European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1986:J002586.19861114 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 November 1986 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0025/86 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85306779.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B25B 7/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Warheit | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | Die Forderung in Artikel 80(c) EPÜ nach "Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen", gilt als erfüllt, wenn die Identität des Anmelders unter Zuhilfenahme sämtlicher Angaben in den von ihm oder seinem gesetzlichen Vertreter eingereichten Unterlagen zweifelsfrei festgestellt werden kann. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Anmeldetag Identität des Anmelders Mangelhafte Angaben zum Namen des Anmelders Name des Anmelders/mangelhafte Angaben hierzu |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 85 306 779.1 wurde am 24. September 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Voranmeldung Nr. 06/687 594 vom 26. September 1984 eingereicht. Im Erteilungsantrag war als Name des Anmelders Walter A. Warheit angegeben; weitere Angaben wie z. B. seine Heimatanschrift, seine Staatsangehörigkeit und sein Wohnsitzland fehlten. Unter der Rubrik Zustellanschrift war auf dem Formblatt jedoch die Geschäftsanschrift seines gesetzlichen Vertreters in London angegeben. Zusammen mit der Anmeldung wurde auch eine von einem William A. Warheit unterzeichnete Vollmacht eingereicht. Dieser Name stand auch in Maschinenschrift auf dem Vollmachtformular.
II. Am 22. Oktober 1985 teilte die Eingangsstelle dem Vertreter des Anmelders gemäß Regel 39 EPÜ mit, daß die Anmeldung den Erfordernissen des Artikels 80 EPÜ für die Zuerkennung eines Anmeldetages nicht genüge, da sie keine Angaben enthalte, die es erlaubten, die Identität des Anmelders festzustellen. Sie verlangte die Behebung dieses Mangels innerhalb eines Monats. Ferner wies sie darauf hin, daß die Angaben über den Anmelder im Erteilungsantrag von denen in der Vollmacht abwichen.
III. Mit Schreiben vom 11. November 1985 teilte der Vertreter des Anmelders auf diese Mitteilung hin dessen Heimatanschrift in den Vereinigten Staaten mit und gab seinen Namen mit William A. Warheit an. Er erklärte dazu, daß der Vorname im Erteilungsantrag durch das Versehen einer Bürokraft falsch angegeben worden sei.
IV. Mit Schreiben vom 21. November 1985 teilte die Eingangsstelle dem Vertreter des Anmelders nach Regel 39 EPÜ mit, daß der Anmeldung der 13. November 1985, das Eingangsdatum des Schreibens des Vertreters vom 11. November 1985, als Anmeldetag zuerkannt worden sei.
V. In einem weiteren Schreiben vom 29. November 1985 teilte die Eingangsstelle dem Vertreter des Anmelders nach Regel 41 (3) EPÜ mit, daß der Prioritätstag mehr als ein Jahr vor dem Anmeldetag liege; für die Anmeldung könne daher ein Prioritätsrecht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn innerhalb eines Monats ein berichtigtes Prioritätsdatum angegeben werde, das innerhalb des dem Anmeldetag vorausgehenden Jahres liege.
VI. Mit Schreiben vom 26. November 1985, das am 28. November 1985 beim Amt einging, erwiderte der Vertreter auf das unter IV genannte Schreiben, er sei nicht damit einverstanden, daß der Anmeldung der 13. November 1985 als Anmeldetag zuerkannt werde. Er beantragte statt dessen die Zuerkennung des ursprünglichen Anmeldetags, des 24. Septembers 1985.
VII. (...)
VIII. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1985 erklärte der Vertreter, die Nummer der prioritätsbegründenden Anmeldung sei falsch angegeben worden, sie müsse richtig 06/654 405 lauten. Am 30. Dezember 1985 reichte der Vertreter die Prioritätsunterlage, eine beglaubigte Kopie der US-Anmeldung Nr. 06/654 405, ein, aus der hervorging, daß Herr William A. Warheit der Anmelder sei.
IX. Die Eingangsstelle entschied am 7. April 1986 wie folgt:
a) Der Antrag des Anmelders vom 26. November 1985, der Anmeldung den 24. September 1985 als Anmeldetag zuzuerkennen, werde zurückgewiesen.
b) Anmeldetag sei der 13. November 1985.
c) Für die Anmeldung dürfe keine Priorität in Anspruch genommen werden, da der beanspruchte Prioritätstag nicht innerhalb eines Jahres vor dem Anmeldetag liege.
X. Die Eingangsstelle begründete ihre Entscheidung u. a. damit, daß die Identität des Anmelders für das EPA eindeutig und unmißverständlich feststehen müsse; wenn dies nicht der Fall sei, sei es nicht zulässig, seine Identität nachträglich durch Beweismittel klarzustellen, um sich so den Anmeldetag zu sichern. In diesem Fall kämen Artikel 90 (2) und Regel 39 EPÜ zur Anwendung. Es werde diesbezüglich auf die Entscheidung einer Technischen Beschwerdekammer vom 18. Dezember 1985 in der Sache T 25/85 (ABl. EPA 1986, 81) verwiesen, in der es um den Zeitpunkt gehe, zu dem die Identität eines Einsprechenden feststehen müsse. Die Eingangsstelle könne sich aus den angegebenen Gründen nicht dem Argument anschließen, daß die Identität des Anmelders im vorliegenden Fall in den am 24. September 1985 eingereichten Anmeldungsunterlagen eindeutig und hinreichend klargestellt worden sei. Die Eingangsstelle ging auch auf die Frage ein, ob Regel 88 EPÜ herangezogen werden könne, um die zur Identifizierung des Anmelders für die Zwecke des Artikels 80 c) EPÜ erforderlichen Angaben im Wege einer Berichtigung nachzureichen; sie gelangte zu der Schlußfolgerung, daß dies nicht möglich sei. Auch in diesem Zusammenhang wurde auf die obengenannte Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer verwiesen.
XI. Mit Schreiben vom 27. Mai 1986 reichte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung der Eingangsstelle Beschwerde ein.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Ob als Anmeldetag der vorliegenden Anmeldung - wie vom Beschwerdeführer beantragt - der 24. September 1985 oder - wie die Eingangsstelle in der angefochtenen Entscheidung behauptet - der 13. November 1985 gilt, hängt in erster Linie von der Auslegung des Artikels 80 c) EPÜ ab. Danach ist der Anmeldetag einer europäischen Patentanmeldung der Tag, an dem die vom Anmelder eingereichten Unterlagen u. a. "Angaben enthalten , die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen".
3. Bei der Prüfung der für dieses Erfordernis zugrunde zu legenden Kriterien sind die Bestimmungen über den Erteilungsantrag in Regel 26 EPÜ heranzuziehen. So dienen insbesondere die in Regel 26 (2) c) EPÜ aufgeführten Angaben dazu, die Identität des Anmelders klarzustellen. Es liegt jedoch auf der Hand, daß nicht alle diese Angaben erforderlich sind, um die Anforderungen des Artikels 80 c) EPÜ zu erfüllen. Diese Auffassung findet sich auch in den Richtlinien für die Prüfung im EPA, A-II, 4.4, auf die in dem Bescheid der Eingangsstelle vom 22. Oktober 1985 hingewiesen wurde; dort heißt es, daß es für die Identifizierung des Anmelders ausreicht, wenn dessen Name und Anschrift so angegeben sind, daß die üblichen Erfordernisse für die Postzustellung erfüllt sind. Es ist vielleicht nicht in allen Fällen erforderlich, die Anschrift zu kennen, um die Identität der betreffenden Person feststellen zu können. Hier muß nach Lage des Einzelfalles entschieden werden.
4. Die Einhaltung der verschiedenen Formalitäten ist zwar für das einwandfreie Funktionieren des europäischen Patentsystems von großer Bedeutung; genauso wichtig ist es jedoch, daß die Anmelder und andere Benutzer dieses Systems gerecht behandelt werden. Dies setzt voraus, daß die formalen Bestimmungen nicht allzu eng ausgelegt werden, insbesondere wenn dies schwerwiegende Rechtsfolgen wie z. B. den Verlust des Prioritätsrechts nach sich ziehen kann.
5. Die Forderung des Artikels 80 c) EPÜ in der englischen Fassung nach "information identifying the applicant" schließt vom Wortlaut her nicht aus, daß der Anmelder auch dann ordnungsgemäß identifiziert werden kann, wenn die Angaben zum Namen und zur Anschrift des Anmelders im Anmeldeformblatt oder sonstige formale Dinge kleinere Mängel aufweisen. Dies kommt in der deutschen und französischen Fassung dieser Bestimmung des Übereinkommens noch deutlicher zum Ausdruck; dort heißt es "Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen" bzw. "les indications qui permettent d'identifier le demandeur".
6. In diesem Zusammenhang dürfte auch von Interesse sein, daß es nach Regel 20.4 b) PCT in der Fassung vom 1. Januar 1985 (u. a. für die Zuerkennung eines Anmeldetags) genügt, den Namen des Anmelders so anzugeben, daß seine Identität festgestellt werden kann, auch dann, wenn der Name falsch geschrieben, die Angabe der Vornamen nicht vollständig oder die Bezeichnung juristischer Personen abgekürzt oder unvollständig ist.
7. Nach Auffassung der Kammer ist Artikel 80 c) EPÜ so auszulegen, daß die Forderung nach "Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen", als erfüllt zu betrachten ist, wenn die Identität des Anmelders unter Zuhilfenahme sämtlicher Angaben in den von ihm oder seinem gesetzlichen Vertreter eingereichten Unterlagen zweifelsfrei festgestellt werden kann.
8. Im vorliegenden Fall war die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung vom gesetzlichen Vertreter des Anmelders in London unterzeichnet, der aufgrund einer vom Anmelder selbst deutlich und leserlich mit William A. Warheit unterzeichneten Vollmacht handelte. Außerdem war angegeben, daß der Anmelder der alleinige Erfinder sei und die Priorität einer US-Voranmeldung in Anspruch nehme. Unter diesen Umständen und eingedenk der Tatsache, daß die Unterzeichnung der Vollmacht als die Rechtshandlung anzusehen ist, aus der die Anmeldung letztlich hervorging, ist die Kammer der Auffassung, daß bereits bei der Einreichung der Anmeldung am 24. September 1985 zweifelsfrei festgestellt werden konnte, daß die Identität des Anmelders der Unterschrift auf der Vollmacht, also dem Namen William A. Warheit, entsprach und daß der Unterschied zwischen dem Vornamen im Erteilungsantrag und dem in der Vollmacht auf dem Versehen einer Bürokraft beruhte.
9. Der Anmeldung hätte daher als Anmeldetag der 24. September 1985 zuerkannt werden müssen; die Mitteilung der Eingangsstelle nach Regel 39 EPÜ war nicht gerechtfertigt. Die Mängel in der Anmeldung hinsichtlich des Vornamens und der Heimatanschrift des Anmelders hätten vielmehr entsprechend Artikel 91 (1) d) und (2) und Regel 41 (1) EPÜ behandelt werden müssen. Die vom Vertreter des Anmelders in dessen Schreiben vom 11. November 1985 vorgenommenen Berichtigungen sollten unter diesen Umständen als Mängelberichtigung nach den obengenannten Vorschriften des Übereinkommens akzeptiert werden.
10. (...)
11. (...)
12. (...)
13. Zu den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Hinweisen auf die Entscheidung einer Technischen Beschwerdekammer vom 18. Dezember 1985 (T 25/85, ABl. EPA 1986, 81) möchte die Kammer abschließend feststellen, daß ihre Entscheidung im vorliegenden Fall nicht mit der der Technischen Beschwerdekammer kollidiert, weil die beiden Fälle insbesondere insofern rechtlich verschieden gelagert sind, als die betreffende Partei in der älteren Sache zu allen maßgebenden Zeitpunkten anonym blieb.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Eingangsstelle vom 7. April 1986 wird aufgehoben.
2. Der Anmeldung ist als Anmeldetag der 24. September 1985 zuzuerkennen.
3. Der Beschwerdeführer genießt das Prioritätsrecht aus der am 26. September 1984 eingereichten US-Anmeldung Nr. 06/654 405.