J 0021/85 (Austausch der Erfindung) of 29.1.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:J002185.19860129
Datum der Entscheidung: 29 Januar 1986
Aktenzeichen: J 0021/85
Anmeldenummer: 85101028.0
IPC-Klasse: B25F
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Rühland
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Regel 88 EPÜ erlaubt es nicht, die Erfindung, auf die sich ein Antrag auf Patenterteilung bezieht, auszutauschen. Dies ist selbst dann nicht möglich, wenn der Antrag auf Berichtigung nach Regel 88 EPÜ sofort nach Einreichung der Anmeldung gestellt und zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass eine dem Willen des Anmelders widersprechende Verwechslung der Erfindung vorliegt.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 88
Schlagwörter: Kein Austausch der Erfindung durch Berichtigung
Berichtigung/kein Austausch der Erfindung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/95
J 0021/94
J 0016/13

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer reichte an ein und demselben Tag, nämlich am 3. Februar 1984, beim Deutschen Patentamt zwei Erstanmeldungen ein. Die deutsche Patentanmeldung P 34 03 669.5 bezieht sich auf einen Sammelbehälter, insbesondere für Dosen, dadurch gekennzeichnet, daß hinter der Einfüllöffnung eine Verdichtungskammer angeordnet ist. Der Vertreter des Anmelders gab dieser Patentanmeldung das Stichwort "Dosenvorverdichtung". Die deutsche Patentanmeldung P 34 03 824.8 bezieht sich auf einen Sammelbehälter, dadurch gekennzeichnet, daß in ihm eine Trennwand in bestimmter Weise angeordnet ist; sie erhielt das Stichwort "Trennwand".

II. Am 1. Februar 1985 reichte der Vertreter für den Beschwerdeführer als Anmelder die europäische Patentanmeldung Nr. 85 101 028.0 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung P 34 03 824.8 ein. Die beigefügten Anmeldeunterlagen sind mit denen der Erstanmeldung "Trennwand" identisch.

III. Mit Schreiben vom 7. Februar 1985, eingegangen am 8. Februar 1985, beantragte der Vertreter des Beschwerdeführers, im Rahmen einer Berichtigung nach Regel 88 EPÜ die dem Schreiben beigefügten Unterlagen der Erstanmeldung "Dosenvorverdichtung" gegen die am 1. Februar 1985 als europäische Nachanmeldung eingereichten Unterlagen "Trennwand" auszutauschen. Ferner solle die Priorität der deutschen Erstanmeldung P 34 03 669.5 "Dosenvorverdichtung" in Anspruch genommen werden. Gestützt auf mehrere eidesstattliche Versicherungen und Ablichtungen von Bürounterlagen wurde dargelegt, daß die Aktendeckel der beiden deutschen Erstanmeldungen jeweils mit dem falschen Stichwort beschriftet worden seien. Bei Abwesenheit des eingearbeiteten Vertreters habe dann die Mandantenweisung, den Gegenstand "Dosenvorverdichtung" zum europäischen Patent anzumelden, dazu geführt, daß eine Anmeldung für "Trennwand" beim EPA eingereicht worden sei.

IV. Mit Entscheidung vom 15. Juli 1985 wies die Eingangsstelle des Europäischen Patentamts den Antrag im wesentlichen mit folgender Begründung zurück: Regel 88 EPÜ sei nicht anwendbar, weil bei der europäischen Patentanmeldung der Antrag auf Patenterteilung mit den Anmeldungsunterlagen in Einklang stehe. Die beantragte Berichtigung erfülle daher nicht die Bedingung, daß sofort erkennbar sei, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Dem Austausch der Anmeldungsunterlagen stehe auch die Vorschrift des Artikels 123 (2) EPÜ entgegen.

V. Gegen diese Entscheidung legte der Vertreter des Anmelders am 23. August 1985 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde ein. Er begründete diese am 24. September 1985. Hierbei und in der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 1986 trug er etwa folgendes vor: Es komme in erster Linie nicht eine Berichtigung nach Regel 88 Satz 2, sondern nach Satz 1 in Betracht. Nach der Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J 08/80 (Abl. EPA 1980, 293, 296) liege eine Unrichtigkeit im Sinne der Regel 88 dann vor, wenn die Unterlage nicht die wirkliche Absicht dessen wiedergebe, für den sie eingereicht sei. Hier bestehe die Unrichtigkeit in der irrtümlichen Zugrundelegung der falschen deutschen Erstanmeldung, also von "Trennwand" statt "Dosenvorverdichtung". Eine Unrichtigkeit i. S. v. Regel 88 Satz 1 könne auch darin bestehen, daß einem Antrag auf Patenterteilung eine nicht gewollte Erfindung in Beschreibung, Ansprüchen und Zeichnungen zugeordnet sei. Die Berichtigung der Unterlagen bestehe dann in der Berichtigung der Zuordnung, also hier dem Austausch von Beschreibung, Ansprüchen und Zeichnungen von "Dosenvorverdichtung" gegen diejenigen von "Trennwand". Dabei sei von besonderer Bedeutung, daß nach dem Berichtigungsantrag zwar die Unterlagen einer anderen Anmeldung, aber einer in sich unveränderten anderen Erstanmeldung zugrunde gelegt werden sollten. Die Berichtigung ziele also nicht darauf ab, den Inhalt von Unterlagen zu ändern oder zu erweitern. Es gehe vielmehr darum, dem nachgewiesenen, tatsächlichen Willen des Anmelders zu entsprechen. Ein Mißbrauch der Berichtigung nach Regel 88 sei ausgeschlossen, da der Wille des Anmelders unbezweifelbar nachgewiesen sei. Dem Berichtigungsantrag stünden keine Grundsätze des Patent rechts entgegen. Durch die unverzügliche Stellung des Berichtigungsantrags, reichlich vor Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung, hätte eine falsche Unterrichtung der Öffentlichkeit verhindert werden können. Es sei auch aus geschlossen, daß irgendeine Weiterentwicklung der Erfindung gegenüber der deutschen Erstanmeldung "Dosenvorverdichtung" angemeldet werden solle. Daher stehe auch Artikel 123 (2) EPÜ einer Berichtigung nicht entgegen. Die Berichtigung sei auch anders zu beurteilen als eine versehentliche Unterlassung einer Patentanmeldung. Hier sei nämlich tatsächlich eine Anmeldung beim EPA anhängig geworden. Hilfsweise werde Berichtigung nach Regel 88, Satz 2 EPÜ beantragt. Die hier geforderte sofortige Erkennbarkeit des tatsächlich Gewollten beziehe sich auf die Offensichtlichkeit der nachgewiesenen wirklichen Absicht des Anmelders, also der Absicht, nicht den Gegenstand "Trennwand", sondern den Gegenstand "Dosenvorverdichtung" anzumelden, und zwar völlig unverändert gegenüber der bereits beim Deutschen Patentamt hinterlegten Erstanmeldung.

VI. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag,

1. die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

2. dem Berichtigungsantrag vom 7. Februar 1985 stattzugeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Die Beschwerdekammer ist sich bewußt, daß eine Zulassung der beantragten Berichtigung grundlegende Fragen des Patentrechts aufwerfen würde. Es besteht jedoch kein Anlaß auf solche Fragen einzugehen. Eine sehr einfache Überlegung zeigt nämlich, daß die beantragte Berichtigung nicht im Rahmen dessen liegt, was durch Regel 88 EPÜ ermöglicht wird.

3. Allein der Wortlaut von Regel 88 EPÜ schließt die Berichtigung schon aus. In Regel 88 Satz 1 ist gesagt, daß "...Unrichtigkeiten in ... eingereichten Unterlagen" berichtigt werden können. Der französische Text ist noch deutlicher, da er das deutsche und englische "in" präzisiert als "contenues dans toute pièce", also "enthalten in jeder Einzelunterlage". Regel 88 erlaubt daher - unter hier nicht zu erörternden Voraussetzungen - gewisse "Reparaturen" an den eingereichten Unterlagen, nicht aber die Zuordnung einer anderen Erfindung - dargestellt in Beschreibung, Ansprüchen und Zeichnungen - zu einem bereits eingereichten Antrag auf Patenterteilung. Der Erteilungsantrag i. S. v. Artikel 78 (1) a) und Regel 26 EPÜ ist nämlich nicht eine Hülse, deren Inhalt ausgetauscht werden könnte, ohne den Antrag selbst aufzuheben. Wie Regel 26 (2) EPÜ zeigt, ist der Erteilungsantrag seinem Wesen nach das Ersuchen auf Erteilung eines europäischen Patents für eine ganz bestimmte Erfindung. Ein Austausch der beschriebenen Erfindung als Ganzes ist nichts anderes als Rücknahme eines und Neueinreichung eines anderen Erteilungsantrags. Dem Ersuchen, nunmehr ein europäisches Patent für einen anderen Gegenstand zu erteilen, kann daher nicht mehr der ursprüngliche Anmeldetag zukommen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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