J 0023/03 (Berichtigung nach Patenterteilung/GO) of 13.7.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:J002303.20040713
Datum der Entscheidung: 13 Juli 2004
Aktenzeichen: J 0023/03
Anmeldenummer: 98962229.5
IPC-Klasse: B60R 21/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rückhaltevorrichtung mit Schulterhalter in Beförderungsmitteln
Name des Anmelders: Go, Giok Djien, Dr.-Ing.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 97(2)
European Patent Convention 1973 Art 97(4)
European Patent Convention 1973 Art 107
European Patent Convention 1973 Art 150(3)
European Patent Convention 1973 R 51(4)
European Patent Convention 1973 R 51(6)
European Patent Convention 1973 R 88
European Patent Convention 1973 R 89
Schlagwörter: Berichtigung nach Patenterteilung - nein
Anhängigkeit des Patenterteilungsverfahren
Anwendung des Vertrauensgrundsatzes - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0042/92
J 0007/96
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/12
J 0019/03
J 0016/08
T 0493/08

Sachverhalt und Anträge

Der Beschwerdeführer ist Inhaber des europäischen Patents Nr. 1 037 771, dessen Erteilung auf die unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität erfolgte internationale Anmeldung PCT/DE98/03271 zurückgeht. Das Internationale Büro hat am 20. Mai 1999 die Anmeldung nach dem PCT unter der Nummer WO 99/24292 veröffentlicht und auf dem einschlägigen Formblatt unter "(81) Bestimmungsstaaten" u. a. "europäisches Patent" (GB, GR und 16 weitere Vertragsstaaten des EPÜ) aufgeführt.

Bei Eintritt in die regionale Phase vor dem EPA am 9. Oktober 1999 unter Verwendung des Formblatts EPA 1200 hat der Beschwerdeführer unter Ziffer 10.1 folgendes erklärt: "Benennungsgebühren werden für nachstehende in der internationalen Anmeldung bestimmte Vertragsstaaten des EPÜ entrichtet:" und sodann die Kästchen der Staaten DE, FR und GR angekreuzt. Dieser Erklärung entsprechend nennen die Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents gemäß Artikel 97 Absatz 2 EPÜ vom 31. Januar 2002 (Form 2006) und deren Veröffentlichung im Patentblatt vom 13. März 2002 als Bestimmungsstaaten DE, FR und GR.

Mit Schreiben vom 29. April 2002 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den irrtümlich angekreuzten Bestimmungsstaat GR in GB zu berichtigen. Insoweit liege ein offensichtliches Versehen vor, denn nicht Griechenland, sondern Großbritannien sei als Vertragsstaat mit bedeutender Autoproduktion für sein Patent von wirtschaftlicher Bedeutung.

Nach mehrfachem Briefwechsel hat die Prüfungsabteilung am 5. Juni 2003 den Berichtigungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, ab der Veröffentlichung des Patents überrage das Interesse der Öffentlichkeit an der Verläßlichkeit der publizierten Angaben dasjenige des Patentinhabers an einer Berichtigung, zumal dieser im Laufe des Verfahren mehrfach, nämlich nach Zustellung der Formblätter 2004 und 2005, Gelegenheit erhalten habe, die Bestimmungsangaben zu überprüfen.

Hiergegen wendet sich die unter Einzahlung der Beschwerdegebühr eingelegte und sogleich begründete Beschwerde mit Eingangsdatum vom 28. Juni 2003. Er stelle, so der Beschwerdeführer, einen Verwechslungsfehler nicht in Abrede, jedoch habe dieser darin seinen Grund, daß das Europäische Patentamt vom ihm die Einreichung eines zweiten Prioritätsdokuments verlangt habe, nachdem das erste dort offensichtlich verloren gegangen sei. Dadurch notwendige Briefe und Telephonate hätten ihn Nerven, Geld und Zeit gekostet, so daß er sich nicht auf die Überprüfung der Bestimmungsangaben habe konzentrieren können. Erst nach der Patenterteilung habe das britische Patentamt bei Einreichung der englischen Übersetzung den Verwechslungsfehler bemerkt. Dies sei am 28. April 2004 gewesen. Schließlich sei der Verwechslungsfehler klar erkennbar, da seinem für die Automobilindustrie einschlägigen Patent in Griechenland keine wirtschaftliche Bedeutung zukomme.

Auf eine Mitteilung der Kammer, in der diese ihre vorläufige Einschätzung des Falles zu erkennen gab, wiederholte der Beschwerdeführer seine Auffassung, wonach ihm zwar ein Fehler beim Ankreuzen der Bestimmungsstaaten im Formblatt zur Last gelegt werden könne, dieser Fehler aber durch das EPA selbst ausgelöst worden sei, weil es ihn über Monate mit der Drohung eines Prioritätsverlusts und der Aufforderung zur Beschaffung eines Prioritätsdokuments in Atem gehalten habe, obwohl er das Prioritätsdokument längst eingereicht hatte. Wenn er die dabei vergeudete Zeit auf die Überprüfung seiner Bestimmungsangaben aufgewendet hätte, wäre die fälschliche Ankreuzung von GR anstelle von GB rechtzeitig entdeckt worden. Angesichts der vom EPA zu vertretenden Schlampigkeit müsse seinem Korrekturbegehren entsprochen werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt; außerdem ist der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert, da diese in ihrem Tenor nicht seinem Antrag entspricht.

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

2.1. Zunächst kann die Beschwerde deshalb nicht zum Erfolg führen, weil dem Europäischen Patentamt im Zeitpunkt der Antragstellung die Befugnis fehlte, über das Berichtigungsbegehren des Beschwerdeführers nach Regel 88 EPÜ zu entscheiden.

Dabei verkennt die Kammer nicht, daß Regel 88 EPÜ grundsätzlich keiner Befristung unterliegt und deshalb in jeder Phase des Patenterteilungs-verfahrens ein Berichtigungsantrag gestellt werden kann (siehe auch J 0006/02 Ziffer 4 der Entscheidungsgründe). Dies gilt auch insoweit, als es, wie vom Beschwerdeführer beantragt, um die Berichtigung einer irrtümlich erfolgten Bestimmungsangabe in den Anmeldeunterlagen geht.

2.1.1. Im zu entscheidenden Falle liegen die Dinge jedoch so, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Berichtigung der Bestimmungsangaben in den Anmeldeunterlagen erst am 29. April 2002 beim EPA gestellt hat. Zu diesem Zeitpunkt war bereits mehr als ein Monat zuvor - nämlich am 13. März 2002 - auf die Erteilung seines Patents im Patentblatt hingewiesen worden. Der Hinweis auf die Patenterteilung hat nach Artikel 97 (4) EPÜ zur Folge, daß die Patenterteilung wirksam und das Patenterteilungsverfahren abgeschlossen ist. Das Verfahren war folglich zu dem Zeitpunkt nicht mehr anhängig, als der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Berichtigung gestellt hatte (siehe J 0007/96 abgedruckt in ABl. 1999, 433/456 und J 0042/92).

Die Anhängigkeit eines Patenterteilungsverfahrens Verfahrens hat die Kammer jedoch als Voraussetzung für die Stellung eines zulässigen Berichtigungsantrags angesehen. Denn nach diesem Tag zerfällt das einheitlich erteilte europäische Bündelpatent in nationale Patente, für deren Verwaltung in der Folgezeit nicht mehr das Europäische Patentamt, sondern die jeweiligen nationalen Ämter zuständig sind.

2.1.2. Fraglich bleibt gleichwohl, ob die Anhängigkeit des Verfahrens erhalten bleibt oder gar ganz oder in begrenztem Umfang wiederauflebt, wenn das EPA nach der wirksamen Patenterteilung in einem der wenigen, im EPÜ ausdrücklich geregelten Fälle zu entscheiden hat, wie dies etwa im Einspruchsverfahren oder bei Anträgen auf Berichtigung des Erteilungsbeschlusses nach Regel 89 EPÜ der Fall ist, oder ob mit dem Erfordernis der Anhängigkeit lediglich die Anhängigkeit des Patenterteilungs-verfahrens gemeint ist, so daß infolge einer "materiellen Zäsurwirkung" der Patenterteilung (zur Problematik s. dazu Günzel GRUR 2001, 932 mwN.) ein Berichtigungsantrag nach Regel 88 EPÜ schon deshalb stets nach der Bekanntmachung der Patenterteilung scheitern müßte. Im zu entscheidenden Fall braucht dieser Frage allerdings nicht weiter nachgegangen werden, weil weder ein Einspruch gegen das Patent des Beschwerdeführers eingelegt noch ein sonstiges Verfahren in Gang gesetzt worden ist, das die Anhängigkeit des Verfahrens unter Umständen hätte aufrechterhalten können.

2.2. Der Beschwerde muß aber auch aus einem weiteren Grund der Erfolg versagt bleiben. Dem Beschwerdeführer fehlt das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der beantragten Berichtigung, weil diese ohne jede rechtliche Wirkung bleiben würde.

2.2.1. Die beantragte Berichtigung nach Regel 88 EPÜ führte nur zu einer Korrektur der Anmeldeunterlagen, nicht aber automatisch zur Berichtigung der bereits ergangenen Entscheidung (Patenterteilung). Denn diese kann nur unter den Voraussetzungen der Regel 89 EPÜ berichtigt werden. Auch wenn die Entscheidung zur Patenterteilung auf eingereichte Unterlagen Bezug nimmt, ändert sich der Inhalt der Entscheidung nicht, wenn nach Erlaß der Entscheidung diese Unterlagen nach Regel 88 EPÜ berichtigt werden.

Steht fest, welches eingereichte Dokument berichtigt werden soll, und wird ein Fehler im Sinn der Regel 88 EPÜ bejaht, kann eine Berichtigung nur dazu führen, daß dieses Dokument so angesehen wird, als wenn es von Anfang an ohne diesen Fehler eingereicht worden wäre. Dies führt aber nicht dazu, daß sich durch die Berichtigung der Einreichungsunterlagen eine vorher ergangene Entscheidung inhaltlich ändert, sondern lediglich dazu, daß diese Entscheidung durch die retroaktive Wirkung einer Berichtigung nach Regel 88 EPÜ sachlich falsch wird. Sie kann von dem Organ, das sie erlassen hat, wegen ihrer Bindungswirkung im Regelfall nicht mehr geändert werden. Vielmehr kann die durch die Berichtigung inhaltlich unrichtig gewordene Entscheidung nur noch auf Grund einer Sachprüfung im Rahmen einer zulässigen Beschwerde geändert werden.

2.2.2. Im vorliegenden Fall kommt nur eine Berichtigung des vom Anmelder am 9. September 1999 eingereichten Formblatts 1200 (Eintritt in die regionale Phase) in Betracht. Dessen Abschnitte 10.1 und 10.2 enthalten aber keine Staatenbenennung, weil die Staatenbenennungen für alle Vertragsstaaten bereits in der internationalen Anmeldung erfolgten und nach Eintritt in die regionale Phase weiterhin ihre Gültigkeit hatten (Artikel 150 (3) EPÜ). Die Angaben in den Abschnitten 10.1 und 10.2 sind hingegen rechtlich als Absichtserklärung zu werten, nur für bestimmte Vertragsstaaten Benennungsgebühren bezahlen zu wollen. Trotz der (scheinbaren) Unverbindlichkeit dieser Erklärung bewirkt sie nach Ansicht der Kammer, daß die gleichzeitig eingezahlten Benennungsgebühren nur den in Abschnitt 10.1 und 10.2 aufgeführten Staaten zugeordnet werden. Aufgrund dieser Rechtswirkung ist die Falschbenennung eine Unrichtigkeit in einem vom Anmelder eingereichten Dokument und nicht lediglich eine Mutmaßung über sein künftiges rechtliches Verhalten.

2.2.3. Eine Berichtigung dieser Angabe nach Regel 88 EPÜ würde bewirken, daß eine der tatsächlich gezahlten Benennungsgebühren von Anfang an dem Vertragsstaat GB anstatt GR zuzuordnen wäre. Die damit in Widerspruch stehende Patenterteilung vom 31. Januar 2002 mit territorialem Schutz für den Vertragsstaat GR wird von der Berichtigung nach Regel 88 EPÜ jedoch nicht erfaßt, da diese Entscheidung kein vom Anmelder eingereichtes Dokument im Sinne der Regel 88 EPÜ darstellt. Eine fehlerhafte Patenterteilung ist aber für die Prüfungsabteilung nach Übergabe der Entscheidung an die Poststelle zum Versand bindend. Sie kann nur im Rahmen einer zulässigen Beschwerde noch inhaltlich geändert werden. Da im vorliegenden Fall jedoch keine zulässige Beschwerde gegen die Patenterteilung eingelegt wurde, nicht mehr eingelegt werden kann und insbesondere eine für eine Beschwerde notwendige Beschwer (Artikel 107 Seite 1 EPÜ) nicht durch die gleichzeitige Stellung einer Antragsberichtigung begründet werden kann, würde die beantragte Berichtigung der Anmeldeunterlagen (Formblatt 1200) nach Regel 88 EPÜ die Rechtslage des Beschwerdeführers nicht verbessern. Die Berichtigung ginge ins Leere und würde lediglich dazu führen, daß der Inhalt der Anmeldeunterlagen in Widerspruch zum Inhalt der Patenterteilung träte. Darauf besteht freilich kein Anspruch. Dem Antrag auf Berichtigung liegt deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis zugrunde.

2.3. Eine Berichtung der Entscheidung über die Patenterteilung nach Regel 89 EPÜ, die grundsätzlich eine Korrektur des Vertragsstaats GR in GB herbeiführen könnte, ist nicht beantragt. Sie käme hier aber ebenfalls nicht in Betracht. Denn die Prüfungsabteilung hat im Zeitpunkt der Entscheidung das Patent für GR nicht, wie es Regel 89 EPÜ voraussetzt, versehentlich erteilt. Vielmehr wollte sie auf Grund der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen das Patent nur für diesen territorialen Bereich erteilen. Weder die Willensbildung noch die Willensäußerung der Prüfungsabteilung war im Entscheidungszeitpunkt fehlerhaft.

2.4. Eine andere Entscheidung ist auch nicht deshalb veranlaßt, weil der Beschwerdeführer, wie er schildert, in eine längere Korrespondenz mit dem Amt über die Vorlage des dort verloren gegangenen Prioritätsdokuments verwickelt worden ist. Die Kammer verkennt nicht, daß dies für den Beschwerdeführer unangenehm war, zumal da er das einschlägige Dokument ordnungsgemäß eingereicht hatte. Dennoch wertet sie die dadurch eingetretenen Belastungen des Beschwerdeführers bereits für nicht so schwerwiegend, daß sie als kausal für die Verwechslung des Bestimmungslandes angesehen werden könnten. Derartige Korrespondenzen sind, wenngleich sie nicht angenehm sind, nichts völlig Außergewöhnliches. Der Beschwerdeführer hatte im übrigen seit der Einreichung des Formblatts 1200 bei Eintritt in die europäische Phase wiederholt Gelegenheit, den ihm dort unterlaufenen Fehler zu korrigieren. Dies war etwa der Fall bei Übersendung der Formblätter 2004 gemäß Regel 51 (4) EPÜ und 2005 gemäß Regel 51 (6) EPÜ mit der Bitte um Überprüfung und Bestätigung der dort aufgeführten einschlägigen Angaben zum beantragten Patent und schließlich bei der Übersendung des Erteilungsbeschlusses nach Artikel 97 (2) EPÜ auf dem Formblatt. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Vertrauensschutzes sind im vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, weil der Beschwerdeführer nicht auf eine vom Amt fehlerhaft getroffene Maßnahme vertraute, sondern diese bekämpfte.

2.5. Auch der Umstand, daß Griechenland auf keine nennenswerte Automobilproduktion verweisen kann und deshalb für das Patent des Beschwerdeführers wirtschaftlich ohne Bedeutung ist, veranlaßt keine andere Entscheidung. Das EPA nimmt die vom Anmelder angegebenen Bestimmungsstaaten lediglich zur Kenntnis, ohne sie irgendwelchen Plausibilitätsprüfungen zu unterwerfen. Dies ist die alleinige Aufgabe des Anmelders und unter anderem der Sinn des in Regel 51 (4) EPÜ vorgeschriebenen Verfahrens.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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