J 0006/83 (Erstattung der Prüfungsgebühr (PCT)I) of 25.9.1984

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1984:J000683.19840925
Datum der Entscheidung: 25 September 1984
Aktenzeichen: J 0006/83
Anmeldenummer: 79901397.4
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Caterpillar
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Wird eine internationale Anmeldung, die nach Artikel 150(3) EPÜ als europäische Patentanmeldung gilt, zurückgenommen, bevor mit der Erstellung des ergänzenden europäischen Recherchenberichts begonnen werden kann, so verhindert dies die Prüfung der Anmeldung. Ist die Prüfungsgebühr bereits entrichtet worden, so ist sie unter diesen Umständen zurückzuzahlen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 17
European Patent Convention 1973 Art 18(1)
European Patent Convention 1973 Art 92
European Patent Convention 1973 Art 94(1)
European Patent Convention 1973 Art 94(2)
European Patent Convention 1973 Art 157
Rules relating to fees Art 10
Patent Cooperation Treaty Art 23
Patent Cooperation Treaty Art 40
Schlagwörter: Prüfungsgebühr/Rückerstattung PCT I
Rückerstattung/Prüfungsgebühr
Zurücknahme der Anmeldung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0009/83
J 0009/10

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin reichte am 13. August 1979 eine internationale Anmeldung nach dem Vertrag über eine internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) in den Vereinigten Staaten ein. Es wurde keine vor dem Anmeldetag liegende Priorität in Anspruch genommen. Das Europäische Patentamt war Bestimmungsamt nach dem PCT, da mehrere Vertragsstaaten des EPÜ mit der Angabe bestimmt worden waren, daß für diese Staaten um ein europäisches Patent nachgesucht wird. Die Anmeldung galt somit als europäische Patentanmeldung (Art. 150 (3) EPÜ) und erhielt die Nummer 79 901 397.4.

II. Die Beschwerdeführerin reichte am 8. Januar 1981 einen Antrag auf Prüfung der europäischen Patentanmeldung ein. Die Prüfungsgebühr wurde am 23. Januar 1981 entrichtet. Der internationale Recherchenbericht wurde am 19. Februar 1981 veröffentlicht.

III. Mit Schreiben vom 1. Juni 1981, das am 3. Juni 1981 einging, beantragte die Beschwerdeführerin die Zurücknahme der europäischen Patentanmeldung und die Rückzahlung der Recherchengebühr für den ergänzenden europäischen Recherchenbericht und der Prüfungsgebühr. Da das EPA mit der Erstellung des ergänzenden europäischen Recherchenberichts noch nicht begonnen hatte, wurde die Recherchengebühr gemäß Artikel 10 (4) der Gebührenordnung ordnungsgemäß zurückgezahlt. Die Prüfungsgebühr wurde vom EPA nicht zurückgezahlt; nach einem Briefwechsel zwischen dem Vertreter der Beschwerdeführerin und dem EPA und Befassung der Rechtsabteilung des EPA mit der Angelegenheit erging am 18. April 1983 die angefochtene Entscheidung, mit der die Rückzahlung der Prüfungsgebühr abgelehnt wurde.

IV. In der Entscheidung wurde folgende Auffassung vertreten:

1. Entsprechend Artikel 22 (1) PCT habe die regionale Phase der Bearbeitung der Anmeldung mit Ablauf des 20. Monats nach dem Prioritätsdatum, d. h. am 14. April 1981, begonnen.

2. Der Prüfungsantrag und die Entrichtung der Prüfungsgebühr seien aufgrund des Artikels 150 (3) EPÜ und des Artikels 11 (3) und (4) PCT sofort wirksam geworden.

3. Die Gebühren nach dem EPÜ würden in der Regel nur dann zurückgezahlt, wenn dies ausdrücklich vorgesehen sei.

4. Nach der Praxis des EPA (vgl. Rechtsauskunft Nr. 1/79, ABl. EPA 1979, 61) werde die Prüfungsgebühr zurückgezahlt, wenn die Bearbeitung einer europäischen Patentanmeldung eingestellt werde, bevor die Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens von der Eingangsstelle auf die Prüfungsabteilung übergegangen sei. Diese Praxis könne jedoch nicht auf internationale Anmeldungen angewandt werden, weil das EPA gemäß den Artikeln 23 (1) und 40 (1) PCT die internationale Anmeldung vor Beginn der regionalen Phase weder bearbeiten noch prüfen dürfe. Die Prüfungsabteilung sei in jedem Falle von der Stellung des Prüfungsantrags an für eine internationale Anmeldung zuständig, auch wenn sie die Anmeldung vor Beginn der regionalen Phase weder bearbeiten noch prüfen dürfe.

5. Daraus folge, daß eine während der internationalen Phase entrichtete Prüfungsgebühr nur zurückgezahlt werden könne, wenn die Anmeldung vor Beginn der regionalen Phase zurückgenommen werde. Dies sei bei der vorliegenden Anmeldung nicht der Fall.

V. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung am 17. Juni 1983 fernschriftlich Beschwerde ein; das Fernschreiben wurde am 20. Juni 1983 ordnungsgemäß brieflich bestätigt. Die Beschwerdegebühr wurde fristgerecht entrichtet. In der Beschwerdeschrift beantragte die Beschwerdeführerin die volle Rückzahlung der Prüfungsgebühr sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Ferner beantragte sie, die Sache der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

VI. In der am 17. August 1983 eingereichten Beschwerdebegründung brachte die Beschwerdeführerin folgendes vor:

1. Der ergänzende europäische Recherchenbericht sei der für die Prüfung letztlich maßgebliche Recherchenbericht.

2. Es sei nicht nur bequemer, die Prüfungsgebühr vorzeitig zu entrichten, sondern häufig auch unmöglich, mit der Zahlung der Gebühr bis zur Vorlage des ergänzenden Recherchenberichts zu warten.

3. Die Anmelderin habe zu keinem hier relevanten Zeitpunkt wissen können, daß die Zuständigkeit für die Anmeldung unmittelbar mit dem Wirksamwerden des Prüfungsantrags auf die Prüfungsabteilung übergehe, da die entsprechende Änderung der Prüfungsrichtlinien erst im Oktober 1981 veröffentlicht worden sei. Außerdem sei der Bescheid in der Sache tatsächlich von der Eingangsstelle und der Recherchenabteilung ergangen.

4. Es sei absurd und unlogisch, wenn zwar die ergänzende Recherchengebühr, nicht aber die Prüfungsgebühr zurückgezahlt werde, da die Prüfung erst nach der Recherche kommen könne. Die Beschwerdeführerin beantragte nochmals, die Sache der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

VII. Mit Bescheid vom 17. Juli 1984 gab die Juristische Beschwerdekammer zu verstehen, daß im vorliegenden Fall eine positive Entscheidung denkbar sei; wenn es nämlich möglich sei, die ergänzende europäische Recherchengebühr zurückzuzahlen, weil das EPA noch nicht mit der Erstellung des ergänzenden europäischen Recherchenberichts begonnen habe, dann könne auch die Prüfungsgebühr zurückgezahlt werden. Da jedoch vor der Kammer noch andere Fälle anhängig seien, in denen es um die Rückzahlung der Prüfungsgebühr nach Erstellung des ergänzenden europäischen Recherchenberichts gehe, und das Vorbringen in diesen Fällen die Beurteilung des vorliegenden Falles beeinflussen könne, wolle die Kammer im vorliegenden Fall keine sofortige Entscheidung treffen, es sei denn, dies werde von der Beschwerdeführerin gewünscht. Der Vertreter der Beschwerdeführerin bat mit Schreiben vom 1. August 1984 um eine sofortige Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106-108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Der Kammer ist bekannt, daß die Frage der Rückzahlung der Prüfungsgebühr bei Zurücknahme einer internationalen Anmeldung nach Erhalt des ergänzenden europäischen Recherchenberichts rechtliche Schwierigkeiten aufwirft; diese Frage ist Gegenstand anderer vor der Juristischen Beschwerdekammer anhängiger Beschwerden und daher hier nicht zu prüfen.

3. Der vorliegende Fall kann entschieden werden, ohne daß den anderen Fällen vorgegriffen wird, da hier ein anderer Punkt entscheidend ist.

4. Es liegt eine grundsätzliche Unlogik darin, daß es nach der Zurücknahme einer internationalen Anmeldung zwar zulässig ist, die Gebühr für eine ergänzende europäische Recherche gemäß Artikel 10 (4) Gebührenordnung zurückzuzahlen, es aber rechtswidrig sein soll, die Gebühr für eine Sachprüfung, die nie stattfinden kann, zurückzuzahlen.

5. Nun gibt es bei der Auslegung von Verträgen den festen Grundsatz, daß Auslegungen, die zu einem angesichts des Zieles und Zweckes des betreffenden Vertrages offenkundig unsinnigen oder unangemessenen Ergebnis führen, nach Möglichkeit zu vermeiden sind. Artikel 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (vgl. ABl. EPA 1984, 196) läßt - zweifellos aus diesem Grunde - ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere vorbereitende Schriftstücke, zu, um offenkundige Sinnwidrigkeiten und offenkundig unvernünftige Ergebnisse zu vermeiden.

6. Die Kammer hält es deshalb für erforderlich zu prüfen, ob sich im EPÜ, in der Ausführungsordnung oder in der Gebührenordnung eine Grundlage dafür findet, die Rückzahlung der Prüfungsgebühr im vorliegenden Fall abzulehnen. Die Bestimmung, daß ein Prüfungsantrag nicht zurückgenommen werden kann (Art. 94 (2) EPÜ), bedeutet sicherlich nicht, daß bei Zurücknahme einer Anmeldung die Prüfungsgebühr nicht zurückgezahlt werden kann; die Rechtsauskunft Nr. 1/79 (s. oben Nr. IV (4)) hätte anders ausfallen müssen, wenn dem so wäre. Es gibt im EPÜ, in der Ausführungsordnung und in der Gebührenordnung keine Bestimmung, aus der auch nur andeutungsweise hervorginge, daß eine Prüfungsgebühr nicht zurückgezahlt werden darf, wenn die Prüfung nicht stattfinden kann.

7. Die angefochtene Entscheidung will darauf hinaus, daß eine während der internationalen Phase einer internationalen Anmeldung gezahlte Prüfungsgebühr zurückgezahlt werden kann, wenn die Anmeldung während dieser Phase zurückgenommen wird, weil das EPA durch die Artikel 23 und 40 PCT ausdrücklich daran gehindert wird, die Anmeldung während dieser Phase zu prüfen.

8. Im vorliegenden Fall erhebt sich die Frage, ob das EPA durch Artikel 94 (1) EPÜ nicht auch nach Beginn der regionalen Phase an der Prüfung der Anmeldung gehindert wird, wenn ein ergänzender europäischer Recherchenbericht nach Artikel 157 (2) a) EPÜ nicht erstellt werden kann, weil die Anmeldung zurückgenommen worden ist. Wenn dem so ist, dann muß man analog zu den Überlegungen im vorhergehenden Absatz zu der Schlußfolgerung kommen, daß die Prüfungsgebühr zurückzuzahlen ist.

9. Ein ergänzender europäischer Recherchenbericht ist eindeutig ein "europäischer Recherchenbericht" im Sinne des EPÜ. (Wäre dem nicht so, so hätte dies unter anderem zur Folge, daß die Gebühr für eine solche Recherche nicht nach Artikel 10 (4) der Gebührenordnung rechtmäßig zurückgezahlt werden könnte.) Im Übereinkommen und in der Ausführungsordnung finden sich keine speziellen Vorschriften über den ergänzenden Recherchenbericht. Daraus folgt, daß die Artikel 17 und 92 EPÜ auch für die Erstellung eines ergänzenden europäischen Recherchenberichts gelten, d. h., daß nur die Recherchenabteilung, und nicht die Prüfungsabteilung, für die Erstellung und Absendung des Recherchenberichts an den Anmelder zuständig ist. Die Überlegung, daß vielleicht die Prüfungsabteilung von diesem Zeitpunkt an gemäß Artikel 18 (1) EPÜ für die Prüfung der Anmeldung zuständig sei, kann nicht zur Folge haben, daß die Prüfungsabteilung zur Inangriffnahme der Prüfung ermächtigt wird, wenn der - zwingend vorgeschriebene (Art. 157 (2) a) EPÜ) - ergänzende europäische Recherchenbericht überhaupt nicht erstellt wird. Daraus folgt, daß bei Zurücknahme der Anmeldung vor Beginn der Erstellung des ergänzenden europäischen Recherchenberichts eine Prüfung der Anmeldung ausgeschlossen ist. Unter diesen Umständen kann die Prüfungsgebühr zurückgezahlt werden. Mit einer solchen Argumentation läßt sich die unter Nummer 4 erwähnte Sinnwidrigkeit vermeiden.

10. In der angefochtenen Entscheidung werden die wesentlichen Umstände des vorliegenden Falles nicht berücksichtigt, und es wird die irrige Auffassung vertreten, daß eine während der internationalen Phase entrichtete Prüfungsgebühr "nur" zurückgezahlt werden darf, wenn die Anmeldung vor Beginn der regionalen Phase zurückgenommen wird. Die Entscheidung ist demnach aufzuheben.

11. Da die im vorliegenden Fall aufgetretenen Rechtsfragen anhand der einschlägigen Bestimmungen des PCT, des EPÜ und der Gebührenordnung eindeutig geklärt werden können, sieht die Juristische Beschwerdekammer keine Veranlassung, solche Fragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

12. Da kein Anhaltspunkt für einen wesentlichen Verfahrensmangel vorliegt, besteht kein Grund dafür, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 vom 18. April 1983 wird aufgehoben.

2. Die für die europäische Patentanmeldung Nr. 79 901 397.4 entrichtete Prüfungsgebühr wird der Beschwerdeführerin in voller Höhe zurückgezahlt.

3. Der Antrag, Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, wird zurückgewiesen.

4. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt.

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