J 0021/84 (Verspäteter Berichtigungsantrag) of 29.11.1985

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1985:J002184.19851129
Datum der Entscheidung: 29 November 1985
Aktenzeichen: J 0021/84
Anmeldenummer: 83105399.6
IPC-Klasse: B65D 41/34
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Consumers Glass
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: 1. Ein Fehler bei der Benennung eines Vertragsstaates kann nach Regel 88 EPÜ (entsprechend früheren Entscheidungen) nur berichtigt werden, wenn der Berichtigungsantrag so rechtzeitig gestellt wird, dass in die Veröffentlichung der Anmeldung ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden kann, so dass sich Dritte auf die Anmeldung in der eingereichten Fassung verlassen können.
2. Ist die Benennungsgebühr für einen Staat nicht innerhalb der Frist nach Artikel 79(2) und auch nicht mitsamt der Zuschlagsgebühr innerhalb der Nachfrist nach Regel 85a EPÜ entrichtet worden, so kann dieses Versäumnis nicht unter Berufung auf die Berichtigung einer Unrichtigkeit nach Regel 88 Satz 1 EPÜ oder in Verbindung damit nachgeholt werden.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 88
Schlagwörter: Berichtigungsantrag/verspäteter
Berichtigung von Unrichtigkeiten/verspäteter Antrag
Nichtentrichtung der Benennungsgebühren
Benennungsgebühren/Nichtentrichtung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0027/96
J 0016/01
J 0025/01
J 0006/02
J 0016/08

Sachverhalt und Anträge

I. Ein beim EPA zugelassener Vertreter reichte am 31. Mai 1983 auf schriftliche Anweisung (Schreiben vom 19. Mai 1983) eines die Anmelderin vertretenden kanadischen Patentanwalts in deren Namen eine europäische Patentanmeldung mit der Nummer 83 105 399.6 ein. In der Anmeldung wurde die Priorität einer nationalen kanadischen Anmeldung vom 3. Juni 1982 in Anspruch genommen.

II. Mit Fernschreiben vom 29. Juni 1983 teilte der europäische Vertreter dem kanadischen Patentanwalt der Anmelderin mit, daß er alle Vertragsstaaten benannt habe, da ihm keine Anweisungen darüber vorgelegen hätten, welche Vertragsstaaten benannt werden sollten, und daß die entsprechenden Gebühren am 30. Juni 1983 fällig seien.

III. Am 29. Juni 1983 teilte die Sekretärin des kanadischen Patentanwalts dem europäischen Vertreter fernschriftlich die Staaten mit, die benannt werden sollten, nämlich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und die Schweiz.

IV. Am 30. Juni 1983 entrichtete der europäische Vertreter fünf Benennungsgebühren für die obengenannten Vertragsstaaten. Er gab in einem Schreiben vom 29. Juli 1983 die Staaten an, deren Benennung als zurückgenommen gelten sollte, und erwähnte dabei ausdrücklich Frankreich.

V. Nach einem Schriftwechsel bestätigte die Eingangsstelle am 28. September 1983, daß die Benennung von Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich und Schweden gemäß Artikel 91 (4) EPÜ als zurückgenommen gelte.

VI. Am 21. Dezember 1983 wurde die europäische Patentanmeldung mit Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und der Schweiz als benannte Staaten veröffentlicht.

VII. Am 20. März 1984 teilte der europäische Vertreter dem Europäischen Patentamt schriftlich mit, sein kanadischer Kollege habe erst am 27. Februar 1984 erfahren, daß Frankreich nicht benannt worden sei; gleichzeitig reichte er einen Antrag auf Berichtigung der Benennung zusammen mit einer eidesstattlichen Erklärung des kanadischen Patentanwalts ein, daß dieser seiner Sekretärin am 29. Juni 1983 genaue Anweisungen für die Benennung folgender Staaten gegeben hatte: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Niederlande und Schweiz. Infolge eines Versehens der Sekretärin sei in dem Fernschreiben vom 29. Juni 1983 Frankreich nicht unter den zu benennenden Staaten aufgeführt worden.

VIII. Am 27. Juni 1984 traf die Eingangsstelle die angefochtene Entscheidung, mit der der Berichtigungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß er erst nach Veröffentlichung der Anmeldung eingereicht worden sei und eine Stattgabe des Antrags bei Dritten zu Rechtsunsicherheit und dem Verlust möglicher Rechte führen könnte.

IX. Der Vertreter der Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein; die Beschwerdeschrift und die Begründung gingen im September 1984 beim Amt ein; er beantragte darin, daß die Entscheidung aufgehoben und die Benennung von Staaten durch Hinzufügung der Benennung Frankreichs nach Regel 88 EPÜ berichtigt wird. Die Beschwerdegebühr wurde am 6. September 1984 ordnungsgemäß entrichtet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin geht im wesentlichen dahin, daß die ausdrückliche Zurücknahme Frankreichs in ihrem Schreiben vom 29. Juli 1983 berichtigt werden könne.

3. Die Frage der Berichtigung eines Fehlers bei der Benennung von Staaten nach Regel 88 EPÜ ist bereits in anderen Fällen untersucht worden. In den Rechtssachen J 08/80 (ABl. EPA 1980, 293), J 04/80 (ABl. EPA 1980, 351) und J 12/80 (ABl. EPA 1981, 143) wurde eine Berichtigung der Benennung zugelassen. Der Antrag war jeweils unmittelbar nach Einreichung der europäischen Patentanmeldung und somit rechtzeitig vor ihrer Veröffentlichung erfolgt. Auf diesen Umstand ist in den genannten Entscheidungen ausdrücklich hingewiesen worden.

4. In der Entscheidung J 03/81 (ABl. EPA 1982, 100) hat die Kammer die Auffassung vertreten, daß der Antrag auf Berichtigung der Benennung bei der betreffenden Euro-PCT-Anmeldung eindeutig zu spät erfolgt sei und ihm nicht stattgegeben werden könne, weil er nach Veröffentlichung der Anmeldung gestellt worden sei. Als Begründung wurde angegeben, daß die Möglichkeit gegeben sein müsse, in die veröffentlichte Anmeldung einen Hinweis für Dritte aufzunehmen, daß ein Antrag auf Berichtigung der Benennung von Staaten gestellt worden sei. Da das Interesse der Öffentlichkeit im Falle europäischer Patentanmeldungen gleich gelagert ist, ist dieser Grundsatz nicht auf Euro-PCT-Anmeldungen beschränkt. Außerdem gilt er nicht nur für die Berichtigung von Benennungen im allgemeinen, sondern auch für die Berichtigung von Prioritätsansprüchen; siehe hierzu z. B. die Entscheidungen J 04/82 (ABl. EPA 1982, 385), J 03/82 (ABl. EPA 1983, 171) und J 14/82 (ABl. EPA 1983, 121).

5. Die Juristische Beschwerdekammer hat zwar, wie in ihrem Bescheid an die Beschwerdeführerin erwähnt, zu Beginn ihrer Rechtsprechung die Berichtigung von Unrichtigkeiten (Benennung von Staaten und Prioritäten) nach Veröffentlichung der Anmeldung zugelassen (J 12/80, ABl. EPA 1981, 143; J 03/82, ABl. EPA 1983, 171). In all diesen Fällen war jedoch der Berichtigungsantrag so rechtzeitig gestellt worden, daß die Anmeldung mit einem entsprechenden Hinweis hätte veröffentlicht werden können. Daß dies nicht geschehen ist, lag daran, daß das Amt sich damals nicht sicher war, wie es in diesen Fällen vorgehen sollte. Bei den betreffenden Entscheidungen galt es abzuwägen zwischen der Gefahr, die sich für die Öffentlichkeit aus dem Fehlen eines Hinweises ergab, und der Unbilligkeit gegenüber dem Anmelder. Als die Entscheidungen getroffen wurden, war die Rechtslage noch unklar und die Praxis des EPA stand noch nicht fest. Dies hat sich jedoch im Zuge der Rechtsprechung der Beschwerdekammern im Zusammenhang mit der Berichtigung von Mängeln und aufgrund der vom EPA verfolgten Praxis geändert. Heute ist den Benutzern des europäischen Patentsystems allgemein bekannt, daß sie sich grundsätzlich darauf verlassen können, daß nach der Veröffentlichung einer europäischen Patentanmeldung nicht im Wege einer Berichtigung weitere Staaten benannt werden.

6. Unabhängig davon, ob die Berichtigung des genannten Versehens zulässig wäre oder nicht, ist gemäß Artikel 91 (4) EPÜ der Rechtsverlust eingetreten, weil die Zahlung der entsprechenden Benennungsgebühr für Frankreich nicht innerhalb der Frist nach Artikel 79 (2) EPÜ oder nach Regel 85a EPÜ bewirkt worden ist.

7. Im vorliegenden Fall muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß im Gegensatz zu den unter Nummer 3 erwähnten Fällen, in denen die Berichtigung zugelassen wurde, die Benennungsgebühr für Frankreich nicht innerhalb der genannten Fristen entrichtet worden ist. Selbst wenn im vorliegenden Fall Regel 88 EPÜ auf die fehlende Benennung angewandt werden könnte, kann der Mangel, der durch die nicht fristgerechte Zahlung der entsprechenden Benennungsgebühr entstanden ist, nicht behoben werden.

8. Eine versäumte Zahlung fällt nicht unter Regel 88 Satz 1 EPÜ, da es sich weder um einen sprachlichen Fehler noch um einen Schreibfehler, noch um eine "Unrichtigkeit in einer Unterlage" handelt. Die unterlassene Zahlung steht zwar im Zusammenhang mit der Nichtbenennung Frankreichs, ist jedoch ein eigenständiger Sachverhalt, der nicht behoben werden kann.

9. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Wiedereinsetzung in die Frist für die Zahlung der Benennungsgebühren durch Artikel 122 (5) EPÜ ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. J 18/82, ABl. EPA 1983, 441). Diese ausdrückliche Vorschrift kann durch Regel 88 EPÜ nicht außer Kraft gesetzt werden. In diesem Falle geht der Artikel des Übereinkommens vor (s. Art. 164 (2) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 27. Juni 1984 wird zurückgewiesen.

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