden Fall habe die Sekretärin nach der Fertigstellung der Unterlagen festgestellt, daß der Sachbearbeiter den ganzen Tag abwesend sein werde; angesichts der Dringlichkeit habe sie die Unterlagen daher dem Vertreter zur Uberprüfung vorgelegt. Unglücklicherweise habe sie ihn nicht darauf hingewiesen, daß der Sachbearbeiter die Unterlagen nicht geprüft habe. Davon sei der Vertreter jedoch ausgegangen. Das Formblatt über die Gebührenzahlung sei nicht berichtigt worden, so daß der anhand dieses Formblatts ausgestellte und dem EPA übersandte Scheck ebenfalls insofern fehlerhaft gewesen sei, als die Gebühren für die weiteren Ansprüche 14 bis 17 nicht entrichtet wurden. Unter den gegebenen Umständen sei alle gebotene Sorgfalt beachtet worden.

b) Die Entrichtung der Gebühren für die Ansprüche 14 bis 17 sei ein Formerfordernis nach Regel 51 (4) EPU. Die verspätete Entrichtung solcher Anspruchsgebühren bedeute, daß ein stillschweigendes Einverständnis mit der Fassung nicht vorgelegen habe; in Ubereinstimmung mit der in den Richtlinien EPA C-VI, 15.4.4 dargelegten Praxis des EPA solle die Mitteilung vom 12. Februar 1985 als nicht erfolgt gelten und eine weitere Mitteilung nach Regel 51 (4) ergehen.

IV. In einer Mitteilung vom 5. Februar 1986 wurde u. a. erklärt, daß der Rechtsverlust hinsichtlich der Ansprüche 14 bis 17 nur durch einen Antrag nach Artikel 122 EPU geheilt werden könne, dieser Antrag nach Artikel 122 EPU jedoch im vorliegenden Falle am 31. Oktober 1985, also offensichtlich mehr als zwei Monate nach Wegfall des Hindernisses (Artikel 122 (2) EPU), eingereicht worden sei, da die Anspruchsgebühren nämlich am 4. Juli 1985 entrichtet worden seien. In ihrer Erwiderung vom 4. April 1986 wies die Beschwerdeführerin u. a. darauf hin, daß sie in der Mitteilung vom 10. Oktober 1985 ausdrücklich aufgefordert worden sei, einen Antrag nach Artikel 122 (2) EPU einzureichen; eine solche Aufforderung wäre nicht sinnvoll gewesen, wenn die Frist von zwei Monaten nach Artikel 122 (2) EPU damals bereits abgelaufen gewesen wäre.

V. Am 15. Juli 1986 erging eine Entscheidung der Formalprüfungsstelle der Prüfungsabteilung. Auf der ersten Seite wird erklärt, daß der Antrag auf Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU zurückgewiesen wird. Auf der letzten Seite wird entschieden, daß die Ansprüche 14 bis 17 als fallengelassen gelten, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Anträge auf Ergehen einer neuen Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU und auf Berichtigung des Mangels nach Regel 88 EPU zurückgewiesen werden.

VI. Am 15. September 1986 legte die Beschwerdeführerin unter Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein und reichte am selben Tag eine Beschwerdebegründung ein, in der vorgetragen wurde, daß die Beschwerdeführerin in bezug auf die Ansprüche 14 bis 17 im wesentlichen aus den bereits früher vorgebrachten Gründen wieder in ihre Rechte eingesetzt werden solle.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPU; sie ist somit zulässig. Antrag nach Artikel 122 EPU

2. Zunächst ist die Frage zu beantworten, ob der Antrag nach Artikel 122 EPU fristgerecht eingereicht worden ist. In Artikel 122 (2) EPU heißt es: "Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen." Die maßgebende Frist wurde in der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU vom 12. Februar 1985 bestimmt; diese Frist war am 22. Mai 1985 abgelaufen, und zu diesem Zeitpunkt waren die Anspruchsgebühren für die zusätzlichen Ansprüche 14 bis 17, wie bereits festgestellt, nicht entrichtet. Warum die Gebühren nicht innerhalb dieser Frist entrichtet wurden, ist in der Beschwerdebegründung ausführlich dargelegt; aus (Nummer 13) dieser Begründung geht auch eindeutig hervor, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin erst bei der Prüfung der Akte kurz nach Erhalt der Mitteilung vom 26. Juni 1985 darauf aufmerksam wurde, daß die Anspruchsgebühren für die Ansprüche 14 bis 17 nicht entrichtet worden waren. Daher entrichtete er diese Gebühren am 4. Juli 1985. In ihrer Entscheidung vom 15. Juli 1986 vertrat die Formalprüfungsstelle der Prüfungsabteilung die Auffassung, daß das "Hindernis" spätestens dann weggefallen war, als "die versäumte Handlung nachgeholt war", d. h. am 4. Juli 1985; zu diesem Zeitpunkt müsse er die Mitteilung vom 26. Juni 1985 erhalten haben. Daher erachte sie den am 31. Oktober 1985 eingegangenen Antrag nach Artikel 122 EPU als nicht innerhalb der in Artikel 122 (2) EPU vorgesehenen Frist von zwei Monaten eingereicht; er sei somit von vornherein zurückzuweisen. In der Entscheidung wird auf einen Artikel von R. Singer, "Re-establishment of rights in the EPO", IIC Volume 13, 1982, Seite 269, und insbesondere auf Seite 280, Ziffer 4 verwiesen, wo es heißt:

"Der Antrag ist innerhalb einer Frist von 2 Monaten zu stellen, die mit dem Wegfall des Hindernisses zu laufen beginnt. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem - bei der ... gebotenen Sorgfalt - der Betroffene nicht mehr an der Vornahme der Handlung gehindert ist. In aller Regel dürfte der späteste Zeitpunkt des Beginns der 2-Monatsfrist der Tag sein, an dem der Betroffene die Mitteilung des EPA über den eingetretenen Rechtsverlust nach Regel 69 (1) erhält. (...)". (Ubersetzung zitiert aus GRUR Int. 1981, Heft 12, Seite 726).

Nach Auffassung der Kammer ist die angeführte Textstelle in der Regel bei der Bestimmung des Zeitpunkts heranzuziehen, zu dem ein Hindernis weggefallen ist. Der vorliegende Fall stellt jedoch aus den unten angeführten Gründen eine Ausnahme dar.

3. In den meisten Fällen steht das "Hindernis" im Zusammenhang mit einem Fehler bei der Ausführung der Absicht des Beteiligten, die Frist einzuhalten. Der Beteiligte weiß so lange nicht, daß ein Fehler unterlaufen und die Frist nicht eingehalten worden ist, bis er - in der Regel zum ersten Mal durch eine Mitteilung des EPA - darauf aufmerksam wird. In solchen Fällen fällt das "Hindernis" - wie in dem angeführten Artikel Singers dargelegt ist - (spätestens) mit dem Erhalt der Mitteilung weg. Im vorliegenden Fall gelangte die Kammer jedoch nach sorgfältiger Prüfung aller relevanten Sachverhalte und Umstände zu der Uberzeugung, daß das "Hindernis" ausnahmsweise nicht zu dem Zeitpunkt weggefallen ist, zu dem die versäumte Handlung (Entrichtung der Gebühren für die zusätzlichen Ansprüche) nachgeholt wurde.

4. Die Kammer nahm insbesondere die folgenden Tatsachen zur Kenntnis:

1) Trotz des Hinweises in der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU vom 12. Februar 1985, die Ansprüche 14 bis 17 nach Regel 31 (3) EPU gälten als fallengelassen, falls die entsprechenden Anspruchsgebühren nicht fristgerecht entrichtet würden, enthielten die ursprünglichen Anweisungen, die der Sachbearbeiter der Sekretärin zu dieser Mitteilung erteilt hatte, keinen Hinweis auf die Gebühren für die zusätzlichen Ansprüche 14 bis 17. Der Grund dafür war ein bei der Bearbeitung unterlaufenes Versehen (vgl. Begründung der Beschwerdeführerin nach Art. 122 (2) EPU, Nummer 6).

2) Die Mitteilung nach Regel 69 (1) EPU vom 26. Juni 1985 war nur teilweise richtig (vgl. Nummer I). Der Vertreter erwartete, daß auf sein Schreiben, in dem er auf diese Tatsache hingewiesen hatte, eine neue, berichtigte Mitteilung ergehen werde; in diesem Stadium (d. h. am und nach dem 2. Juli 1985) war ihm nicht bewußt, daß ein Rechtsverlust zwangsläufig eingetreten war (vgl. Begründung nach Art. 122 (2) EPU, Seite 13). Bis zum Erhalt der Mitteilung vom 10. Oktober 1985 ging bei dem Vertreter jedoch keinerlei Erwiderung des EPA auf sein Schreiben vom 25. Juli 1985 ein.

3) In diesem Stadium war dem Vertreter auch nicht bekannt, daß das EPA (gemäß der damaligen Praxis) der Auffassung war, das Einverständnis zu der Fassung der Patentanmeldung liege vor. Daher machte er das EPA mit Schreiben vom 11. Juni 1985 darauf aufmerksam, daß diese Fassung Schreibfehler enthalte. Mit Schreiben vom 2. und vom 12. Juli 1985 wies er unter Bezugnahme auf die Richtlinien C-V, 15.4.4 darauf hin, daß die Anmelder weder explizit noch implizit ihr Einverständnis mit der Fassung erklärt hatten (vgl. Begründung nach Art. 122 (2) EPU, Nummern 13 und 14).

4) Obwohl der Vertreter auf die Mitteilung nach Regel 69 (1) EPU vom 26. Juni 1985 dreimal ausdrücklich eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU beantragte, erging eine solche Entscheidung nicht.

5) Die Mitteilung vom 10. Oktober 1985 enthielt die ausdrückliche Aufforderung, einen Antrag nach Artikel 122 EPU zu stellen; dies ließ somit implizit den Schluß zu, das EPA halte einen solchen Antrag zu diesem Zeitpunkt für noch fristgerecht. Auch wenn dem Vertreter und seinem Sachbearbeiter vor dem 2. Juli 1985 bekannt war, daß die Gebühren für die zusätzlichen Ansprüche rechtzeitig zu entrichten waren, so bestanden nach diesem Zeitpunkt in Anbetracht der Sachlage ganz offenbar Unklarheiten, was die genaue rechtliche und die Verfahrenssituation und insbesondere die folgenden Aspekte angeht:

a) die Folgen der versäumten Entrichtung der Anspruchsgebühren im Hinblick auf den möglichen Anspruch auf eine weitere Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU;

b) die Wirkung der unrichtigen Mitteilung vom 26. Juni 1985. Hinsichtlich des Buchstabens a ist von einiger Bedeutung, daß die damalige Praxis des EPA im Hinblick auf Mitteilungen nach Regel 51 (4) EPU inzwischen von der Juristischen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung in der Sache J 22/86 "Nichteinverständnis/MEDICAL BIOLOGICAL" vom 7. Februar 1987 beanstandet worden ist. Es ist möglich, daß die fehlerhafte Praxis des EPA in gewissem Maße zu den Unklarheiten auf seiten der Beschwerdeführerin beigetragen hat. Zu Buchstabe b ist folgendes festzustellen: Wird eine Mitteilung des EPA nach Regel 69 (1) EPU, in der ein Rechtsverlust festgestellt wird, von einem Verfahrensbeteiligten als unzutreffend angefochten, so ist es nach den allgemeinen Grundsätzen Aufgabe des EPA, gegenüber dem Verfahrensbeteiligten hierzu innerhalb eines dem Gegenstand der Mitteilung angemessenen Zeitraums Stellung zu nehmen. Im vorliegenden Falle ging, obwohl mit Schreiben vom 2. Juli 1985 die Richtigkeit der Mitteilung vom 26. Juni 1985 angefochten und in Verbindung damit ein Antrag auf eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU gestellt worden war, bis zum 10. Oktober 1985 keinerlei Erwiderung auf die Anfechtung ein. Da sich die Anfechtung des Vertreters lediglich darauf bezog, daß die Gebühren für die weiteren Ansprüche 11 bis 13 bereits entrichtet worden waren, hatte er zu Recht mit einer Erwiderung des EPA innerhalb eines angemessen kurzen Zeitraums und mit Sicherheit innerhalb von zwei Monaten ab dem Eingang des Schreibens vom 25. Juli 1985 rechnen können. In einer solchen Erwiderung hätte bestätigt werden müssen, daß die Mitteilung vom 26. Juni 1985 teilweise unrichtig war; ferner hätte klargestellt werden müssen, welche Anspruchsgebühren nicht fristgerecht entrichtet worden waren, und es hätte darauf hingewiesen werden müssen, daß die Ansprüche 14 bis 17 als fallengelassen galten und nach Artikel 122 EPU ein Rechtsbehelf zu Gebote stand. Eine solche Erwiderung, möglicherweise in Form einer Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU, hätte die aus der unrichtigen Mitteilung vom 26. Juni 1985 resultierenden Unklarheiten beseitigt und keinen Zweifel daran gelassen, daß fristgerecht ein Antrag nach Artikel 122 EPU einzureichen war. Die Tatsache, daß seitens des EPA bis zum 10. Oktober 1985 keine Antwort einging, hat wohl zumindest dazu beigetragen, daß der Vertreter den hinsichtlich der Ansprüche 14 bis 17 eingetretenen Rechtsverlust nicht erkannt hat.

5. Der Tatbestand des "Hindernisses" lt. Artikel 122 EPU ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles festzustellen. Im vorliegenden Fall bestand das eigentliche "Hindernis" nicht nur darin, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin nicht erkannte, daß die Anspruchsgebühren entgegen seiner Absicht de facto nicht entrichtet worden waren; vielmehr bestand es darin, daß er nicht erkannte, daß die zusätzlichen Anspruchsgebühren nicht entrichtet worden waren und zugleich von Rechts wegen bereits ein Rechtsverlust eingetreten war. Anders ausgedrückt war es dem Vertreter nach den vorliegenden Beweismitteln sowohl im Zeitraum zwischen dem Eingang der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU vom 12. Februar 1985 und dem 4. Juli 1985 (an dem die Gebühren entrichtet wurden) als auch in der Zeit bis zum Eingang der Mitteilung vom 10. Oktober 1985 nicht voll bewußt, daß ein Versäumnis vorgelegen hatte, das zu einem Rechtsverlust führen würde. Daß der Vertreter die versäumte Handlung nach Ablauf der Frist am 22. Mai 1985 durch die Entrichtung der Anspruchsgebühren am 4. Juli 1985 nachholte, bedeutet nicht, daß er zu diesem Zeitpunkt um den infolge dieser versäumten Handlung zwangsläufig eingetretenen Rechtsverlust wußte. Wenn ein Antrag nach Artikel 122 EPU in Frage kommt, wird von einem zugelassenen Vertreter in der Regel erwartet, daß ihm bekannt ist, unter welchen Umständen ein Rechtsverlust wegen Nichterfüllung der Erfordernisse des EPU eintritt, und daß er innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Mitteilung über den Rechtsverlust nach Regel 69 (1) EPU einen Antrag nach Artikel 122 EPU stellt.

6. Aus den oben angeführten Gründen ist die Kammer der Auffassung, daß das "Hindernis" erst zum Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung vom 10. Oktober 1985 weggefallen ist; folglich war bei dem Antrag nach Artikel 122 EPU vom 28. Oktober 1985 die in Artikel 122 (2) EPU vorgesehene Frist von zwei Monaten gewahrt. Die übrigen Formerfordernisse des Artikels 122 (2) und (3) EPU waren ebenfalls erfüllt, so daß der Antrag nach Artikel 122 EPU zulässig ist.

7. Hinsichtlich des sachlichen Erfordernisses der "Beachtung aller gebotenen Sorgfalt" nach Artikel 122 (1) EPU hat die in der Begründung nach Artikel 122 (2) EPU enthaltene eingehende Schilderung der in der Kanzlei des Vertreters üblichen Praxis, nach der auch bei der Beantwortung der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU zu verfahren gewesen wäre, die Kammer hinreichend davon überzeugt, daß die gebotene Sorgfalt bei diesem System normalerweise alle gebotene Sorgfalt beachtet wird. Außerdem geht aus der Begründung auch deutlich hervor, daß die Verantwortung für die nicht fristgerechte Entrichtung der Anspruchsgebühren vom Vertreter selbst, seinem Sachbearbeiter und ihrer Sekretärin gemeinsam zu tragen ist. In ihrer Entscheidung J 02/86 und J 03/86, "Einmaliges Versehen/MOTOROLA" vom 21. Oktober 1986 stellte die Juristische Beschwerdekammer fest: "Artikel 122 EPU soll sicherstellen, daß ein einmaliges Versehen innerhalb eines ansonsten gut funktionierenden Systems nicht schon allein zu einem Rechtsverlust führt". Im vorliegenden Falle stand die nicht fristgerechte Entrichtung der Anspruchsgebühren im Widerspruch zur Absicht der Anmelderin, in deren Namen der Vertreter und seine Mitarbeiter handelten. Dieses Versäumnis ist eindeutig auf mangelnde Kommunikation zwischen dem Vertreter, seinem Sachbearbeiter und ihrer Sekretärin zurückzuführen, und eine eingehendere Untersuchung durch die Kammer erübrigt sich. Es lag ein einmaliger Fehler in einem ansonsten gut funktionierenden System vor. Nach Auffassung der Kammer war die Beschwerdeführerin bei der besonderen Sachlage des vorliegenden Falls trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage, die in der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU vom 12. Februar 1985 gesetzte Frist für die Entrichtung der Anspruchsgebühren einzuhalten. Die Beschwerdeführerin wird somit wieder in ihre Rechte hinsichtlich der Ansprüche 14 bis 17 ihrer Anmeldung eingesetzt. Weitere Anträge

8. Angesichts dessen erübrigt sich eine eingehendere Erörterung der weiteren Anträge der Beschwerdeführerin durch die Kammer. Die Stellungnahme der Kammer zu diesen weiteren, unter Nummer II dargelegten Anträgen beschränkt sich auf folgendes:

a) Antrag auf eine weitere Mitteilung nach Regel 51 (4) EPU: In Anbetracht der Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer in der Sache J 22/86 "Nichteinverständnis/MEDICAL BIOLOGICAL" vom 7. Februar 1987 stünde eine solche weitere Mitteilung im Widerspruch zu Regel 51 EPU (vgl. Nr. 6 dieser Entscheidung). Nach Auffassung der Kammer ging die Formalprüfungsstelle der Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung zu Recht davon aus, daß die Anmelderin durch die Entrichtung der Erteilungsgebühr und der Druckkostengebühr und durch die Einreichung der Ubersetzungen der Ansprüche ihr Einverständnis mit der Fassung erklärt hat. So heißt es in Regel 31 (3) EPU ausdrücklich: "Wird die Anspruchsgebühr für einen Patentanspruch nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt dies als Verzicht auf diesen Patentanspruch."

b) Antrag nach Regel 88 EPU: Die versäumte Entrichtung der Anspruchsgebühren konnte nicht nach Regel 88 EPU nachgeholt werden - vgl. insbesondere die Entscheidung in der Sache T 152/85 "Nichtentrichtung der Einspruchsgebühr/SANDVIK".

c) Antrag auf Anerkennung der Mitteilung als Feststellung eines Mangels: Nach Auffassung der Kammer wurde dieser Antrag mit der Entscheidung in der ersten Instanz zu Recht zurück gewiesen.

d) Antrag auf eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU: Nach Auffassung der Kammer war die Verfahrensweise der Formalprüfungsstelle der Prüfungsabteilung hinsichtlich des (erstmals mit Schreiben vom 2. Juli 1985 gestellten) Antrags auf eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU nicht richtig. Im vorliegenden Fall machte die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 2. Juli 1985 deutlich, daß die Mitteilung nach Regel 69 (1) EPU hinsichtlich der Ansprüche 11 bis 13 ihrer Ansicht nach unzutreffend sei. Nach Regel 69 (2) EPU hatte die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine (innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums zu treffende) Entscheidung darüber, welche zusätzlichen Anspruchsgebühren entrichtet worden waren und welche nicht. Die Erklärung auf der ersten Seite der Entscheidung vom 15. Juli 1986, wonach der Antrag auf eine solche Entscheidung zurückgewiesen wird, steht nach Auffassung der Kammer im Widerspruch zu Regel 69 (2) EPU und ist daher falsch.

Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr

9. Im Hinblick auf die Nummern 2 bis 7 erachtet die Kammer die vorliegende Beschwerde als zulässig. Daher hat die Kammer über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu befinden. In der Beschwerdebegründung werden unter Nummer 31 zur Stützung dieses Antrags Gründe angeführt, die die Kammer in Anbetracht ihrer unter Nummer 8 a) und c) dargelegten Auffassung nicht akzeptieren kann. In Anbetracht der Stellungnahme der Kammer unter Nummer 8 d) stellte das Nichtergehen einer Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU nach Auffassung der Kammer jedoch einen Verfahrensmangel dar. Wäre zudem auf den Antrag vom 2. Juli 1985 hin eine Entscheidung ergangen mit der Feststellung, daß die Anspruchsgebühren für die weiteren Ansprüche 14 bis 17 nicht fristgerecht entrichtet wurden und hinsichtlich dieser Ansprüche nach Regel 31 (3) EPU automatisch ein Rechtsverlust eingetreten war, wäre die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß über ihren Rechtsverlust unterrichtet gewesen und hätte einen Antrag nach Artikel 122 stellen können. Nach Auffassung der Kammer war der Nichterlaß einer Entscheidung ein wesentlicher Verfahrensmangel. Da in der nachstehend bezeichneten Entscheidung als einziger Grund für die Zurückweisung des Antrags nach Artikel 122 EPU dessen verspätete Einreichung genannt ist, und da vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, daß der Anmelder auf eine ordnungsgemäß ergangene Entscheidung nach Regel 69 (2) EPU seinen Antrag nach Artikel 122 EPU eingereicht hätte, ist es nach Auffassung der Kammer billig, im vorliegenden Fall die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Beschwerde wird stattgegeben.

2. Die Entscheidung der Formalprüfungsstelle der Prüfungsabteilung vom 15. Juli 1986 wird aufgehoben.

3. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 EPU wird stattgegeben; die Beschwerdeführerin wird wieder in ihre Rechte hinsichtlich der Ansprüche 14 bis 17 der europäischen Patentanmeldung Nr. 81 301 196.2 eingesetzt.

4. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

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