European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:J000712.20130125 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 25 Januar 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0007/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06819731.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A23L 1/05 A23L 1/09 A21D 13/00 A61K 9/00 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Basismaterial für die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln | ||||||||
Name des Anmelders: | Thelen, Alois | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Euro-PCT Anmeldung 06 819 731.8 wurde am 23.11.2006 im Namen von MABEA INTERNATIONAL TRANSPORT EXPRESSSERVICE THELEN GmbH als internationale Anmeldung PCT/EP2006/068857 unter Beanspruchung drei Prioritäten (von jeweils 29.11.2005, 16.01.2006 und 05.04.2006) eingereicht.
II. Die Anmeldung ist in die regionale Phase vor dem Europäischen Patentamt (EPA) am 21.05.2005 eingetreten. Die Anmelde-, Recherche-, Prüfungs-, Benennungs- und zwei Anspruchsgebühren wurden an diesem Datum bezahlt und ein zugelassener Vertreter wurde bestellt. Gleichzeitig wurde die Änderung des Namens der Anmelderin auf GET - Internationale GmbH mitgeteilt.
III. Mit Schreiben vom 07.01.2010 teilte das EPA dem Vertreter nach Regel 51 (2) EPÜ mit, dass die am 30.11.2009 fällig gewordene Jahresgebühr für das 4. Jahr nicht bezahlt worden sei, und wies daraufhin, dass dies bei gleichzeitiger Zahlung einer Zuschlagsgebühr noch bis zum letzten Tag des 6. Kalendermonats nach Fälligkeit nachgeholt werden könne.
IV. Mit der auf den 08.07.2010 datierten Feststellung eines Rechtverlustes nach Regel 112 (1) EPÜ unterrichtete die Prüfungsabteilung den Vertreter, dass die Anmeldung gemäß Artikel 86 (1) EPÜ wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr für das 4. Jahr als zurückgenommen gelte. Auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde hingewiesen.
V. Am 28.07.2010 wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Die Gebühr für die Wiedereinsetzung und die Jahresgebühr für das 4. Jahr einschließlich Zuschlagsgebühr wurden am selben Tag entrichtet.
Der Vertreter erklärte, dass die Anmelderin ihn per Fax vom 31.05.2010 zur Zahlung der fällig gewordenen Jahresgebühr beauftragt habe. Der Auftrag erreichte das Faxgerät der Kanzlei des Vertreters um 16:03 Uhr (Winterzeit, laut Angabe des Vertreters, also richtig: 17:03 Uhr). Aufgrund eines Druckproblems des Empfanggerätes - was vermutlich zu etwa dieser Zeit aufgetreten sein solle - sei das Fax nicht ausgedruckt worden, so dass der noch anwesende Bürovorsteher es nicht habe zur Kenntnis nehmen können. Das Druckproblem sei erst am nächsten Tag festgestellt worden, da über Nacht keine Faxe eingegangen wären, was ungewöhnlich wäre und den Bürovorsteher zur Überprüfung des Gerätes veranlasst habe. Durch dieses Ereignis sei der Vertreter trotz Beachtung aller den gegebenen Umständen gebotener Sorgfalt verhindert gewesen, die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr für das 4. Jahr mit Zuschlag zu wahren.
Kopien eines Auszuges aus dem Fax-Log, des Zahlungsauftrags (handdatiert auf den 31. Mai 2010) und des Überweisungsscheins des Gebührenbetrages auf das Konto des Vertreters (mit der maschinell aufgebrachten Meldung: "Der Auftrag wurde entgegengenommen. 31. Mai 2010 um 15:58:49 Uhr") wurden zur Akte gegeben.
VI. Mit der Mitteilung gemäß Artikel 113 EPÜ vom 15.10.2010 teilte die Prüfungsabteilung dem Vertreter ihre vorläufige Auffassung mit, nämlich dass die Anmelderin nicht mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt habe. Die Anmelderin habe weder sichergestellt, dass ihre gefaxte Zahlungsanweisung erhalten wurde, noch dass der Vertreter in der Lage war, die Zahlung noch rechtzeitig zu tätigen.
VII. In seiner Stellungnahme vom 27.12.2010 vertrat der Vertreter die Auffassung, dass im Hinblick auf seine Bürozeiten, die bis um 17:30 Uhr laufen, die Übermittlung der Anweisung um 17:03 Uhr noch rechtzeitig gewesen sei, um eine ordentliche Umsetzung zu gewährleisten und wies auf eine Euro-PCT Akte auf, wo die Anweisung, in die europäische Phase einzutreten unter quasi identische Umstände übermittelt und alles problemlos und erfolgreich erledigt wurde. Im Übrigen dürfe unter normalen Umständen der Sender eines Fax von seinem ordnungsgemäßen Eingang beim Empfänger ausgehen, insbesondere wenn der Empfänger eine große Patentanwaltskanzlei ist. Daher habe der Anmelder die erforderliche Sorgfaltspflicht walten lassen.
VIII. Mit Entscheidung vom 17.02.2011 wies die Prüfungsabteilung den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück, da die gebotene Sorgfalt von der Anmelderin nicht beachtet worden sei. In Fällen, bei denen das Versäumnis einer Frist zu einem unwiderruflichen Rechtsverlust führe, müsse sich der Anmelder vergewissern, dass der Vertreter seine Anweisungen rechtzeitig erhalten und davon Kenntnis genommen habe.
IX. Mit Brief vom 21.04.2011 teilte der Vertreter die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Anmelderin mit und beantragte die Unterbrechung des Erteilungsverfahrens. Der entsprechende Beschluss vom 08.03.1011 des Amtsgerichtes Aachen wurde in Kopie beigefügt.
X. Mit Mitteilung vom 09.05.2011 (im Dokument 2010) informierte die Rechtabteilung den Insolvenzverwalter über die Unterbrechung des Verfahrens ab dem 08.03.2011 in Anwendung von Regel 142 (1) b) EPÜ. Die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß Regel 142 (2) EPÜ wurde für den 01.12.2011 festgelegt.
XI. Mit Brief vom 16.12.2011 wurde die Registrierung des Rechtsübergangs der Anmeldung auf Herrn Alois Thelen mitgeteilt.
XII. Mit Eingabe vom 10.01.2012 wurde Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde hilfsweise beantragt.
XIII. Die Beschwerdebegründung wurde am 02.04.2012 per Fax eingereicht.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers habe die Prüfungsabteilung im konkreten Fall eine höhere Sorgfaltspflicht dem Anmelder auferlegt als bei der direkten Übermittlung eines Fax an das EPA, ob durch den Vertreter oder den Anmelder selbst, wo bei erfolgter Übermittlung keine Bestätigung des korrekten Eingangs erforderlich sei, sondern vielmehr davon ausgegangen werde, dass das Fax korrekt eingegangen sei. Darüber hinaus und im Hinblick auf die im Wiedereinsetzungsantrag erwähnte Euro-PCT Akte wurde argumentiert, dass der Anmelder nicht habe wissen können, welche Fristen unwiderruflich den Verlust der Anmeldung zur Folge haben, so dass er in solchen Fällen mit noch erhöhter Sorgfalt handeln könnte.
XIV. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 12. September 2012 erging eine Mitteilung mit der vorläufigen Meinung der Juristischen Beschwerdekammer zu der Sach- und Rechtslage des vorliegenden Falles.
XV. Mit Eingabe vom 22. November 2012 vertrat der Beschwerdeführer die Meinung, dass die Beschwerdekammer "die Anforderung für die gebotene Sorgfalt einer Einzelperson als Anmelder mit der Sorgfaltspflicht eines professionellen Vertreters gleich stellt", was der etablierten Rechtsprechung der Beschwerdekammern widerspreche.
XVI. Die mündliche Verhandlung vor der Juristischen Beschwerdekammer fand am 25. Januar statt. Im Wesentlichen trug der Beschwerdeführer seine schriftlich vorgelegten Argumente detailliert vor. Er betonte nochmals seine Ansicht, dass die Kammer die Schwelle der gebotenen Sorgfalt sehr hoch setze.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 17.02.2011, womit der Antrag des Anmelders nach Artikel 122 EPÜ auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr für das 4. Jahr zurückgewiesen wurde.
Der Anmelder beantragt, diese Entscheidung aufzuheben und dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben.
Sie ist zulässig, da sie innerhalb der in Artikel 108 in Verbindung mit Regel 142 (4) EPÜ vorgesehenen Fristen nach Wiederaufnahme des Verfahrens eingereicht wurde.
2. Im Hinblick auf die Tatsache, dass keine neue Beweise oder Argumente als Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer - wie sie mit dem Bescheid zu der Ladung zu mündlichen Verhandlung dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde - eingereicht oder vorgetragen wurden, sieht die Kammer auch nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass, ihre erwähnte vorläufige Meinung zu ändern.
3. Wie im Bescheid ausführlich dargelegt, kann einem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben werden, wenn der Anmelder trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen erforderlichen Sorgfalt verhindert gewesen ist, gegenüber dem EPA eine Frist einzuhalten (Artikel 122 (1) EPÜ).
Nach ständiger Rechtsprechung trifft die in Artikel 122 EPÜ auferlegte Sorgfaltspflicht sowohl den Anmelder als auch den Vertreter (J 3/93 vom 22.02.94, Gründe 2.1; T 381/93 vom 12.08.94, Gründe 6; J 17/03 vom 18.06.04, Gründe 5; J 1/07 vom 25.07.07, Gründe 4.1, 4.7; s. auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 6. Auflage 2010, VI.E.7.3.1), wobei die Sorgfaltspflicht des Vertreters von dem Verhältnis abhängt, das zwischen ihm und seinem Mandanten besteht (J 19/04 vom 14.07.05, Gründe 9; J 1/07 vom 25.07.07, Gründe 4.1).
4. Wie in der angefochtenen Entscheidung korrekt festgestellt wurde, hat der Vertreter seinen Mandant rechtzeitig und deutlich auf die Fälligkeit hingewiesen. Das Erinnerungsschreiben des Vertreters, datierend vom 9. April 2010, enthält alle nötige Informationen und ist auch zudem mit dem Hinweis "LETZTE FRIST" versehen. Aus dem Schreiben ergibt sich eindeutig, dass der Vertreter die Jahresgebühren nur auf Anweisung des Anmelders bezahlen durfte. Die dafür benötigte Geldmittel erhielt der Vertreter zusammen mit der entsprechende Anweisung.
Daraus folgt, dass die Pflicht, sich mit aller den Umständen entsprechende Sorgfalt um die Einhaltung der Zahlungsfrist zu bemühen, allein dem Anmelder obliegt. Die fehlerfreie Arbeit des Vertreters schützt aber den Mandanten vor den Folgen eigenen Fehlverhaltens oder eigener Nachlässigkeit nicht (J 3/93 vom 22.02.94; T 381/93 vom 12.08.94; J 16/93 vom 20.06.95; J 17/03 vom 18.06.04).
5. Das Argument, dass der Anmelder nicht habe wissen können, welche Fristen unwiderruflich den Verlust der Anmeldung zur Folge haben, reicht nicht als Nachweis aller gebotenen Sorgfalt aus. Sein Nicht-Wissen belegt vielmehr die Notwendigkeit, viel vorsichtiger, daher auch erheblich früher als am letzten Tag der Nachfrist, zu handeln. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammern können Unkenntnis oder falsche Auslegung einer Bestimmung des EPÜ die Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen. Dieser Grundsatz gilt im Übrigen auch für einen nicht vertretenen Einzelanmelder (J 2/02 vom 09.07.02).
6. Im Übrigen gilt, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, dass wenn sich jemand in eine Situation begibt, in der er nicht sicher sein kann, dass die nötige Handlung rechtzeitig vorgenommen werden kann, er riskiert, dass seinem Rechtsbegehr der Erfolg versagt bleibt (s. J 16/92 vom 25.04.94).
Im vorliegenden Fall ist die Übermittlung der Zahlungsanweisung am späten Nachmittag des letzten Tages der Nachfrist für die Zahlung der Jahresgebühr nebst Zuschlagsgebühr erfolgt. Dadurch schöpfte der Beschwerdeführer diese Nachfrist (fast) völlig aus. Diese Handlungsweise ist per se zulässig, beinhaltet aber zugleich ein gegebenenfalls vom Beschwerdeführer (mit) zu vertretendes Risiko für Fehler bei dem Empfang und der Ausführung seiner Anweisung. Unter diesen Umständen hätte es dem Beschwerdeführer oblegen, sich bei seinem zugelassenen Vertreter oder dessen Büromitarbeiter zu erkundigen, ob die Anweisung eingegangen und fristgerecht ausgeführt worden ist oder werden würde (T 1289/10 vom 13.04.11; J 16/92 vom 25.04.94). Diese Erwartung stellt keine unangemessen hohe Sorgfaltspflicht für den Anmelder dar, wie vom Beschwerdeführer in extenso sowohl schriftlich als auch mündlich argumentiert, sondern lediglich eine an den konkreten Umständen orientierte Sorgfalt im eigenen Interesse. Die Erkundigungsobliegenheit resultiert damit zum einen aus der Tatsache, dass der Anmelder durch das Ausreizen der Frist die besondere Gefahr begründet hat, dass Übermittlungsverzögerungen zu Fristüberschreitungen führen, zum anderen liegt sie in dem Umstand begründet, dass - anders als bei last-minute-Übermittlungen direkt an das Amt - der Auftrag des Anmelders an seinen Vertreter noch innerhalb der Sphäre des Anmelders liegt und die Zwischenschaltung des Vertreters naturgemäß ein weiteres Übermittlungsrisiko birgt.
7. Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, dass die Voraussetzungen des Artikels 122(1) EPÜ und der Regel 136 EPÜ nicht erfüllt sind, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.