European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1981:J001580.19810611 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 11 Juni 1981 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0015/80 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | A | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Arenhold | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | 1. Die Bestimmungen der Artikel 87 bis 89 und der Regel 38 EPÜ bilden zusammen eine vollständige und eigenständige Regelung des Rechts, das bei der Beanspruchung von Prioritäten für europäische Patentanmeldungen anzuwenden ist. 2. Das Europäische Patentamt ist nicht unmittelbar durch Artikel 4 PVÜ gebunden, da die Europäische Patentorganisation nicht Mitglied der Pariser Verbandsübereinkunft ist. 3. Da das EPÜ ein Sonderabkommen im Sinne des Artikels 19 PVÜ ist, könnte eine einhellige Auffassung der Vertragsstaaten des EPÜ, wonach die Hinterlegung eines Geschmacksmusters nach Artikel 4 PVÜ selbstverständlich ein Prioritätsrecht für nationale Patentanmeldungen verleiht, zu einer über den Wortlaut des Artikels 87(1) EPÜ hinausgehenden Auslegung und damit dazu führen, daß auch Geschmacksmusterhinterlegungen als prioritätsbegründend für europäische Patentanmeldungen anerkannt werden. 4. Da jedoch eine solche einhellige Auffassung nicht festgestellt werden kann, besteht keine Veranlassung, Artikel 87(1) EPÜ über seinen Wortlaut und Inhalt hinaus auszulegen. Für europäische Patentanmeldungen werden daher Prioritätsansprüche aus Geschmacksmusterhinterlegungen nicht anerkannt. |
||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Prioritätsrecht - Geschmacksmusterhinterlegung Geschmacksmusterhinterlegung - Prioritätsrecht Pariser Verbandsübereinkunft |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Am 24. Januar 1979 hinterlegte der Beschwerdeführer ein Geschmacksmuster beim Amtsgericht Hamburg (Bundesrepublik Deutschland).
II. Am 12. Juli 1979 reichte der Beschwerdeführer eine europäische Patentanmeldung ein, in der er u.a. die Priorität des Geschmacksmusters beanspruchte. In der Anmeldung waren 9 Vertragsstaaten benannt, nicht jedoch die Bundesrepublik Deutschland.
III. Mit Schreiben vom 14. September 1979 teilte die Eingangsstelle dem Beschwerdeführer unter Beifügung einer Ablichtung des Artikels 87 EPÜ mit, daß das Europäische Patentübereinkommen keine Möglichkeit vorsehe, die Priorität einer Geschmacksmusterhinterlegung zu beanspruchen. Es wurde darauf hingewiesen, daß eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ beantragt werden kann.
IV. Mit Schreiben vom 5. November 1979 beantragte der Beschwerdeführer eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ und machte geltend, daß die Bestimmungen des Artikels 87 EPÜ nicht in Widerspruch zu Artikel 4 der Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) stehen könnten und daß diese Übereinkunft nicht die Art des bei der Ersthinterlegung gewählten Schutzrechts (abgesehen von Warenzeichenrechten) einschränke. Der Beschwerdeführer wies auf zwei Entscheidungen des deutschen Bundespatentgerichts vom 10. November 1967 hin (BPatGE 9, 211 und 216), in denen dieses anerkannt hatte, daß für eine Gebrauchsmusteranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland die Priorität einer früheren Geschmacksmusteranmeldung in einem Mitgliedstaat der PVÜ beansprucht werden kann.
V. Am 23. Mai 1980 erließ die Eingangsstelle die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung, in der sie feststellte, daß für die europäische Patentanmeldung nicht die Priorität einer früheren Geschmacksmusterhinterlegung beansprucht werden könne. Für diese Entscheidung wurden vier Gründe angegeben:
a) Nach seiner Präambel sei das Europäische Patentübereinkommen ein Sonderabkommen im Sinne von Artikel 19 PVÜ. Das Europäische Patentübereinkommen müsse daher im Lichte der Pariser Verbandsübereinkunft ausgelegt werden. Die Entstehungsgeschichte des Artikels 87 (1) EPÜ zeige, daß dieser Artikel in gewollter Übereinstimmung mit der Pariser Verbandsübereinkunft abgefaßt worden sei.
b) Auf der Londoner Revisionskonferenz von 1934 sei der Versuch, in der Pariser Verbandsübereinkunft Patente, Gebrauchsmuster und Geschmacksmuster in bezug auf die Beanspruchung von Prioritäten einander gleichzustellen, abgelehnt worden.
c) Die Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens würden in der Praxis nicht allgemein ein Prioritätsrecht für eine nationale Patentanmeldung auf der Grundlage einer Geschmacksmusterhinterlegung anerkennen. Wenn auch das deutsche Bundespatentgericht ein solches Recht anerkannt habe (unveröffentlichte Entscheidung vom 25. April 1979 - 4W (pat) 138/77), so habe das Schweizerische Bundesgericht in einem Urteil vom 22. April 1979 (BGE Bd, 101b, 132) das Bestehen eines solchen Rechts ausdrücklich verneint, und der Österreichische Verwaltungsgerichtshof habe in einem Beschluß vom 28. November 1979 (Österreichisches Patentblatt 1980, I. Teil, 90-94) entschieden, daß für ein Geschmacksmuster keine Priorität aus einer älteren Patentanmeldung geltend gemacht werden könne.
d) Da ein Prioritätsrecht aus einer Geschmacksmusterhinterlegung für eine Patentanmeldung in den Vertragsstaaten nicht allgemein anerkannt sei, könne Artikel 4 PVÜ nicht zur Grundlage einer über den Wortlaut der Bestimmung hinausgehenden Auslegung von Artikel 87 EPÜ gemacht werden.
VI. Mit Schreiben vom 26. Juni 1980 legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle ein, beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Zuerkennung der beanspruchten Priorität und begründete die Beschwerde. Die Beschwerdegebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet.
VII. In seiner Begründung bemängelte der Beschwerdeführer u.a., daß die Ausführungen der Eingangsstelle über die Praxis in den Vertragsstaaten zu wenig detailliert seien. Er führte aus, daß zumindest dann, wenn sich eine europäische Patentanmeldung auf die Bundesrepublik Deutschland erstrecke, das Recht anerkannt werden müßte, eine Geschmacksmusterpriorität für diesen Staat zu beanspruchen. Der Kommentar von Bodenhausen (Guide to the application of the Paris Convention for the Protection of Industrial Property, BIRPI 1968) und die Entscheidung des deutschen Bundespatentgerichts (4 W (pat) 138/77) seien zugunsten des Beschwerdeführers heranzuziehen. Die Meinungsverschiedenheiten auf der Londoner Revisionskonferenz von 1934 hätten einen Vorschlag für eine einheitliche Prioritätsfrist für alle gewerblichen Schutzrechte betroffen, so daß hieraus nichts für den vorliegenden Fall hergeleitet werden könne.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Artikel 87 (1) EPÜ schreibt vor, daß jedermann, der in einem oder mit Wirkung für einen Vertragsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums eine Anmeldung für ein Patent, ein Gebrauchsmuster, ein Gebrauchszertifikat oder einen Erfinderschein vorschriftsmäßig eingereicht hat, oder sein Rechtsnachfolger für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach der Einreichung der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht genießt.
3. Die Bestimmungen der Artikel 87 bis 89 und der Regel 38 EPÜ bilden zusammen eine vollständige und eigenständige Regelung des Rechts, das bei der Beanspruchung von Prioritäten für europäische Patentanmeldungen anzuwenden ist. Die Formulierungen dieser Vorschriften wurden zum größten Teil Artikel 4 PVÜ entnommen. Die Regelung dieser Gesetzesmaterie ist jedoch unabhängig von der Pariser Verbandsübereinkunft, und dies war auch beabsichtigt. Diese Regelung bildet einen Teil des den Vertragsstaaten gemeinsamen Rechts, das für die Erteilung von Erfindungspatenten geschaffen worden ist (Art. 1 EPÜ).
4. Bereits auf der dritten Sitzung der Arbeitsgruppe "Patente" vom 25. September bis 6. Oktober 1961 in Brüssel wurde entschieden, daß die Prioritätsfragen erschöpfend in dem damals geplanten Abkommen geregelt werden sollten und daß dieses Abkommen keine Verweisungen auf die Pariser Verbandsübereinkunft enthalten sollte (siehe Dokument IV/6514/61-D vom 13. November 1961, Seite 84). Ausdrücklich war von der Arbeitsgruppe festgestellt worden, daß eine Verweisung den Nachteil hätte, "daß rechtlich umstrittene Bestimmungen Anwendung finden würden". Auch bei den darauf folgenden Arbeiten wurde nicht von dieser Grundsatzentscheidung abgewichen; die verschiedenen späteren Entwürfe der entsprechenden Artikel wurden im Prinzip nur geändert, um diese Bestimmungen den Änderungen des Artikels 4 PVÜ anzupassen, es wurden aber keine anderen materiell bedeutsamen Änderungen vorgenommen.
Die Vereinigten Internationalen Büros zum Schutz des geistigen Eigentums (BIRPI) und deren Nachfolger, die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), Wächter der Pariser Verbandsübereinkunft, nahmen an der Ausarbeitung des Europäischen Patentübereinkommens in allen Phasen teil und stellten schließlich fest, daß die Pariser Verbandsübereinkunft "in vollem Umfang berücksichtigt worden ist" (Stellungnahme der WIPO in den "Stellungnahmen zu den Vorbereitenden Dokumenten" für die Münchner Diplomatische Konferenz 1973, M/27, vom 18. April 1973, II.1).
5. Das Europäische Patentamt kann nicht unmittelbar durch Artikel 4 PVÜ gebunden sein, da die Europäische Patentorganisation nicht Mitglied dieser Übereinkunft ist.
6. Wie sich aus den Ausführungen unter Nrn. 3 und 4 ergibt, sollen die Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens über die Priorität (Art. 87 bis 89, R. 38 EPÜ) nicht nur allgemeine Grundsätze festlegen. Der Wortlaut des Artikels 87 (1) EPÜ ist klar und scheint die in ihm behandelten Grundlagen für Prioritätsansprüche erschöpfend zu regeln. Da dieser Artikel nicht ausdrücklich vorsieht, daß jemand, der ein Geschmacksmuster hinterlegt hat, für die Anmeldung eines europäischen Patents ein Prioritätsrecht genießt, besteht "prima facie" ein solches Recht nicht.
7. Es darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß das Europäische Patentübereinkommen ein Sonderabkommen im Sinne des Artikels 19 der Pariser Verbandsübereinkunft ist und daß solche Abkommen nach dieser Bestimmung von den Verbandsländern geschlossen werden können, "sofern diese Abkommen den Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht zuwiderlaufen". Es stellt sich daher die Frage, ob Artikel 4 PVÜ allgemein so verstanden wird, daß die Hinterlegung eines Geschmacksmusters selbstverständlich das Recht verleiht, die Geschmacksmusterpriorität bei einer späteren Patentanmeldung in Anspruch zu nehmen. Eine solche einhellige Auffassung könnte möglicherweise zu einer über Wortlaut und Inhalt des Artikels 87 (1) EPÜ hinausgehenden Interpretation führen.
8. Nach Ansicht der Kammer geben die wiederholten Änderungen des Artikels 4 PVÜ, die auch zu seiner Ergänzung durch die Absätze C, E und I geführt haben, die Auffassung wieder, daß dann, wenn nach allgemeiner Meinung der Vertragsländer ein Prioritätsrecht für eine Patentanmeldung gewährt werden soll, das nicht auf einer früheren Patentanmeldung beruht, dies ausdrücklich vorzusehen ist.
So führt Absatz I, der 1967 auf der Stockholmer Diplomatischen Konferenz eingefügt wurde, in seinem 2. Unterabsatz als Grundlage von Prioritätsrechten für Erfinderscheine ausdrücklich nur Patente, Gebrauchsmuster und Erfinderscheine auf. Im übrigen stimmen die Formulierungen in verschiedenen neuen internationalen Übereinkommen auf dem Gebiet des Patentrechts immer darin überein, daß nur eine frühere Anmeldung zum Schutz einer Erfindung die Grundlage eines Prioritätsanspruchs in einer späteren Patentanmeldung sein kann.
9. Der Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT) bietet in dieser Beziehung ein besonders klares Beispiel. Artikel 8 (1) PCT sieht vor, daß eine internationale Patentanmeldung nach diesem Vertrag eine Erklärung enthalten kann, "mit der die Priorität einer oder mehrerer... früherer Anmeldungen beansprucht wird." Gemäß Artikel 2 (i) PCT bedeutet "Anmeldung", sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird, "eine Anmeldung für den Schutz einer Erfindung; Bezugnahmen auf eine "Anmeldung" sind zu verstehen als Bezugnahme auf Anmeldungen für Erfindungspatente, für Erfinderscheine, für Gebrauchszertifikate, für Gebrauchsmuster, für Zusatzpatente oder -zertifikate, für Zusatzerfinderscheine und Zusatzgebrauchszertifikate". Nirgends im Vertrag oder in den Regeln befindet sich eine "ausdrückliche" Bestimmung, nach der diese sehr genaue Begriffsbestimmung der "Anmeldung" bei der Anwendung von Artikel 8 (1) und Regel 4. 10 PCT auch eine frühere Hinterlegung eines Geschmacksmusters einschließen könnte. Es ist richtig, daß Artikel 8 (2) (a) PCT hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen auf Artikel 4 der Stockholmer Fassung der Pariser Verbandsübereinkunft verweist und daß Artikel 1 (2) PCT vorschreibt, daß keine Bestimmung des Zusammenarbeitsvertrags in einer Rechte aus der Pariser Verbandübereinkunft beeinträchtigenden Weise ausgelegt werden darf; die Nummern 11-15 unten befassen sich mit den Unterschieden in der Auslegung des Artikels 4 der Pariser Verbandsübereinkunft.
10. Die frühere, 1953 in Straßburg unterzeichnete Europäische Übereinkunft über Formerfordernisse bei Patentanmeldungen, die ebenfalls ein Sonderabkommen im Sinne der Pariser Verbandsübereinkunft war, enthielt als Anlage II ein Formular, das von den Vertragsstaaten zur Verwendung durch die Anmelder vorgeschrieben werden konnte, die für nationale Anmeldungen eine Priorität beanspruchen wollten. Der englische Text dieses Formulars, das zumindest in Großbritannien vorgeschrieben war, enthält folgende Erklärung: "(an) application(s) for protection for an invention or inventions has(ve) been made in . . ." usw. Es kann nicht unterstellt werden, daß die gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung dieses Formulars, das notwendigerweise Prioritätsansprüche aus Geschmacksmusterhinterlegungen oder Warenzeichenanmeldungen ausschloß, einen Bruch der Pariser Verbandsübereinkunft durch Großbritannien darstellte.
11. Entgegen den Darlegungen des Beschwerdeführers schreibt nach Auffassung der Kammer die Pariser Verbandsübereinkunft eindeutig vor, daß für Patentanmeldungen ein Prioritätsrecht nach der Übereinkunft dann besteht, wenn die frühere Anmeldung eine Anmeldung zum Schutz einer Erfindung ist (und auch die Erfindung offenbart). Mit der Hinterlegung eines Geschmacksmusters soll jedoch grundsätzlich eine ästhetische Formgestaltung geschützt werden. Das Geschmacksmuster mag auch eine Erfindung enthalten; nach den entsprechenden nationalen Geschmacksmustergesetzen schützt jedoch eine Geschmacksmusterhinterlegung nicht die Erfindung als solche. Der vom Beschwerdeführer herangezogene Kommentar von Bodenhausen unterstützt nicht die Argumentation des Beschwerdeführers. Dort wird nur - zu Recht - ausgeführt, daß in bestimmten Fällen Prioritätsansprüche für eine Art des Schutzes gewerblichen Eigentums auf Schutzansprüche anderer Art gestützt werden können, wobei Patente nicht erwähnt sind (siehe Bodenhausen, op. cit., Artikel 4 Abschnitt A Absatz (1) Anmerkung (i)).
12. Der Beschwerdeführer verweist vor allem auf Entscheidungen des deutschen Bundespatentgerichts, in denen für deutsche Gebrauchsmuster- und Patentanmeldungen Prioritätsansprüche aus Geschmacksmusteranmeldungen anerkannt worden sind. Die letzte Entscheidung (4 W (pat) 138/77 vom 25. April 1979), die einzige, die eine Patentanmeldung betrifft, stützt sich hauptsächlich auf die früher veröffentlichten Entscheidungen desselben Gerichts (BPatGE 9, 211 und 216, beide vom 10. November 1967) über Prioritätsansprüche für Gebrauchsmusteranmeldungen aus früheren Anmeldungen von "Design Patents" in den Vereinigten Staaten. In diesen Entscheidungen aus dem Jahre 1967 konnten natürlich nicht die neuesten internationalen Entwicklungen auf der Stockholmer Konferenz vom gleichen Jahr, der Washingtoner Diplomatischen Konferenz von 1970 (PCT) und der Münchner Diplomatischen Konferenz von 1973 (EPÜ) berücksichtigt werden. Diese Entscheidungen stützen sich weitgehend auf Ansichten, die Autoren in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts veröffentlicht haben.
13. Das Schweizerische Bundesgericht und der Österreichische Verwaltungsgerichtshof, beides letztinstanzliche Gerichte, kamen zu anderen Ergebnissen (siehe V. c). Ihre Entscheidungen, jüngeren Datums als die deutschen Entscheidungen von 1967, nehmen Bezug auf die Stockholmer Revisionskonferenz der Pariser Verbandsübereinkunft; die zuletzt erwähnte Entscheidung hat sich auch mit der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts auseinandergesetzt.
14. Die Kammer hält es nicht für notwendig oder zweckmäßig, die Rechtslage und Praxis hinsichtlich von Prioritätsansprüchen aus Geschmacksmustern für nationale Patentanmeldungen in den Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens näher zu untersuchen. Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, noch aus den von der Eingangsstelle erwähnten Dokumenten ergibt sich, daß ein Gericht eines anderen Vertragsstaats als der Bundesrepublik Deutschland ein Prioritätsrecht der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Art anerkannt hat.
15. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß die Pariser Verbandsübereinkunft, wenn sie unmittelbar anwendbar wäre, in den Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens nicht allgemein in einer dem Beschwerdeführer günstigen Weise ausgelegt würde. Daraus ergibt sich als Antwort auf die unter Nummer 7 Absatz 2 gestellte Frage, daß keine Veranlassung besteht, Artikel 87 (1) EPÜ über seinen Wortlaut und Inhalt hinaus auszulegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle vom 23. Mai 1980 wird zurückgewiesen.