J 0018/16 () of 8.2.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:J001816.20170208
Datum der Entscheidung: 08 Februar 2017
Aktenzeichen: J 0018/16
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 90(3)
European Patent Convention Art 90(5)
European Patent Convention R 46(1)
European Patent Convention R 46(2)(a)
European Patent Convention R 46(2)(c)
European Patent Convention R 46(2)(d)
European Patent Convention R 46(2)(i)
European Patent Convention R 49
European Patent Convention R 57(i)
European Patent Convention R 58
European Patent Convention R 99(2)
European Patent Convention R 103(1)
European Patent Convention R 111(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 11
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 17
Schlagwörter: Mängel betreffend die Form der Zeichnungen - Fehlende Begründung (ja)
Verstoß gegen die Begründungspflicht als wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0231/14

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführer (gemeinsame Anmelder) haben am 4. September 2015 einen Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents gestellt und hierfür achtzehn Seiten Beschreibung, sechs Patentansprüche und drei Seiten Zeichnungen (Figuren 1 - 5) eingereicht.

II. Am 28. September 2015 hat die Eingangsstelle in einer Formularmitteilung nach Regel 58 EPÜ (EPA Form 1050C 12.14) auf Mängel betreffend die Anmeldungsunterlagen (Regel 57 EPÜ) durch Ankreuzen der Punkte (b), (c), (d) und (e) der Anlage C ("Mängel betreffend die Form der Zeichnungen") hingewiesen und damit folgendes festgestellt:

"Die Zeichnungen der europäischen Patentanmeldung weisen folgende Mängel auf:

Einige/Die Zeichnungen

(b) weisen Umrahmungen um die benutzbare/benutzte Fläche auf (R. 46 (1) EPÜ).

(c) sind nicht in schwarzen, in sich gleichmässig starken und klaren Linien oder Strichen ohne Farben oder Tönungen ausgeführt (R. 46 (2) a) EPÜ).

(d) sind nicht so ausgeführt, dass eine fotografische Wiedergabe auch bei Verkleinerung auf zwei Drittel alle Einzelheiten noch ohne Schwierigkeiten erkennen lässt (R. 46 (2) c) EPÜ).

(e) enthalten Zahlen, Buchstaben und/oder Bezugszeichen, die nicht einfach und eindeutig sind (R. 46 (2) d) EPÜ)."

III. Für die Beseitigung der Mängel wurde eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Innerhalb dieser Frist, am 25. November 2015, ist eine Stellungnahme seitens der Anmelder eingegangen. Als Anlage wurden neue Figuren 1 bis 5 und Korrekturen der Bezugszeichen auf den Beschreibungsseiten 15 bis 18 eingereicht.

IV. Mit einer Formularmitteilung (EPA Form 1120 12.09) vom 4. Dezember 2015 hat die Eingangsstelle mitgeteilt, dass die mit Eingabe der Anmelder vom 25. November 2015 eingereichten Unterlagen nicht mit den bisherigen Anmeldungsunterlagen übereinstimmten. Den Anmeldern wurde die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Frist von zwei Monaten Unterlagen einzureichen, die gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nur insoweit zu ändern seien, als es zur Mängelbeseitigung laut Bescheid der Eingangsstelle vom 28. September 2015 erforderlich sei. Innerhalb dieser Frist ist keine Stellungnahme seitens der Anmelder eingegangen.

V. Mit Formularentscheidung (EPA Form 1088 08.10) vom 29. März 2016 hat die Eingangsstelle die europäische Patentanmeldung nach Artikel 90 (5) EPÜ mit folgendem Wortlaut zurückgewiesen:

"Der von der Eingangsstelle in EPA Form 1050C festgestellte Mangel ist nicht rechtzeitig bzw. nicht ordnungsgemäß beseitigt worden.

Er betrifft: Form der Anmeldungs- bzw. Ersatzunterlagen.

Weitere Angaben zu dem noch bestehenden Mangel:

Rechtsmittelbelehrung..."

VI. Gegen diese Entscheidung haben die Anmelder Beschwerde eingelegt, diese auch begründet und die vorgeschriebene Beschwerdegebühr bezahlt.

VII. Sie beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Änderungen der Beschreibung gemäß der Eingabe vom 25. November 2015 als Änderung im Rahmen der Regel 58 EPÜ zuzulassen und die Bearbeitung der Patentanmeldung mit den folgenden Unterlagen fortzusetzen:

- Seiten 1 bis 14 der ursprünglich eingereichten Unterlagen,

- Seiten 15 bis 18 der Anlage zur Eingabe vom 25. November 2015,

- Seiten 19 und 20 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, enthaltend die Patentansprüche 1 bis 6, und

- Figuren 1 bis 5 auf den Figurenseiten 1 bis 3 der Anlage zur Eingabe vom 25. November 2015,

hilfsweise, die Formalprüfung mit den folgenden Unterlagen abzuschließen:

- Seiten 1 bis 20 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, enthaltend die Patentansprüche 1 bis 6,

- Figuren 1 bis 5 auf den Figurenseiten 1 bis 3 der Anlage zur Eingabe vom 25. November 2015;

und weiter hilfsweise, die Formalprüfung mit den folgenden Unterlagen abzuschließen:

- Seiten 1 bis 20 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, enthaltend die Patentansprüche 1 bis 6;

- Figuren 1 bis 3 auf den Figurenseiten 1 und 2 der Anlage zur Eingabe vom 25 November 2015;

- Figuren 4 und 5 auf der Figurenseite 3 der Anlage zur Beschwerdebegründung.

Weiterhin wurde ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

VIII. Zur Begründung führen die Anmelder aus, dass die angesprochenen Mängel in den Zeichnungen mit den am 25. November 2015 eingereichten Unterlagen behoben worden seien. Weiterhin sei die Angabe von Bezugszeichen in der Beschreibung entsprechend den vorgenommenen Änderungen der Bezugszeichen in den Figuren 4 und 5 geändert worden. Eine andere Vorgehensweise hätte zur Folge gehabt, dass damit ein Verstoß gegen Regel 57 i) und Regel 46 (2) i) EPÜ eingeführt worden wäre.

IX. In einer Mitteilung nach Artikel 17 VOBK hat die Kammer die Beschwerdeführer über ihre vorläufige Meinung in Kenntnis gesetzt. In Antwort darauf haben die Beschwerdeführer bestätigt, dass sie eine mündliche Verhandlung vor der Kammer als nicht erforderlich erachteten. Die Entscheidung erging daher im schriftlichen Verfahren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Grundlage der Entscheidung der Eingangsstelle ist Artikel 90 (5) i.V.m. Artikel 90 (3) EPÜ. Nach diesen Vorschriften prüft das EPA nach Maßgabe der Ausführungsordnung unter anderem, ob den in der Ausführungsordnung festgelegten Erfordernissen entsprochen worden ist, und weist die Anmeldung zurück, wenn ein bei dieser Prüfung festgestellter Mangel nicht beseitigt wird.

3. Nach Artikel 90 (3) i.V.m. Regel 57 i) EPÜ ist Gegenstand der Prüfung, ob die Anmeldung die in Regel 46 und Regel 49 Absätze 1 bis 9 und 12 EPÜ vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllt.

4. In der Mitteilung der Eingangstelle vom 28. September 2015 wurden als Mängel angesehen, dass die mit den Anmeldeunterlagen eingereichten Zeichnungen Umrahmungen um die benutzbare/benutzte Fläche aufwiesen, nicht in schwarzen, in sich gleichmäßig starken und klaren Linien oder Strichen ohne Farben oder Tönungen ausgeführt seien, nicht so ausgeführt seien, dass eine fotografische Wiedergabe auch bei Verkleinerung auf zwei Drittel alle Einzelheiten noch ohne Schwierigkeiten erkennen lasse, sowie Zahlen, Buchstaben und/oder Bezugszeichen enthielten, die nicht einfach und eindeutig seien.

Verstoß gegen die Begründungspflicht - wesentlicher Verfahrensmangel - Artikel 11 VOBK

5. Die angefochtene Entscheidung verweist lediglich auf diese Formularmitteilung und enthält im formularmäßig vorgesehenen Abschnitt "Weitere Angaben zu dem noch bestehenden Mangel" keine weiteren Ausführungen. Sie lässt damit völlig offen, warum die Eingangsstelle der Auffassung ist, dass die am 25. November 2015 eingereichten Unterlagen die beanstandeten Mängel nicht beseitigt haben bzw. inwieweit damit unter Verstoß gegen Regel 58 Satz 2 EPÜ Änderungen vorgenommen wurden, die über das hinausgehen, was zur Mängelbeseitigung erforderlich wäre.

6. Regel 111 (2) EPÜ bestimmt unter anderem, dass Entscheidungen des Europäischen Patentamts, die mit der Beschwerde angefochten werden können, zu begründen sind. Dieses Begründungserfordernis dient dazu, es dem Beschwerdeführer und der Kammer zu ermöglichen, zu verstehen, ob die Entscheidung gerechtfertigt ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage 2016, III.K.4.2). Dies ist hier nicht der Fall, weil, wie unter Punkt 5 ausgeführt, nicht erkennbar ist, weshalb die am 25. November 2015 eingereichten Unterlagen die von der Eingangsstelle mit Mitteilung vom 28. September 2015 (EPA Form 1050C) beanstandeten Mängel nicht beseitigt haben bzw. inwieweit damit Änderungen vorgenommen wurden, die über das hinausgehen, was zur Mängelbeseitigung erforderlich wäre.

7. Die Beteiligten an einem Verfahren vor dem EPA haben gemäß Regel 111 (2) EPÜ einen Anspruch auf die Begründung einer Entscheidung. Eine solche Begründung stellt ein grundlegendes Verfahrensrecht dar. Es soll den von der Entscheidung Betroffenen in die Lage versetzen, die Argumentationskette des entscheidenden Organs, die die Grundlage für das Entscheidungsergebnis bildete, nachvollziehen und mögliche Erfolgsaussichten einer Beschwerde als Rechtsmittel beurteilen zu können. Damit wird auch gewährleistet, dass der Betroffene im Falle der Einlegung einer Beschwerde seinen Verpflichtungen nach Regel 99 (2) EPÜ nachkommen kann, nämlich darzulegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist. Weiterhin ermöglicht nur eine ausreichend begründete erstinstanzliche Entscheidung es einer Beschwerdekammer, diese auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen, ohne Mutmaßungen über die möglichen Erwägungen, die zu dem Ergebnis der Entscheidung geführt haben, anstellen zu müssen. Daher stellt das Fehlen einer Begründung einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

8. Nach Artikel 11 VOBK verweist die Kammer die Angelegenheit an die erste Instanz zurück, wenn das Verfahren vor der ersten Instanz wesentliche Mängel aufweist, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückverweisung sprechen. Derartige Gründe sind vorliegend nicht ersichtlich und wurden seitens der Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht, so dass die Kammer die Angelegenheit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung unmittelbar, d.h. ohne weitere Prüfung in der Sache, an die Eingangsstelle zurückverweist.

Rückzahlung der Beschwerdegebühr

9. Im vorliegenden Fall haben die Anmelder zur Mitteilung der Eingangsstelle vom 28. September 2015 Stellung genommen. Da der Beschwerde stattgegeben wird und die angefochtene Entscheidung an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, entspricht es nach Ansicht der Kammer dem Grundsatz der Billigkeit gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Eingangsstelle zurückverwiesen.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

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