J 0013/04 () of 23.12.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:J001304.20041223
Datum der Entscheidung: 23 Dezember 2004
Aktenzeichen: J 0013/04
Anmeldenummer: 03291690.0
IPC-Klasse: H01B 7/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektrisches Kabel
Name des Anmelders: Nexans
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 75(1)
European Patent Convention 1973 Art 77(1)
European Patent Convention 1973 Art 78(2)
European Patent Convention 1973 Art 80
European Patent Convention 1973 R 24(2)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 85a
Rules relating to fees Art 2
Rules relating to fees Art 5(1)
Rules relating to fees Art 5(2)
Rules relating to fees Art 7(1)
Rules relating to fees Art 7(2)
Rules relating to fees Art 8(1)
Rules relating to fees Art 8(2)
Arrangements for deposit accountsZiffer 6(1)
Schlagwörter: Fristgerechte Zahlung der Anmelde- und Recherchengebühren (nein)
Maßgebliche Anknüpfung der Berechnung der Frist nach Artikel 78 (2) EPÜ
Rückzahlung der Zuschlagsgebühr aufgrund des Vertrauensschutzes (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0005/88
G 0007/88
G 0008/88
J 0023/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin hat am 8. Juni 2003 die europäische Patentanmeldung 03 291 690.0 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität beim französischen Patentamt INPI eingereicht. Beim EPA ging sie am 17. Juli 2003 ein.

II. Die Anmelde- und Recherchengebühren wurden am 15. Juli 2003 bezahlt, also nach der einmonatigen Zahlungsfrist des Artikels 78 (2) EPÜ. Mit Formblatt 1137 in seiner Fassung von 7.00 teilte das EPA der Beschwerdeführerin mit, ihre Gebührenzahlungen könnten nur nach Erfüllung der Voraussetzungen des Artikels 8 (3) und (4) GebO oder nach Zahlung einer Zuschlagsgebühr nach Regel 85a (1) EPÜ, Artikel 2 Nr. 3b GebO innerhalb eines Monats nach Zustellung der Mitteilung als rechtzeitig angesehen werden.

III. Daraufhin zahlte die Beschwerdeführerin am 11. September 2004 die Zuschlagsgebühr, beantragte jedoch gleichzeitig deren Rückzahlung mit der Begründung, sie habe die Zahlung der Anmelde- und Recherchengebühren nicht früher als geschehen leisten können, weil sie die erste vom INPI abgestempelte Empfangsbestätigung ihrer Anmeldung erst am 10. Juli 2003 - also nach Ablauf der einmonatigen Zahlungsfrist - und die zweite offensichtlich wegen interner Probleme des EPA erst am 21. Juli 2003 erhalten habe. Allem Anschein nach sei die erste Verzögerung vom INPI zu vertreten. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2003 bekräftigte die Beschwerdeführerin ihre Auffassung und beantragte eine beschwerdefähige Entscheidung.

IV. In ihrer Zurückweisungsentscheidung vom 18. Mai 2004 führte die Eingangsstelle aus, das INPI habe die Sache sofort bearbeitet. Abgesehen davon habe die Anmelderin sich die nicht fristgerechte Gebührenzahlung selbst zuzuschreiben. Denn sie hätte sich beim EPA ohne weiteres telephonisch über den Eingang ihrer Anmeldung und deren Aktenzeichen erkundigen können. Außerdem habe ihr die Möglichkeit offengestanden, bereits mit der Anmeldung den Zahlungsvordruck 1010 einzureichen, der eine Zahlungszuordnung ermöglicht hätte. Schließlich sei sie nicht gehindert gewesen, das bestehende automatische Abbuchungssystem zu nutzen.

V. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, zu deren Begründung sie ihr Vorbringen in erster Instanz erneuert und weiter ausführt, der Fehler für die eindeutig zu späte Übersendung der Empfangsbescheinigung liege bei dem französischen Patentamt oder bei der Post. Ihr könne jedoch keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden, denn sie habe die fälligen Gebühren so früh wie nach den Umständen nur möglich überwiesen. Deshalb verfolge sie nicht nur ihren in erster Instanz gestellten Antrag weiter, sondern beantrage außerdem, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

VI. Auf den Bescheid der Kammer vom 13. Oktober 2004, mit dem sie ihre vorläufige Einschätzung der Sache der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gab, hat die Beschwerdeführerin mit am 26. November 2004 eingegangenen Schreiben weiter vorgetragen, Artikel 5 (1) GebO sehe drei gleichberechtigt nebeneinander bestehende Zahlungsweisen vor, nämlich die Überweisung, die Scheckeinreichung und die Abbuchung von einem laufenden Konto. Seit mehr als zwanzig Jahren wähle sie den Weg der Überweisung nach Eingang der Empfangsbestätigung der Anmeldung, ohne daß es jemals Probleme gegeben habe. Im vorliegenden Fall habe das INPI - entgegen den Ausführungen der Eingangsstelle in der angefochtenen Entscheidung - die Bearbeitung der Akte aber hinausgezögert. Wenn sie dies hätte absehen können, hätte sie einen anderen Zahlungsmodus gewählt. Das Fehlverhalten des INPI als Empfangsbehörde nach dem EPÜ müsse sich das EPA zurechnen lassen. Da sie unverschuldet die Zahlungsfrist versäumt habe, sei ihren Anträgen zumindest aus Billigkeitsgründen stattzugeben.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Beschwerde ist - auch unter Berücksichtigung des neuerlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin - nicht begründet.

2. Die europäische Patentanmeldung, die dem zu entscheidenden Fall zugrunde liegt, ist nach Artikel 75 (1) lit. b EPÜ zulässigerweise beim französischen Patentamt INPI in Paris als Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz in Frankreich eingereicht worden.

2.1 Fraglich ist jedoch, ob das INPI, worauf die Beschwerdeführerin abhebt, die Anmeldung nach Artikel 77 (1) EPÜ innerhalb der kürzesten Frist, die mit der Anwendung der nationalen Vorschriften über die Geheimhaltung von Erfindungen im Interesse der Staates vereinbar ist, an das Europäische Patentamt weitergeleitet hat, und zudem ob das INPI der Beschwerdeführerin, wie es Regel 24 (2) EPÜ anordnet, über die eingereichte Anmeldung unverzüglich eine Empfangsbescheinigung erteilt hat.

2.2 Denn die am 8. Juni 2003 beim INPI in Paris eingereichte Anmeldung ist beim EPA erst am 17. Juli 2003 im Sinne der Regel 24 (2) EPÜ eingegangen, also mehr als fünf Wochen nach der Einreichung der Anmeldung und eine Woche nach der Erteilung der Empfangsbescheinigung nach Regel 24 (2) EPÜ am 10. Juli 2003. Dies läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß die Akte beim INPI nicht mit der vom EPÜ gebotenen Dringlichkeit behandelt worden ist. Für diese Einschätzung spricht ferner das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe in mehr als 20. Jahren niemals Probleme bei der Weiterleitung ihrer beim INPI eingereichten Anmeldungen an das EPA gehabt, und auch der Umstand, daß der Gegenstand der Erfindung keine Geheimhaltung im Interesse des Staates erfordert haben dürfte, läßt eine nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommene Aktenbehandlung vermuten.

2.3 Letztlich braucht jedoch der Frage, ob die Weiterleitung der Anmeldung in der kürzesten Frist im Sinne des Artikels 77 (1) EPÜ und die Erteilung der Empfangsbescheinigung unverzüglich im Sinne der Regel 24 (2) EPÜ erfolgt sind, nicht weiter nachgegangen werden. Denn ihr kommt für die Beurteilung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Zuschlagsgebühr keine rechtliche Bedeutung zu.

3. Vielmehr hätte die Beschwerdeführerin sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Artikels 78 (2) EPÜ für die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Anmelde- und Recherchengebühren am Datum des 8. Juni 2003 orientieren müssen. Wenn sie das nicht getan hat, gehen die Folgen der Fristüberschreitung zu ihren Lasten.

3.1 Artikel 78 (2) EPÜ bestimmt, daß innerhalb eines Monats nach Einreichung einer europäischen Patentanmeldung die Anmelde- und Recherchengebühren zu bezahlen sind. Die Zahlungsfrist für diese Gebühren richtet sich folglich im zu entscheidenden Fall weder nach dem Datum der Weiterleitung der Anmeldung an das EPA noch nach dem Datum der Erteilung der Empfangsbescheinigung nach Regel 24 (2) EPÜ, sondern allein nach dem Tag, an dem die Anmeldung nach Artikel 75 (1) EPÜ beim INPI als der französischen Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eingegangen ist, sofern der Tag der Einreichung auch der Anmeldetag nach Artikel 80 EPÜ ist (siehe Bossung in Münchener Gemeinschaftskommentar, 8. Lieferung 1986, Artikel 78 EPÜ Rdnr. 222).

3.1.1 Daran vermögen auch die Vorschriften der im übrigen dem EPÜ nachgeordneten Vorschriften der Gebührenordnung nichts zu ändern. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, daß die Gebührenordnung drei gleichberechtigt nebeneinander stehende Arten der Zahlung vorsieht, deren Wahl dem Anmelder frei steht. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das EPA ihm auch die Risiken der Fristwahrung abnehmen würde, die mit der einen oder anderen Zahlungsweise verbunden sind. So sieht Regel 24 (2) EPÜ keine Rechtsfolge zugunsten des Anmelders für den Fall vor, daß die Empfangsbescheinigung - entgegen dem gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsablaufs - ihm nicht unverzüglich übersandt worden ist. Vielmehr überläßt das Übereinkommen es in vollem Umfang dem jeweiligen Anmelder, denjenigen Zahlungsmodus frei zu wählen, der ihm nach seiner Einschätzung und seinen Gewohnheiten das höchste Maß an Sicherheit der Fristwahrung bietet. Allerdings empfiehlt das EPA in seinem Leitfaden für Anmelder, Gebührenzahlungen so schnell wie möglich vorzunehmen, vorzugsweise mit Einreichung der Anmeldung (Engl. Fassung 9. Aufl. 1992, aktualisiert 1997, Rdnr. 122).

3.1.2 Von den in Artikel 5 GebO vorgesehenen Zahlungsmöglichkeiten der Überweisung auf ein Bank- oder Postscheckkonto des EPA und der Scheckeinreichung (Artikel 5 (1) GebO) sowie der Abbuchungsermächtigung (Artikel 5 (2) GebO in Verbindung mit den Vorschriften über das laufende Konto in der ab dem 1. März 2002 geltenden Fassung (Beilage zum ABl. EPA 2/2002)) ist die von der Beschwerdeführerin gewählte Zahlung durch Banküberweisung zweifellos die risikoreichste. Denn sie bürdet dem Gebührenschuldner zwangsläufig die Überwachung und Einhaltung einer zusätzlichen Frist auf, indem sie den Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung und den der fristwahrenden Gebührenzahlung zeitlich voneinander trennt. Die Scheckeinreichung und die Erteilung einer Abbuchungsermächtigung hingegen können zusammen mit der Anmeldung erfolgen, obgleich es bei der Scheckeinreichung und bei der Abbuchungsermächtigung Abweichungen im Zahlungstag geben kann. Bei der Zahlung per Scheck ist dies der Tag seines Eingangs beim EPA, sofern er eingelöst wird (Artikel 8 (1) lit. b GebO), während bei der Abbuchungsermächtigung nach Artikel 8 (2) GebO in Verbindung mit Ziff. 6.1 a) der Vorschriften über das automatische Abbuchungsverfahren (VAA) (abgedruckt in ABl. 2002, Beil. zu Nr. 2/29002, Seite 9) Zahlungstag der letzte Tag der für die Entrichtung der Gebühr geltenden Frist ist (zur Diskrepanz von Einreichungs- und Anmeldetag nach Artikel 78 (2) bzw. Artikel 80 EPÜ siehe oben 3.1).

3.2 Aber auch darauf kommt es nicht entscheidungserheblich an. Denn bei allen diesen Zahlungsmodalitäten benötigt der Anmelder - anders als von der Beschwerdeführerin vertreten - die Angaben auf der Empfangsbescheinigung nach Regel 24 (2) EPÜ nicht, um die Anmelde- und Recherchengebühren wirksam und nach Artikel 78 (2) EPÜ rechtzeitig entrichten zu können. Vielmehr reicht es nach Artikel 7 (1) GebO für eine rechtzeitige Zahlung aus, daß der Einzahler bezeichnet ist und der Einzahlungsbeleg die notwendigen Angaben enthält, die dem Amt die Zweckbestimmung der Zahlung zu erkennen geben. Selbst wenn die angegebene Zweckbestimmung dem Amt die Zuordnung nicht ermöglichen sollte, führt dies noch nicht zu einem Rechtsverlust wegen eines Fristversäumnisses, sondern lediglich zur Verpflichtung des Einzahlenden, seine Angaben innerhalb einer vom Amt zu setzenden Frist zum Zweck seiner Zahlung so zu ergänzen, daß deren Zuordnung möglich wird (Artikel 7 (2) EPÜ). Eine Verschiebung des Zahlungstages tritt dadurch nach der Rechtsprechung der Kammer nicht ein (J 23/86 abgedruckt in ABl. 1983, 127 Nr. 6).

3.3 Somit hätte die Beschwerdeführerin sich lediglich am Datum der Einreichung der Anmeldung beim INPI orientieren müssen, um sicherzugehen, daß die Anmelde- und Recherchengebühren beim EPA als fristgerecht entrichtet gelten. Statt dessen hat sie fälschlicherweise auf den Eingang der Empfangsbescheinigung gewartet, die zwar nach Regel 24 (2) EPÜ unverzüglich zu erteilen ist, ohne daß dieser Anordnung für die Berechnung und Einhaltung der Frist nach Artikel 78 (2) EPÜ eine rechtliche Bedeutung zukäme. Die Beschwerdeführerin konnte folglich nach Regel 85a (1) EPÜ seine Anmeldung nur unter Entrichtung der gesetzlichen Zuschlagsgebühr weiterverfolgen.

3.4 Eine Rückzahlung der Zuschlagsgebühr ist auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht veranlaßt. Zwar spielt der Vertrauensschutz, demzufolge in amtlichen Verfahren getroffene Maßnahmen das in sie gesetzte berechtigte Vertrauen der Beteiligten nicht verletzen dürfen, nach ständiger Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer vor dem EPA eine herausragende Rolle (G 5/88, G 7/88, G 8/88). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um ein berechtigtes Vertrauen der Beschwerdeführerin, das verletzt worden sein könnte. Denn die Beschwerdeführerin hat, anstatt sich allein am Datum der Einreichung ihrer Anmeldung beim INPI auszurichten, zur Wahrung der Einmonatsfrist nach Artikel 78 (2) EPÜ fälschlicherweise auf eine unverzügliche Erteilung der Empfangsbescheinigung nach Regel 24 (2) EPÜ vertraut. Dazu gibt das EPÜ jedoch keine Veranlassung.

4. Ist dem Hauptanspruch auf Rückzahlung der Zuschlagsgebühren nicht stattzugeben, scheidet auch eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ aus.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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