J 0001/81 (Feiertag) of 24.11.1982

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1982:J000181.19821124
Datum der Entscheidung: 24 November 1982
Aktenzeichen: J 0001/81
Anmeldenummer: 80400601.3
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: FR
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Losfeld
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: 1. Erfolgt die Zahlung der Gebühren durch Einreichung eines Schecks bei einer Bank, bei der ein Konto des Amts besteht, so gilt als maßgebender Zahlungstag nach Artikel 8(1) GebO nicht der Tag der Übergabe des Schecks, sondern der Tag, an dem der Betrag auf dem Konto des Amts gutgeschrieben wird.
2. Läuft jedoch die Zahlungsfrist an einem Tag ab, der für das EPA an seinem Sitz in München ein gesetzlicher Feiertag ist, so verlängert sich die Frist nach Regel 85(1) EPÜ, wobei ausser Betracht bleibt, ob die Zahlung in München oder an einem anderen Ort nicht doch hätte vorgenommen werden können.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 85(1)
Rules relating to fees Art 8(1)
Schlagwörter: Zahlungszeitpunkt - Anmeldegebühr - Recherchengebühr
Feiertag
Zahlungsfrist - Verlängerung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0030/89
T 1640/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die betreffende europäische Patentanmeldung wurde am 5. Mai 1980 eingereicht. Nach Artikel 78(2) EPÜ hätten die Anmelde- und die Recherchengebühr normalerweise "innerhalb eines Monats nach Einreichung der Anmeldung", also bis 5 Juni 1980, oder ggf. unter Entrichtung der in Regel 85a EPÜ vorgesehenen Zuschlagsgebühr innerhalb einer Nachfrist von zwei Monaten nach Ablauf dieser Frist entrichtet werden müssen.

II. Tatsächlich geht aus einem Briefwechsel zwischen dem EPA und der BNP (Zweigstelle France/Etranger in Paris) hervor, daß der Anmelder diesem Bankinstitut am 4. Juni 1980 einen Scheck über FF 9 430,00 (Anmeldegebühr, Recherchengebühr und Benennungsgebühren) übergeben hatte, der erst am 6. Juni 1980 auf dem Konto des EPA gutgeschrieben wurde. Die Eingangsstelle teilte dem Anmelder mit Schreiben vom 16. Juli 1980 mit, daß nach Regel 85a eine Nachfrist gewährt werden könne, sofern eine Zuschlagsgebühr entrichtet werde; dieser hielt die Zahlung einer solchen Zuschlagsgebühr jedoch nicht für erforderlich, sondern erklärte in einem am 8. August 1980 eingegangenen Schreiben, daß er "alle Gebühren fristgerecht entrichtet" habe.

III. Die Eingangsstelle vertrat jedoch in ihrer Entscheidung vom 17. September 1980 die Auffassung, daß die Gebühren nach Ablauf der Fristen entrichtet worden seien und die europäische Patentanmeldung damit nach Artikel 90(3) EPÜ als zurückgenommen gelte. In der Begründung der obengenannten Entscheidung wurde als Antwort auf das Vorbringen des Anmelders ausgeführt, daß nach Artikel 8(1) GebO als Tag des Eingangs einer Zahlung beim Amt der Tag gilt, an dem der eingezahlte oder überwiesene Betrag auf einem Bankkonto des Amts gutgeschrieben wird.

IV. Der Anmelder legte im 14. November 1980 gegen die obengenannte Entscheidung ordnungsgemäß Beschwerde ein und begründete diese am 14. November 1980 und 16. Januar 1981; die Beschwerdegebühr wurde innerhalb der in Artikel 108 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten entrichtet. Zur Begründung seiner Beschwerde machte er im wesentlichen folgendes geltend:

1. Aus einer Bescheinigung der BNP, die ihm am 4. Juni 1980 mit dem Vermerk "dem Empfänger vorbehaltlich Eingang gutgeschrieben..." ausgestellt worden sei, gehe hervor, daß die Zahlung am 4. Juni 1980, also noch innerhalb der in Artikel 78(2) EPÜ vorgeschriebenen Frist von einem Monat, erfolgt sei;

2. er könne sich auf Artikel 8(3)a) und b) GebO berufen, da er "innerhalb der Frist" die Zahlung veranlaßt und einen Auftrag zur Überweisung gegeben habe;

3. sowohl das INPI in Paris als auch die BNP hätten ihm mitgeteilt, daß es genüge, wenn er seine Zahlung "vor dem 5. Juni 1980" veranlasse;

4. schließlich könne er nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß die BNP zwei Tage gebraucht habe, um den Betrag auf dem Konto des EPA gutzuschreiben.

V. Im Hinblick auf eine mögliche rückwirkende Änderung der Gebührenordnung, insbesondere des Artikels 8, wurde die Entscheidung über die Beschwerde ausgesetzt. Als eine solche Änderung nicht mehr zu erwarten war, wurde der Beschwerdeführer am 22. April 1982 entsprechend unterrichtet und aufgefordert, innerhalb von drei Monaten Stellung zu nehmen.

VI. Der Beschwerdeführer teilte mit Schreiben vom 20. Juli 1982 mit, daß er seine Beschwerde mit der früheren Begründung aufrechterhalte, und machte im wesentlichen geltend, daß eine Zahlung durch Übergabe eines Schecks an die Zweigstelle "France/Etranger" der BNP in Paris seines Erachtens als am Tag der Scheckeinreichung erfolgt anzusehen sei. In einem weiteren Schreiben vom 5. Oktober 1982 teilte er mit, er sei darauf hingewiesen worden, daß der 5. Juni 1980 in München, dem Sitz des EPA, ein Feiertag gewesen sei: die betreffende Frist könnte daher auf den 6. Juni 1980 verlängert werden, so daß die streitige Zahlung als wirksam erfolgt anzusehen sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. In Artikel 8(1) GebO heißt es: "Als Tag des Eingangs einer Zahlung beim Amt gilt:

a) im Fall des Artikels 5 Absatz 1 Buchstaben a... [d. h. bei Einzahlung oder Überweisung auf ein Bankkonto des Amts] der Tag, an dem der eingezahlte oder überwiesene Betrag auf einem Bankkonto... des Amts gutgeschrieben wird".

3. Der Tag der streitigen Zahlung kann nicht das Datum auf der Scheckempfangsbescheinigung (4. Juni 1980), die die Bank dem Einzahler ausgestellt hat, sein, sondern nur das Datum der Gutschrift des eingezahlten Betrages auf dem Konto des EPA, also der 6. Juni 1980. Dieser Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus Artikel 8 GebO und läßt keinerlei Unsicherheit in der Auslegung zu. Er steht auch nicht im Widerspruch zum Wortlaut der Bescheinigung, in der ausdrücklich auf den Vorbehalt des "Eingangs" hingewiesen wird. Er kann auch für einen französischen Anmelder insofern nicht überraschend sein, als er seinem nationalen Recht entspricht. In Artikel 62 der Verordnung vom 30. Oktober 1935 zur Vereinheitlichung des Scheckrechts heißt es nämlich wie folgt: "Die Annahme eines Schecks als Zahlungsmittel durch einen Gläubiger bewirkt keine Änderung des Schuldverhältnisses (novatio). Die ursprüngliche Forderung besteht demnach mit allen damit verbundenen Verpflichtungen weiter, bis der Scheck eingelöst worden ist".

Entsprechendes wird sogar in der Nichtfachliteratur, z.B. in der "Encyclopedia Universalis", angegeben, wo unter der Rubrik "Zahlung" im Zusammenhang mit der Übergabe eines Schecks erläutert wird: "Sie stellt keine echte Zahlung dar", und im Zusammenhang mit der Überweisung: "Die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers ist grundsätzlich für den Zahlungstag maßgebend" (op. cit., Seite 366 und 367).

4. Der Beschwerdeführer beruft sich andererseits zu Unrecht auf Artikel 8(3)a) GebO. Dort wird nämlich von einer Zahlung oder einem Überweisungsauftrag ausgegangen, der "spätestens 10 Tage vor Ablauf der... Frist" veranlaßt bzw. erteilt worden ist, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft.

5. Nicht ohne Bedeutung ist hingegen der Hinweis, daß nach einer Mitteilung des Präsidenten des EPA vom 10. März 1980 der S. Juni 1980 (Fronleichnam) in München, wo das Europäische Patentamt nach Artikel 6(2) EPÜ seinen Sitz hat, ein Feiertag war, an dem das Amt dort zur Entgegennahme von Schriftstücken nicht geöffnet war (ABl. EPA 1980, Seite 91).

In Regel 85(1) EPÜ heißt es nämlich:

"Läuft eine Frist an einem Tag ab, an dem das Europäische Patentamt zur Entgegennahme von Schriftstücken nicht geöffnet ist oder an dem gewöhnliche Postsendungen... am Sitz des Europäischen Patentamts nicht zugestellt werden, so erstreckt sich die Frist auf den nächstfolgenden Tag, an dem das Europäische Patentamt zur Entgegennahme von Schriftstücken geöffnet ist und an dem gewöhnliche Postsendungen zugestellt werden."

6. Aufgrund des Wortlauts der Regel 85(1) besteht kein Zweifel daran, daß sie auf alle Fristen anzuwenden ist. unabhängig davon, ob es sich um die Einreichung von Schriftstücken oder um Zahlungen handelt. In der genannten Regel ist nämlich vom Ablauf "einer Frist" ohne jegliche Einschränkung die Rede.

7. Da die Frist zu Recht verlängert werden mußte, ist es unerheblich, daß die Zahlung durchaus hätte vorgenommen werden können: So hätte ein Scheck z. B. in München trotz geschlossener Amtsräume in den Briefkasten eingeworfen oder, wie im vorliegenden Fall, in Paris an einem Bankschalter eingereicht werden können.

Die Frage, inwieweit dieser Grundsatz auch für die Zweigstelle Den Haag gilt, stellt sich im vorliegenden Fall nicht.

8. Obwohl also die streitige Zahlung juristisch gesehen am 6. Juni 1980, also nach Ablauf der normalen Frist am 5. Juni 1980, erfolgt ist, muß sie als wirksam angesehen werden, da sich die Frist im vorliegenden Fall um einem Tag verlängert hat. Daher muß die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden.

9. Die Nichtbeachtung der Regel 85(1) EPÜ stellt im vorliegenden Fall einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, so daß nach Regel 67 EPÜ die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden muß.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung der Eingangsstelle vom 17. September 1980 wird aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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