J 0001/09 (Otoplastik für Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte/ERICH BAYER) of 6.10.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:J000109.20091006
Datum der Entscheidung: 06 October 2009
Aktenzeichen: J 0001/09
Anmeldenummer: 03007811.7
IPC-Klasse: H04R 25/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Otoplastik für Hinter-dem-Ohr(HdO)-Hörgeräte
Name des Anmelders: Bayer, Erich
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 106
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention Art 112(1)(a)
European Patent Convention R 15
European Patent Convention R 99
European Patent Convention R 103(1)
European Patent Convention 1973 Art 33(1)(b)
European Patent Convention 1973 Art 35
European Patent Convention 1973 Art 94(2)
European Patent Convention 1973 Art 94(3)
European Patent Convention 1973 Art 150(2)
European Patent Convention 1973 R 107(1)
European Patent Convention 1973 R 107(2)
PCT2003 Art 011(3)
PCT2003 Art 034(3)(a)
RFees 2003: Art 2Nr. 6
RFees 2003: Art 012(2)
VCLT: Art 031(1)
Schlagwörter: Ermässigung der Prüfungsgebühr (nein)
Orientierungssatz:

Regel 107(2) EPÜ 1973 regelt die Ermässigung der Prüfungsgebühr nach Eintritt einer internationalen Anmeldung in die europäische Phase. Sie ist nicht auf Teilanmeldungen anwendbar

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/83
G 0002/97
G 0004/98
G 0001/05
J 0017/98
J 0014/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 12. Dezember 2008 eingereichte Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 22. Oktober 2008, mit der ein Antrag des Anmelders auf Rückzahlung von 50% der gezahlten Prüfungsgebühr zurückgewiesen wurde.

II. Die im Verfahren der Beschwerde zu Grunde liegende Anmeldung 03007811.7 ist eine Teilanmeldung zur Stammanmeldung 00969502.4, die aus der internationalen Anmeldung PCT/EP/00010109 hervorging.

1. In der internationalen Anmeldung PCT/EP/00010109 stellte der Anmelder (nunmehr Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren) einen Antrag auf vorläufige Prüfung gemäß Kapitel II des Vertrags über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT 2003) und zahlte die entsprechende Prüfungsgebühr ein. Das Europäische Patentamt (EPA) war die mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde. Mit Bescheid des EPA vom 25. Juli 2001 wurde der Beschwerdeführer wegen des Einwands der Uneinheitlichkeit aufgefordert, eine zusätzliche Prüfungsgebühr einzuzahlen oder die Ansprüche einzuschränken, da zwei Erfindungen beansprucht würden. Der Beschwerdeführer entrichtete am 9. August 2001 die angeforderte (zweite) Prüfungsgebühr. Der am 10. September 2001 erstellte Prüfungsbericht behandelte dementsprechend beide Prüfungsgegenstände.

2. Die internationale Anmeldung PCT/EP/00010109 trat am 14. Mai 2002 unter Anmeldenummer 00969502.4 in die europäische Phase ein. Der Anmeldung lagen geänderte neue Ansprüche zu Grunde. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 teilte die Prüfungsabteilung dem Beschwerdeführer mit, dass der in der internationalen Phase erhobene Einwand der Uneinheitlichkeit aufrecht erhalten bleibe und die zu streichende Gruppe von Erfindungen in einer Teilanmeldung weiter verfolgt werden könne. Der Beschwerdeführer beschränkte den Gegenstand des Verfahrens entsprechend diesem Bescheid und erhielt antragsgemäß zu diesem Gegenstand mit zum Teil geänderten Ansprüchen ein Patent erteilt. In diesem Verfahren wurde gemäß Regel 107(2) EPÜ 1973 eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr von 50% gewährt.

III. Am 4. April 2003 reichte der Beschwerdeführer zur Stammanmeldung 00969502.4 die vorliegende Teilanmeldung mit der Anmeldenummer 03007811.7 ein. Die Prüfungsgebühr in Höhe von EUR 1430 wurde am 4. April 2003 und 22. Mai 2003 entrichtet.

IV. Mit Schreiben vom 4. August 2003 beantragte der Beschwerdeführer die Rückzahlung verschiedener Gebühren und hilfsweise die Rückerstattung von 50% der Prüfungsgebühr in Höhe von EUR 715,00. Da der Beschwerdeführer in der internationalen Anmeldung zwei volle Prüfungsgebühren bezahlt habe, sei die Prüfungsgebühr in der Teilanmeldung ebenfalls zu reduzieren.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2004 machte der Beschwerdeführer den zuvor gestellten Hilfsantrag zur Rückerstattung von 50% der Prüfungsgebühr zum Hauptantrag.

V. Mit Schreiben vom 25. August 2004 teilte der Formalprüfer dem Beschwerdeführer mit, dass die in Regel 107(2) EPÜ 1973 in Zusammenhang mit Artikel 12(2) der Gebührenordnung (im Folgenden: GebO 2003) gewährte Ermäßigung von 50% der Prüfungsgebühr nicht auf Teilanmeldungen anwendbar sei und daher dem Antrag nicht stattgegeben werden könne.

VI. Hierauf bat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. Januar 2005 um Überprüfung der mitgeteilten Rechtsauffassung, da sich die Teilanmeldung auf einen Gegenstand beziehe, für den bereits im vorgegangenen internationalen vorläufigen Prüfungsverfahren eine (zweite) internationale Prüfungsgebühr entrichtet worden sei.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2006 wies der Beschwerdeführer ergänzend darauf hin, dass Regel 107(2) EPÜ 1973 anwendbar sein dürfte, da das EPA auch für die Teilanmeldung das ausgewählte Amt sei und beantragte hilfsweise eine beschwerdefähige Entscheidung.

VII. Mit der auf 28. März 2008 datierten Mitteilung nach Artikel 113(1) EPÜ 1973 begründete der Formalprüfer die Auffassung der Prüfungsabteilung eingehend, warum Regel 107(2) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 12(2) GebO 2003 nur auf die Stammanmeldung, nicht aber auf die hierzu eingereichte Teilanmeldung anzuwenden sei.

VIII. In seiner Erwiderung vom 7. April 2008 vertiefte der Beschwerdeführer seine Rechtsausführungen und beantragte den Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung, sofern die Prüfungsabteilung seiner Ansicht nicht folge.

IX. Mit ihrer auf den 22. Oktober 2008 datierten Entscheidung wies die Prüfungsabteilung den Antrag auf Erstattung von 50% der nach Artikel 94(2) EPÜ 1973 entrichteten Prüfungsgebühr zurück.

In den Entscheidungsgründen führte die Prüfungsabteilung aus, dass Regel 107(2) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 12(2) GebO 2003 sich ausschließlich auf das Verfahren vor dem EPA bezögen, wenn die internationale Anmeldung in die europäische Phase eingetreten sei und das EPA einen internationalen vorläufigen Prüfungsbericht erstellt habe. Diese Vorschriften fänden daher ausschließlich auf die Stammanmeldung Anwendung, nicht aber auf die hierzu eingereichte Teilanmeldung. Diese sei als rein europäische Anmeldung zu betrachten, auch wenn die Stammanmeldung auf einer internationalen Anmeldung beruhe. Die europäische Teilanmeldung habe keinen Bezug zur internationalen Wurzel der Stammanmeldung. Für eine Reduzierung der Prüfungsgebühr in der Teilanmeldung gebe es im EPÜ keine Rechtsgrundlage. Eine Änderung der Gesetzeslage habe sich auch nicht durch das Inkrafttreten des EPÜ 2000 ergeben.

X. Mit auf 9. Dezember 2008 datiertem Schreiben legte der Beschwerdeführer am 12. Dezember 2008 Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 22. Oktober 2008 ein, erteilte Auftrag zur Abbuchung der Beschwerdegebühr und begründete die Beschwerde.

Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, den Betrag in Höhe von 50% der Prüfungsgebühr, d.h. EUR 715,00 zurückzuerstatten, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten und hilfsweise, Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

XI. Zur Begründung seiner Anträge wiederholte der Beschwerdeführer seine in seiner Erwiderung vom 7. April 2008 gemachten Ausführungen. Zur Anwendung von Regel 107(2) EPÜ 1973 auf alle Fälle, in denen ein Prüfungsbericht sich auf einen im internationalen Prüfungsverfahren erstellten Prüfungsbericht stützen könne, verwies der Beschwerdeführer auf den Wortlaut dieser Vorschrift. Die Entscheidung verneine zu Unrecht einen Bezug zur Wurzel der internationalen Anmeldung, da die Teilanmeldung auf die Stammanmeldung und damit auch auf die internationale Anmeldung Bezug nähme. Regel 107(2) EPÜ 1973 sei daher unmittelbar anwendbar.

Selbst wenn die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten sollte, dass eine Rückerstattung in Höhe von 50% der Prüfungsgebühr auf der Grundlage des EPÜ nicht gerechtfertigt sei, dann sei dem gestellten Antrag gleichwohl aus dem Grundsatz von Treu und Glauben stattzugeben. Das EPA habe die in der internationalen Phase versandte Aufforderung (Formblatt PCT/IPEA/405) zur Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung zusätzlicher Gebühren fehlerhaft abgefasst. Es läge auf der Hand, dass sich ein Anmelder zur Zahlung der zusätzlichen, nicht unerheblichen Prüfungsgebühr nur dann entschließe, wenn er in den Genuss der in der Gebührenordnung festgelegten Gebührenermäßigung komme. Wenn es gängiger Praxis des EPA entsprechen sollte, diese Gebührenermäßigung für eine spätere Weiterverfolgung der uneinheitlichen Teile in dann notgedrungener Maßen einzureichenden Teilanmeldungen nicht zu gewähren, hätte es in einem solchen Formblatt der Aufnahme eines entsprechenden Warnhinweises bedurft. Das Fehlen eines solchen Warnhinweises begründe einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, was darüber hinaus auch eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertige.

XII. In der Mitteilung der Beschwerdekammer vom 21. April 2009 wies die Kammer daraufhin, dass sie in ihrer Entscheidung J 14/07 vom 2. April 2009 entschieden habe, dass Regel 107(2) EPÜ 1973 nicht auf Teilanmeldungen anwendbar sei und dass die Kammer ohne ausdrückliche Gesetzesgrundlage kein Ermessen habe, eine Gebührenermäßigung deshalb zu gewähren, weil bei einer ähnlichen, aber nicht identischen prozessualen Situation eine Ermäßigung zu gewähren ist.

XIII. Mit Schreiben vom 4. Mai 2009 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass abweichend vom Sachverhalt in der Entscheidung J 14/07 vom 2. April 2009 im internationalen Prüfungsverfahren zur im vorliegenden Verfahren maßgebenden Stammanmeldung zwei internationale vorläufige Prüfungsgebühren entrichtet, aber die Rückerstattung von 50% nur für eine der Prüfungsgebühren gewährt worden sei.

Die Beschwerde sei nicht dahin zu verstehen, dass die Kammer irgendein Ermessen ausschöpfen solle. Es gehe vielmehr darum, mit der Beschwerde die Rechtsgrundlage für eine analoge Anwendung der Regel 107(2) EPÜ 1973 in Verbindung mit der Gebührenordnung zu schaffen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr werde nicht darauf gestützt, dass das EPA als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde einen Fehler gemacht habe, sondern darauf, dass das EPA verfahrensfehlerhaft nicht die 50%ige Ermäßigung der Prüfungsgebühr gewährt habe.

Der Beschwerdeführer hielt seinen hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung aufrecht und beantragte äußerst hilfsweise, die Frage der analogen Anwendbarkeit der Regel 107(2) EPÜ 1973 der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

XIV. In ihrem Ladungsbescheid vom 3. Juli 2009 wies die Kammer daraufhin, dass die in der internationalen Phase gezahlte zweite Prüfungsgebühr wohl nicht geeignet sei, die in der Entscheidung J 14/07 vom 2. April 2009 angeführte gesetzessystematische Einordnung der Regel 107(2) EPÜ in Frage zu stellen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift setze voraus, dass eine gesetzliche Regelungslücke bestünde. Im Hinblick auf die ausdrückliche Erwähnung von Teilanmeldungen in Artikel 10(2) GebO zur Ermäßigung der Recherchengebühr, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber übersehen habe, eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr in Teilanmeldungen zu erwägen.

XV. In seinen beiden Schriftsätzen vom 7. und 11. September 2009 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung verwies der Beschwerdeführer auf Textstellen im "Münchner Kommentar" (25. Lieferung, Köln, Oktober 2002, Kommentierung zu Artikeln 150 bis 158 EPÜ, Antrag auf europäische Sachprüfung, Erläuterung 11) und im Handbuch begründet von Dr. Günter Gall "Die europäische Patentanmeldung und der PCT in Frage und Antwort" (Köln, 6. und 7. Auflage, jeweils Kapitel IX, 4. mit der Überschrift "Die Ermäßigung der Prüfungsgebühr in der regionalen Phase"). Im Münchener Kommentar werde festgestellt, dass die Ermäßigung nach Regel 107(2) EPÜ 1973 im Hinblick auf die Arbeitszeitersparnis des Prüfers gewährt werde, da dieser in der Regel auch den internationalen vorläufigen Prüfungsbericht erstellt habe. Im weiter zitierten Handbuch werde festgestellt, dass die Ermäßigung der Prüfungsgebühr auch bei einer aus einer Euro-PCT-Anmeldung hervorgegangenen Teilanmeldung gegeben sein sollte. Regel 107(2) EPÜ 1973 sei daher unmittelbar und nicht analog auf den vorliegenden Fall anwendbar. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift, komme es nur darauf an, dass das Europäische Patentamt ein internationales vorläufiges Prüfungsverfahren zu zwei Gegenständen durchgeführt habe und der zweite geprüfte Gegenstand in der vorliegenden Anmeldung verfolgt werde. Dass es sich hierbei um eine Teilanmeldung handele, sei ohne Belang. Diesbezüglich berief sich der Beschwerdeführer auf Artikel 11(3) PCT, wonach "jede internationale Anmeldung, die die Erfordernisse der Ziffern i bis iii des Absatzes 1 erfülle und der ein internationales Anmeldedatum zuerkannt worden sei, ... in jedem Bestimmungsstaat die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung habe". Hieraus ergebe sich, dass ein internationales vorläufiges Prüfungsverfahren nur im Rahmen einer PCT-Anmeldung durchgeführt werden könne. Diese Anmeldung könne man in der internationalen Phase nicht teilen oder im internationalen Stadium anderweitig fortsetzen. Artikel 10(2) GebO 2003 müsse die Teilanmeldung und die Nachanmeldung nur deshalb gesondert ansprechen, weil eine Teilanmeldung oder eine Nachanmeldung nach Regel 15 EPÜ 1973 keine Priorität beanspruche.

Regel 107(2) EPÜ 1973 gewähre eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr, weil sich durch die internationale Phase der Arbeitsaufwand für das EPA im Prüfungsverfahren verringere und die Prüfungsakte in der europäischen Phase im Allgemeinen demselben Prüfer zugeteilt werde, der bereits die internationale vorläufige Prüfung durchgeführt habe. Sinn und Zweck dieser Regelung erfasse auch den Sachverhalt der hier vorliegenden Teilanmeldung.

XVI. In der am 6. Oktober 2009 durchgeführten mündlichen Verhandlung erläuterte der Beschwerdeführer seinen schriftlichen Vortrag und stellte klar, dass er in erster Linie auf die unmittelbare und nur hilfsweise auf die analoge Anwendung der Regel 107(2) EPÜ 1973 abstelle.

Der Regelungsumfang von Regel 107(2) EPÜ 1973 sei nicht nach ihrer systematischen Stellung im EPÜ, sondern nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift auszulegen. Regel 107(2) EPÜ 1973 beziehe sich nicht auf Erfordernisse bei Eintritt der internationalen Anmeldung in die europäische Phase. Es müsse lediglich Identität der Gegenstände, nicht aber Identität der Verfahren gegeben sein. Als Auslegungsregel müsse zudem Artikel 31(1) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜV) herangezogen werden. Eine dementsprechende Auslegung nach Treu und Glauben und im Lichte des Zieles und des mit Regel 107(2) EPÜ 1973 angestrebten Zweckes ergebe eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf Prüfungsgebühren in Teilanmeldungen, wenn der Gegenstand bereits in der internationalen Phase geprüft wurde und hierfür während der internationalen Phase eine Prüfungsgebühr entrichtet worden sei. Aus Artikel 34(3) PCT ergebe sich, dass die Väter des PCT die Möglichkeit des Einreichens einer Teilanmeldung in der nationalen oder regionalen Phase einer internationalen Anmeldung im Sinn gehabt hätten. Die Anordnung der Zahlung einer zusätzlichen Prüfungsgebühr in der internationalen Phase würde den Anmelder bestrafen, wenn er den als uneinheitlich beanstandenden Gegenstand in einer Teilanmeldung verfolge und eine weitere volle Prüfungsgebühr in der europäischen Phase entrichten müsse. Der Regelung in Artikel 34(3)a) PCT hätte es gar nicht bedurft, wenn der internationale Anmelder bei Einreichung einer Teilanmeldung gebührenrechtliche Nachteile im Vergleich zu den Gebühren in der regionalen Phase haben würde. Ein gewissenhafter Anwalt könne bei einer solchen Auslegung nach Erhalt einer Aufforderung gemäß Artikel 34(3)a) PCT seinem Mandanten nicht raten, eine weitere Prüfungsgebühr zu entrichten. Regel 107(2) EPÜ 1973 müsse in Anwendung des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge in diesem Kontext und Zusammenhang ausgelegt werden.

XVII. Der Beschwerdeführer überreichte in der mündlichen Verhandlung zur Vorlage an die Große Beschwerdekammer eine schriftlich formulierte Rechtsfrage, die als Anlage zur Niederschrift genommen wurde und die wie folgt lautet:

Ist die Prüfungsgebühr nach Regel 107 EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 12(2) Gebührenordnung in der Fassung vom 3. Januar 2002 auch für Teilanmeldungen zu ermäßigen, die einen Gegenstand betreffen, für den das EPA einen internationalen vorläufigen Prüfungsbericht erstellt hat, insbesondere wenn dieser Gegenstand nach Beanstandung der mangelnden Einheitlichkeit und erst nach Zahlung einer weiteren internationalen vorläufigen Prüfungsgebühr in den internationalen vorläufigen Prüfungsbericht einbezogen wurde?

Der Beschwerdeführer stellte in der mündlichen Verhandlung abschließend folgende Anträge:

1. Die angefochtene Entscheidung aufzuheben,

2. den Betrag in Höhe von 50% der Prüfungsgebühr, d.h. EUR 715,00 zurückzuerstatten und

3. hilfsweise der Großen Beschwerdekammer die als Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung überreichte Rechtsfrage vorzulegen.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit der Beschwerde

1. Die Beschwerde entspricht den Voraussetzungen der Artikel 106 bis 108 in Verbindung mit Regel 99 EPÜ und ist daher zulässig.

Begründetheit der Beschwerde

2. Ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 50% der Prüfungsgebühr besteht, wie weiter unten näher ausgeführt, nicht, da der Beschwerdeführer mit der Zahlung der vollen Prüfungsgebühr den geschuldeten Betrag entrichtet hat und ein Rückzahlungstatbestand somit nicht gegeben ist.

Unmittelbare Anwendbarkeit von Regel 107(2) EPÜ

3. Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde auf die zum Zeitpunkt der Zahlung der Prüfungsgebühr geltenden Vorschriften, insbesondere Regel 107(2) EPÜ 1973 und 12(2) GebO 2003. Die Kammer stimmt der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Vorschriften des EPÜ 1973 aus folgenden Überlegungen zu:

Gemäß Artikel 94(3) EPÜ 1973 gilt eine Patentanmeldung als zurückgenommen, wenn ein Prüfungsantrag nicht rechtzeitig gestellt wird. Der Status und rechtliche Fortbestand der vorliegenden Patentanmeldung war daher kraft Gesetzes davon abhängig, ob ein wirksamer Prüfungsantrag in der Frist des Artikels 94(2) EPÜ 1973 gestellt worden war. Die Zahlung der Prüfungsgebühr am 22. Mai 2003 erfolgte fristgerecht. Der vom Anmelder bei Einreichen der Anmeldung gestellte Prüfungsantrag wurde damit gemäß Artikel 94(2) EPÜ 1973 wirksam und konnte gemäß Satz 3 dieser Vorschrift nicht mehr zurückgenommen werden. Der rechtliche Status der Anmeldung war damit kraft Gesetzes entsprechend Artikel 94 EPÜ 1973 zu diesem Zeitpunkt abschließend festgelegt.

Da die Übergangsvorschriften zum EPÜ 2000 keine Rückwirkung auf abgeschlossene prozessuale Sachverhalte anordnen, sind daher die Voraussetzungen für einen wirksamen Prüfungsantrag dem zum 22. Mai 2003 geltenden Recht zu entnehmen.

Hinsichtlich der maßgebenden Höhe der zu zahlenden Prüfungsgebühr hat darüber hinaus der Beschluss des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Änderung der Gebührenordnung in Artikel 2(3) (ABl. EPA 2007, 10) eine Rückwirkung der revidierten Gebührenordnung ausdrücklich ausgeschlossen, indem dort bestimmt wurde, dass für Gebührenzahlungen, die vor dem 13. Dezember 2007 vorgenommen wurden, die bis dahin in Kraft gewesene Gebührenordnung weiter gilt.

4. Artikel 2 Nr. 6 der zum 22. Mai 2003 gültigen GebO 2003 setzte die gemäß Artikel 94(1)(2) EPÜ 1973 zu zahlende Prüfungsgebühr auf EUR 1430,00 fest. Die von dem Beschwerdeführer bis zum 22. Mai 2003 insgesamt bezahlte Prüfungsgebühr in Höhe von EUR 1430,00 entsprach daher der zu diesem Zeitpunkt geschuldeten Prüfungsgebühr.

5. Der Beschwerdeführer stützt seinen Anspruch auf Rückzahlung von 50% der Prüfungsgebühr auf die Anwendung der Regel 107(2) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 12(2) GebO 2003 und macht damit eine Überzahlung in Höhe von EUR 715,- geltend.

Diese Vorschriften könnten zwar gemäß den obigen Ausführungen grundsätzlich im vorliegenden Fall anzuwenden sein, da sie zum 22. Mai 2003 Gültigkeit hatten, begründen aber den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch nicht.

Maßgebende Auslegung von Regel 107(2) EPÜ 1973

6. Artikel 12(2) GebO 2003 legt nur die Höhe der Ermäßigung der Prüfungsgebühr auf 50% fest, verweist aber hinsichtlich der Voraussetzungen, wann die Ermäßigung zu gewähren ist, auf Regel 107(2) EPÜ 1973.

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass der Wortlaut der Regel 107(2) EPÜ 1973 nicht auf eine spezifische prozessuale Situation abstellt und als Voraussetzung für eine Ermäßigung nur eine Identität des zu prüfenden Gegenstands mit dem Gegenstand des internationalen vorläufigen Prüfungsberichts voraussetzt. Die Vorschrift würde ihrem Wortlaut nach einen allgemeinen Tatbestand zur Gebührenermäßigung normieren und würde alle unter dem EPÜ möglichen Anmeldeverfahren, einschließlich Teilanmeldungen und Verfahren nach Regel 15 EPÜ 1973, betreffen.

Wie die juristische Kammer in ihrer Entscheidung J 14/07 vom 2. April 2009 (Nr. 3 der Entscheidungsgründe) bereits festgestellt hat, bildet Regel 107 EPÜ 1973 mit seinen Absätzen 1 und 2 einen Sinnzusammenhang und muss im Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften dieses Kapitels im Hinblick auf den Eintritt der internationalen Anmeldung in die europäische Phase gelesen werden.

Ein Sinnzusammenhang zwischen beiden Absätzen ergibt sich daraus, dass in Absatz 1 die bei Eintritt in die europäische Phase zu zahlenden Gebühren aufgeführt werden und die Frist zur Stellung des Prüfungsantrag geregelt wird. Gegenstand des Prüfungsantrags ist aber der zu erstellende Prüfungsbericht, dessen Gebühr sich nach Absatz 2 ermäßigt, wenn das EPA den vorläufigen internationalen Prüfungsbericht für diesen Gegenstand erstellt hat. Es wäre daher sinnwidrig, Absatz 2 dieser Vorschrift losgelöst von dem in Absatz 1 vorausgesetzten Eintritt einer internationalen Anmeldung in die regionale Phase auszulegen.

Zum Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften lässt sich Folgendes feststellen. Regel 107 EPÜ 1973 steht im Neunten Teil der Ausführungsordnung, der die Vorschriften zum zehnten Teil des EPÜ ausgestaltet und die Überschrift "Internationale Anmeldung nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens" trägt. Regel 107 EPÜ 1973 enthält wiederum die amtliche Überschrift "Das Europäische Patentamt als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt - Erfordernisse für den Eintritt in die europäische Phase". Dementsprechend regelt Absatz 1 der Regel 107 EPÜ 1973, welche Unterlagen und welche Gebühren bei Eintritt in die europäische Phase vorzulegen bzw. zu entrichten sind.

Wenn Regel 107 (1) EPÜ 1973 die spezifische prozessuale Situation bei Eintritt einer internationalen Anmeldung betrifft, muss auch Absatz 2 der Regel 107 EPÜ 1973 in diesem gesetzlichen Kontext gelesen werden und kann nicht als allgemeine Anordnung zur Gebührenermäßigung in allen Verfahrensarten ausgelegt werden.

Der Anmelder beruft sich zur Unterstützung seiner Ansicht auf die Literaturstelle in "Die europäische Patentanmeldung und der PCT in Frage und Antwort" (siehe oben Punkt IX). Unter der jeweiligen Überschrift "Ermäßigung der Prüfungsgebühr in der regionalen Phase" findet sich folgende Anmerkung:

"Bei Uneinheitlichkeit besteht der Anspruch auf Ermäßigung nur, wenn sich der internationale vorläufige Prüfungsbericht auf den Teil der Anmeldung bezieht, der auch in der regionalen Phase beim EPA der Sachprüfung unterliegt".

Dieser Satz bezieht sich eindeutig auf die prozessuale Situation bei Eintritt in die regionale Phase und wiederholt im übrigen nur die in Regel 107(2) EPÜ 1973 genannte Einschränkung. Erst der nächste Satz bezieht sich auf Teilanmeldungen und lautet:

"Die Ermäßigung der Prüfungsgebühr sollte unter Berücksichtigung dieser Voraussetzung auch bei einer aus einer Euro-PCT-Anmeldung hervorgegangenen Teilanmeldung gegeben sein".

Die Verwendung des Ausdrucks "sollte" zeigt auf, dass der Verfasser nicht von einer eindeutigen Rechtslage ausgeht, sondern die Anwendung dieser Vorschrift als persönliche Rechtsmeinung für geboten hält. Eine juristische Argumentation, warum diese Vorschrift in welcher Weise (unmittelbar oder analog) anzuwenden ist, findet sich an dieser Stelle nicht.

7. Würde der Wortlaut in Regel 107(2) EPÜ 1973 als eine solche allgemeine Anordnung auszulegen sein, hätte er nicht in Regel 107(2) EPÜ 1973 aufgenommen werden dürfen, sondern müsste aus gesetzessystematischen Gründen eine Vorschrift der Gebührenordnung bilden.

Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber für die Ermäßigung der Recherchengebühr eine solche allgemeine Anordnung ausdrücklich in Artikel 10(2) GebO 2003 getroffen hat, ergibt sich auch, dass die systematisch davon abweichende Regelung zur Prüfungsgebühr in Regel 107(2) EPÜ 1973 nicht "versehentlich" bei den Vorschriften zum Eintritt der internationalen Anmeldung in die europäische Phase erfolgte, sondern einen spezifischeren Regelungsgehalt haben muss. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Ermäßigung der Recherchengebühr in Artikel 10(2) GebO 2003 hinsichtlich der Teilanmeldungen nur deshalb gesondert angesprochen wird, weil bei einer Teilanmeldung oder einer Nachanmeldung nach Regel 15 EPC 1973 keine Priorität beansprucht wird, kann nach Auffassung der Kammer an der gesetzessystematischen Einordnung der Regel 107(2) EPÜ 1973 als eine auf ein spezifisches Verfahren bezogene Norm in Kontrast zu Artikel 10(2) GebO 2003 als allgemein anzuwendende Ermäßigungsnorm nichts ändern.

8. Der Beschwerdeführer macht die unmittelbare Anwendung der Regel 107(2) EPÜ 1973 in der vorliegenden Teilanmeldung geltend, begründet dies aber auch damit, dass er für den beanspruchten Gegenstand im internationalen Prüfungsverfahren eine weitere Prüfungsgebühr bezahlt habe. Bei einer unmittelbaren Anwendung von Regel 107(2) EPÜ 1973 auf Teilanmeldungen wäre aber dieses Erfordernis gar keine Voraussetzung für die Gewährung einer Ermäßigung. Die Kammer wäre nicht befugt, dieses zusätzliche Erfordernis ohne gesetzliche Grundlage in die Vorschrift "hineinzulesen". Begünstigt wäre bei einer weiten Auslegung dann auch eine Teilanmeldung, wie sie der Entscheidung J 14/07 vom 2. April 2009 zu Grunde lag. In der betreffenden internationalen Anmeldung war zwar der Einwand der Uneinheitlichkeit erhoben worden, musste aber keine zweite Prüfungsgebühr gezahlt werden. Dieser Teilanmelder käme also in den Genuss zweier Ermäßigungen (nämlich in der Stamm- und Teilanmeldung), obwohl er nur eine Prüfungsgebühr in der internationalen Phase der Stammanmeldung bezahlt hat.

9. Die unmittelbare Anwendung von Regel 107(2) EPÜ auf alle Verfahren, in denen der Prüfungsgegenstand schon Gegenstand einer internationalen vorläufigen Prüfung nach PCT war, würde schließlich dazu führen, dass alle Teilanmeldungen erster und folgender Generationen, die auf einen in einer internationalen Anmeldung geprüften Gegenstand beruhen, eine Ermäßigung beanspruchen könnten, unabhängig davon, ob sie auf einer "freiwilligen" oder im Hinblick auf einen Einwand der mangelnden Einheitlichkeit erfolgten Teilung beruhen und damit unabhängig davon, ob in der internationalen Phase eine weitere Prüfungsgebühr entrichtet wurde. Diese "freiwilligen" Teilungen wären im Vergleich zu "freiwilligen" Teilungen aus europäischen Direktanmeldungen begünstigt, da für letztere keine Gebührenermäßigung statuiert ist, obwohl auch in diesen Verfahren in der Regel der Prüfungsbericht schon auf einen vom EPA in der Stammanmeldung erstellten Prüfungsbericht aufbauen wird. In der mündlichen Verhandlung räumte der Beschwerdeführer ein, dass "freiwilligen" Teilanmeldungen zu Stammanmeldungen, die aus einer internationalen Anmeldung entstanden sind, die Gebührenermäßigung nicht zukomme, weil hinsichtlich dieser Gegenstände keine zusätzlichen Gebühren in der internationalen Prüfung entrichtet werden mussten. Eine solche zusätzliche Einschränkung enthält der Wortlaut von Regel 107(2) EPÜ aber nicht und dürfte, wie bereits weiter oben festgestellt, mangels gesetzlicher Grundlage nicht von der Kammer hineingelesen werden. Die von dem Beschwerdeführer geltend gemachte weite Auslegung der Regel 107(2) EPÜ 1973 würde ohne diese Einschränkung als generelle Norm somit zu unbilligen Ergebnissen führen und ist daher nach Auffassung der Kammer unzutreffend.

10. Der Beschwerdeführer berief sich zur Unterstützung seiner Auslegung auf die in Artikel 31(1) des Wiener Abkommen über das Recht der Verträge (WÜV) festgelegten Auslegungsregeln und leitete daraus ab, dass eine Auslegung nach Treu und Glauben und in Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften im Licht des Zieles und Zweckes einer Vorschrift erfolgen müsse.

11. Wie oben unter Punkt 6 bereits dargelegt, hat die Kammer jedoch die vom Beschwerdeführer geforderte Auslegung der Regel 107(2) EPÜ 1973 nach deren Kontext und Zusammenhang mit anderen Vorschriften beachtet.

Auch das vom Beschwerdeführer herangezogene Kriterium von Treu und Glauben liegt der von der Kammer getroffenen Auslegung zu Grunde, wenn die Kammer, die vom Beschwerdeführer geforderte weite Auslegung ablehnt, da diese zu unbilligen Ergebnissen im Hinblick auf die möglichen Fallgestaltungen bei Einreichen von Teilanmeldungen führen würde (siehe oben Punkt 9). Die Kammer sieht auch keine Unbilligkeit darin, dass für einen in der internationalen Phase geprüften Gegenstand in einer Stammanmeldung, nicht aber in einer Teilanmeldung eine Ermäßigung gewährt wird, da die Teilanmeldung rechtlich eine selbstständige europäische Anmeldung ist. So hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 1/05 (ABl. EPA 2008, 271, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe) Folgendes festgestellt

"Nach Artikel 76 (1) EPÜ hat der Gesetzgeber die Ausscheidung eines Gegenstands aus einer Stammanmeldung, anders als z. B. im deutschen Patentrecht, nicht als Verfahrenserklärung gestaltet, durch die ein bisher einziges Anmeldeverfahren in zwei Verfahren aufgespalten wird, die sich beide in dem prozessualen Verfahrensstand befinden, den die ursprünglich einzige Anmeldung erreicht hatte (Schulte, "Patentgesetz mit EPÜ", 7. Aufl., § 34, Rdn. 264). Nach dem EPÜ erfolgt die Ausscheidung durch Einreichung einer neuen Anmeldung. In Artikel 76 (3) EPÜ heißt es dazu: "... die besonderen Erfordernisse der europäischen Teilanmeldung ... sind in der Ausführungsordnung vorgeschrieben." Zusammen betrachtet führen beide Vorschriften zu dem Schluss, dass Teilanmeldungen genauso zu behandeln sind wie normale Anmeldungen und denselben Erfordernissen unterliegen, sofern nicht besondere Vorschriften im EPÜ, vor allem die des Artikels 76 und der Regel 25 EPÜ, etwas anderes vorsehen (s. auch Nr. 8.1)."

Wenn eine Teilanmeldung verfahrensrechtlich grundsätzlich denselben Erfordernissen wie eine normale europäische Anmeldung unterliegt, gilt dies in gleicher Weise für die in diesem Verfahren zu erhebenden Gebühren.

Unter Punkt 8.1 der zuvor zitierten Entscheidung wird zum in Artikel 76 EPÜ 1973 verankerten Grundsatz, dass eine Teilanmeldung eine neue, von der Stammanmeldung getrennte und unabhängige Anmeldung bildet, die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 4/98 (ABl. EPA 2001, 131, Nr. 5 der Gründe zur Stellungnahme) wie folgt zitiert und bestätigt:

"... dass das durch die Teilanmeldung eingeleitete Verfahren grundsätzlich unabhängig vom Verfahren zur Stammanmeldung abläuft und dass die Teilanmeldung wie eine neue Anmeldung behandelt wird ... Auch wenn es gemeinsame Anknüpfungspunkte zwischen den zwei Verfahren gibt (etwa in Bezug auf Fristen), haben Handlungen, die nach Einreichung einer Teilanmeldung im Verfahren zur Stammanmeldung vorgenommen (oder unterlassen) werden, keinen Einfluss auf das die Teilanmeldung betreffende Verfahren".

Wenn die Teilanmeldung (gebühren-) rechtlich als neue Anmeldung zu behandeln ist, richtet sich die Höhe der zu entrichtenden Gebühren nach den Gebühren, die für eine neue Anmeldung zu bezahlen sind. Es kommt daher nicht darauf an, wie der Beschwerdeführer vortrug, dass die Teilanmeldung eine "Wurzel" in der internationalen Anmeldung hat.

Die vorliegende Teilanmeldung ist daher auch gebührenrechtlich wie eine sonstige "europäische" (Teil-) Anmeldung zu behandeln. Dieser rechtliche Unterschied rechtfertigt auch, dass ein in der internationalen Phase geprüfter Gegenstand gebührenrechtlich in einer aus der internationalen Phase hervorgegangenen europäischen Stammanmeldung anders behandelt wird als in einer Teilanmeldung. Selbst wenn in beiden Fällen die Möglichkeit besteht, dass der (selbe) Prüfer auf einen (eigenen) früheren Bericht in der internationalen Phase zurückgreifen kann, besteht für den Gesetzgeber keine Verpflichtung aus Treu und Glauben, die rechtlich unterschiedlichen Anmeldungen gleich zu behandeln.

12. Der Beschwerdeführer vertrat ferner im Hinblick auf die Auslegungsvorschrift des Artikels 31(1) WÜV die Ansicht, dass Artikel 34(3)a) PCT zur Auslegung von Regel 107(2) EPÜ herangezogen werden müsste. Die Väter des PCT hätten bei Schaffung dieser Vorschrift die Möglichkeit des Einreichens einer Teilanmeldung in der nationalen oder regionalen Phase im Auge gehabt. Wenn der internationale Anmelder bei Einreichung einer europäischen Teilanmeldung im Vergleich zur Rechtslage in einer europäischen Stammanmeldung, die einer internationalen Anmeldung entspringt, eine höhere Prüfungsgebühr entrichten müsse, würde der Teilanmelder gebührenrechtlich bestraft und von der in Artikel 34(3)a) PCT gegebenen Wahlmöglichkeit keinen Gebrauch machen.

Die Kammer hält eine am PCT ausgerichtete Auslegung unmittelbar aus Artikel 150(2) EPÜ 1973 für geboten, da, wenn Vorschriften des EPÜ dem PCT entgegenstehen, die Vorschriften des PCT vorgehen. Artikel 34(3)a) PCT regelt aber weder direkt noch indirekt die Höhe einer in einer Teilanmeldung zu erhebenden Prüfungsgebühr im Vergleich zu der in der nationalen bzw. regionalen Phase einer internationalen Anmeldung zu erhebenden Gebühr. Die gebührenpflichtige Erstreckung des internationalen Prüfungsbericht auf die wegen Uneinheitlichkeit gerügten Erfindungsgegenstände versetzt den internationalen Anmelder in die Lage zu entscheiden, ob er überhaupt eine Teilanmeldung in der europäischen Phase einreichen soll. Hierdurch erspart sich der Anmelder auf der Basis des internationalen vorläufigen Prüfungsberichts gegebenenfalls die bei Einreichen einer Teilanmeldung anfallenden Gebühren insgesamt. Die Regelung erhält aus diesem Umstand schon ihren Sinn. Die von der Kammer vorgenommene Auslegung der Regel 107(2) EPÜ 1973 verstößt daher weder rechtlich gegen Artikel 34(3)a PCT noch setzt sie diese "faktisch" außer Kraft. Diese Auslegung verstößt damit auch nicht gegen das in Artikel 31(1) WÜV angeführte Kriterium, zur Auslegung die Ziele und Zwecke der Regelung zu berücksichtigen.

13. Da im vorliegenden Fall die Ermäßigung der Prüfungsgebühr für eine europäische Teilanmeldung begehrt wird, ist die von Regel 107(2) EPÜ 1973 vorausgesetzte prozessuale Situation des Eintritts einer internationalen Anmeldung in die europäische Phase nicht gegeben. Der Anspruch des Beschwerdeführers auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr kann daher nicht unmittelbar auf Regel 107(2) EPÜ 1973 gestützt werden.

Analoge Anwendung von Regel 107(2) EPÜ 1973

14. Der Beschwerdeführer macht ferner die analoge Anwendung der Regel 107(2) EPÜ 1973 geltend. Die Teilanmeldung beziehe sich auf einen Gegenstand, für den er in der internationalen Phase der Stammanmeldung eine zweite Prüfungsgebühr entrichtet habe, da ein Einwand der mangelnden Einheitlichkeit im internationalen vorläufigen Prüfungsverfahren erhoben worden sei. Das EPA sei auch für die aus der internationalen Patentanmeldung hervorgegangene Teilanmeldung ausgewähltes Amt gewesen. Die Teilanmeldung habe daher ihre Wurzel ebenfalls in der internationalen Anmeldung. Die Interessenlage entspreche somit der durch Regel 107(2) EPÜ 1973 geregelten prozessualen Situation.

15. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre, dass die bestehende Gesetzeslage eine planwidrige Regelungslücke enthält und die zu regelnde Interessenlage derjenigen entspricht, die in der analog heranzuziehenden Vorschrift geregelt ist. Die analoge Anwendung der Vorschrift muss zu einer generell anwendbaren Regelung führen, die der Gesetzgeber mutmaßlich angeordnet hätte, wenn er von der Gesetzeslücke gewusst hätte.

16. Dem Beschwerdeführer kann zugestimmt werden, dass aus der Sicht eines Anmelders das Interesse auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr in einer Teilanmeldung in gleicher Weise wie in einer aus einer internationalen Anmeldung hervorgegangenen europäischen Anmeldung besteht, wenn er wegen des Einwands der Uneinheitlichkeit eine zweite Prüfungsgebühr in der internationalen Phase entrichtet hat. Dieses Interesse auf Gebührenermäßigung begründet aber keine Regelungslücke. Die Höhe der zu zahlenden Prüfungsgebühr ergibt sich aus Art. 94(2) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 2 Ziffer 6 GebO 2003. Mit der Anordnung des Erfordernisses der Zahlung einer vollen (Prüfungs-) Gebühr hat der Gesetzgeber seinen eindeutigen gesetzgeberischen Willen statuiert. Eine Ermäßigung der Gebühr bedarf dann einer ausdrücklichen gesetzlichen Ausnahmeregelung, da es im Ermessen des Gesetzgebers liegt, eine Ermäßigung zu gewähren oder nicht. Das Begehren des Beschwerdeführers ist daher letztlich auf eine Korrektur der Gesetzeslage gerichtet, worüber aber ausschließlich der Gesetzgeber und nicht die Beschwerdekammer durch analoge Anwendung der Regel 107(2) EPÜ 1973 zu entscheiden hat.

Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

17. Der Beschwerdeführer beruft sich zur Begründung seines Anspruchs auf Rückzahlung der hälftigen Prüfungsgebühr ferner auf die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Das EPA habe in der internationalen Anmeldung einen fehlerhaften Bescheid erlassen (Formblatt PCT/IPEA/405), da der zum Einwand der Uneinheitlichkeit gegebene Hinweis auf die Möglichkeit der Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung einer weiteren Prüfungsgebühr keinen Warnhinweis enthielt, dass bei Einreichen einer Teilanmeldung keine Ermäßigung der dann fälligen Prüfungsgebühr erfolgen werde.

18. Die Kammer lässt die Frage offen, ob eine in der internationalen Phase der Stammanmeldung getroffene Maßnahme überhaupt Grundlage für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im rechtlich selbständigen Verfahren der vorliegenden europäischen Teilanmeldung sein kann, da der Beschwerdeführer sich jedenfalls zu Unrecht darauf beruft, dass das EPA als internationale Prüfungsbehörde nach dem PCT einen fehlerhaften Bescheid erlassen habe.

19. Im europäischen Patentsystem ist es grundsätzlich eine Eigenobliegenheit des Anmelders, sich über die im Gang eines Anmeldeverfahrens fällig werdenden Gebühren zu informieren. Die Gebühren sind gesetzlich festgelegt und können von jedem Anmelder im Voraus kalkuliert oder beim EPA erfragt werden. Es besteht daher für das EPA keine allgemeine Verpflichtung, in Bescheiden und Formblättern auf den Anfall oder die Höhe von Gebühren hinzuweisen. Diese Eigenobliegenheit des Anmelders, sich über anfallende Gebühren selbst zu informieren, gilt auch für eine erst noch einzureichende Teilanmeldung. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern erfordert der Grundsatz des Vertrauensschutzes zwar, dass Bescheide an die Verfahrensbeteiligten klar und unmissverständlich sind und dass den Parteien beim Vertrauen auf einen missverständlichen Bescheid, kein Nachteil erwachsen darf, jedoch gebietet dieser Grundsatz nicht, dass das EPA in seinen Formblättern umfassende Rechtsauskünfte erteilen muss (vgl. J 17/98, ABl. EPA 2000, 399, Nr. 5.1 der Entscheidungsgründe). Ebenso wenig besteht für das EPA eine Verpflichtung in einem klaren und unmissverständlichen Bescheid wegen Uneinheitlichkeit, umfassende Rechtsauskünfte zur Höhe der in einer Teilanmeldung fällig werdenden Prüfungsgebühren zu erteilen.

20. Der Bescheid des EPA zur Einschränkung der Ansprüche oder zur Zahlung einer zusätzlichen Prüfungsgebühr vom 25. Juni 2001 war auch nicht irreführend, was nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 02/97 gegebenenfalls einen Vertrauenstatbestand hätte begründen können (ABl. EPA 1999, 123, Nr. 5.1 der Entscheidungsgründe).

Der Irrtum des Beschwerdeführers darüber, dass die Prüfungsgebühr zu einer Teilanmeldung nicht gemäß Regel 107(2) EPÜ 1973 reduziert wird, beruht ausschließlich auf seiner eigenen rechtlichen Fehlvorstellung über die Anwendbarkeit dieser Vorschrift. Das EPA als internationale Prüfungsbehörde hat diese Fehlvorstellung weder veranlasst noch befördert. Da kein vom EPA geschaffener Vertrauenstatbestand vorlag, bestand auch keine Verpflichtung des EPA, einen Warnhinweis in den Bescheid aufzunehmen.

Da das EPA ferner keine Kenntnis über die rechtliche Fehlvorstellung des Beschwerdeführers hatte, bestand auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/97, supra, Nr. 4.1 der Entscheidungsgründe) keine Hinweispflicht für das EPA.

Auch aus der vom Beschwerdeführer vorgenommenen pauschalen Verweisung auf die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 5/88, G 7/88 und G 8/88 ( ABl. EPA 1991, 137) lässt sich keine Verpflichtung des EPA ableiten, Warnhinweise zu geben, dass und in welcher Höhe Prozesshandlungen Gebührenpflichten auslösen können.

Dem Beschwerdeführer steht daher keine Teilrückerstattung der Prüfungsgebühr aus Gründen des Vertrauensschutzes zu.

21. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer gezahlte Prüfungsgebühr in Höhe von EUR 1430,00 dem geschuldeten Betrag entsprach und keine Überzahlung erfolgte und somit der Antrag auf Rückzahlung zurückzuweisen ist.

Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer

22. Für den vom Beschwerdeführer hilfsweise gestellte Antrag auf Vorlage der schriftlich eingereichten Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer liegen die Voraussetzungen des Artikels 112(1)a) EPÜ nicht vor.

Zur Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist die Große Beschwerdekammer nicht zu befassen, wenn sich die Beschwerdekammer, bei der das Verfahren anhängig ist, in der Lage sieht, die Antwort zweifelsfrei aus dem Übereinkommen abzuleiten.

Die juristische Beschwerdekammer hat bereits in ihrer Entscheidung J 14/07 vom 2. April 2009 entschieden, dass Regel 107(2) EPÜ 1973 im Kontext und unter Beachtung der Vorschriften des EPÜ nicht auf Teilanmeldungen anwendbar ist. Die hierzu abweichende Rechtsansicht des Beschwerdeführers kann keine Vorlage rechtfertigen. Die Kammer hat ferner in der vorliegenden Entscheidung dargelegt, dass die Nichtanwendbarkeit von Regel 107(2) EPÜ 1973 auf Teilanmeldungen nicht davon abhängt, ob in der internationalen Phase für den in der Teilanmeldung verfolgten Gegenstand eine weitere Prüfungsgebühr bezahlt wurde oder nicht. Dies ergibt sich aus der von der Großen Beschwerdekammer bestätigten und aus Artikel 76 EPÜ 1973 abgeleiteten rechtlichen Selbständigkeit einer Teilanmeldung. Da die Kammer somit die vorzulegende Rechtsfragen selbst zweifelsfrei anhand der Vorschriften des Übereinkommens beantworten kann, liegen die Voraussetzungen einer Vorlage nicht vor. Der hierauf gerichtete Antrag war zurückzuweisen.

Rückzahlung der Beschwerdegebühr

23. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war zurückzuweisen, weil die in Regel 67 EPÜ 1973 genannte Voraussetzung, dass die Beschwerde Erfolg hat, nicht gegeben ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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