European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:J000903.20050914 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 September 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0009/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98933478.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61G 5/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Reinigen von Schuhen sowie Rädern und Rollen aller Art | ||||||||
Name des Anmelders: | 2R Reha-Technik GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Fristgerechte Zahlung der Jahresgebühr (nein) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Formalprüferin, mit der der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der vierten Jahresgebühr zurückgewiesen worden ist.
II. Die internationale Anmeldung PCT/DE 98/01279 wurde am 7. Mai 1998 von der Beschwerdeführerin eingereicht und trat in die regionale Phase vor dem EPA ein.
III. Die Beschwerdeführerin versäumte die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr für das dritte Jahr einschließlich Zuschlagsgebühr. Sie beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies mit einem einmaligen Versehen des für Patentsachverhalte zuständigen Mitarbeiters beim Notieren der Zahlungsfrist. Mit Entscheidung der Formalsachbearbeiterin vom 30. April 2001 wurde dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben.
IV. Die Jahresgebühr für das vierte Jahr wurde gemäß Artikel 86 (1) in Verbindung mit Regel 37 (1) EPÜ am 31. Mai 2001 fällig. Am 30. November 2001 lief die Frist gemäß Artikel 86 (2) EPÜ zur Zahlung dieser Gebühr einschließlich Zuschlagsgebühr ab, ohne daß die Beschwerdeführerin die Gebühr entrichtete.
V. Am 18. März 2002 beantragte die Beschwerdeführerin, unter gleichzeitiger Entrichtung der Wiedereinsetzungsgebühr und der Jahresgebühr für das vierte Jahr einschließlich Zuschlagsgebühr, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diesen Antrag wie folgt:
Durch anwaltliches Schreiben sei die Beschwerdeführerin zwar auf den drohenden Rechtsverlust hingewiesen worden. Sie habe sich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch in finanziellen Schwierigkeiten befunden. Der bisherige für Patentfragen zuständige Mitarbeiter habe nicht weiter beschäftigt werden können.
Die Gesellschafter der Beschwerdeführerin hätten daraufhin beschlossen, die anfallenden Patentkosten direkt zu bezahlen und als eingebrachtes Darlehen zu buchen. Der Gesellschafter Dr. Rettweiler sollte den fälligen Betrag an den zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin überweisen. Dieses habe er nach seinen Angaben auch per Online-Banking getan, aus ungeklärter Ursache sei der Betrag aber nicht beim zugelassenen Vertreter eingegangen. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe keinen Anlaß gehabt, daran zu zweifeln, daß die Überweisung rechtzeitig erfolgt sei, zumal auch in der Vergangenheit Zahlungen durch die Gesellschafter direkt an den zugelassenen Vertreter getätigt worden seien.
In einem in Kopie eingereichten Schreiben der Beschwerdeführerin an ihren zugelassenen Vertreter vom 18. März 2002, das von ihrem Geschäftsführer und dem Gesellschafter Dr. Rettweiler unterzeichnet ist, wird dieser Sachverhalt bestätigt.
VI. Auf eine Mitteilung der Formalprüferin hin ergänzte die Beschwerdeführerin diese Begründung wie folgt: Ihre finanziellen Schwierigkeiten seien erheblich gewesen. Ein Bilanzauszug weise für den Dezember 2001 einen Verlust in Höhe von DM 286.709 gegenüber dem Vorjahr aus. Bemühungen um Beteiligungskapital seien erfolgt, jedoch erfolglos geblieben. Zudem sei die Kontokorrentlinie der Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum gekündigt worden.
Die Gesellschafter Aerts und Dr. Rettweiler hätten sich in dieser Situation bereit erklärt, die Vorfinanzierungen für die Produktion und der Patente zu übernehmen. Der Gesellschafter Dr. Rettweiler habe vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin den Auftrag für die Überweisung der Gebühren der vorliegenden Anmeldung erhalten. Diesen Auftrag habe er per Online-Überweisung durchgeführt und dies dem Geschäftsführer nochmals bestätigt. Erst Ende Januar 2002 habe er, infolge der Mitteilung des Rechtsverlusts, festgestellt, daß diese Überweisung nicht ausgeführt worden sei. Er habe bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Schwierigkeiten mit Online- Buchungen gehabt.
Zum Nachweis reichte die Beschwerdeführerin einen Bilanzauszug, ein Schreiben der Berlin Capital Fund GmbH vom 6. August 2001 und ein von ihrem Geschäftsführer und von ihrem Gesellschafter Dr. Rettweiler unterzeichnetes Schreiben vom 1. Juli 2002 ein.
VII. Durch Entscheidung vom 22. Oktober 2002 wies die Formalprüferin den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Am 23. Dezember 2002 legte die Beschwerdeführerin hiergegen Beschwerde ein und entrichtete die Beschwerdegebühr. In ihrer Beschwerdebegründung, die beim EPA am 24. Februar 2003 einging, wies sie insbesondere darauf hin, daß ihr Geschäftsführer weder die Möglichkeit der Überprüfung der Überweisung besaß noch einen Anlaß hatte, an der Durchführung der Überweisung durch den Gesellschafter Dr. Rettweiler zu zweifeln. Die Beschwerdeführerin stellte keinen Antrag auf mündliche Verhandlung.
VIII. Die Beschwerdekammer teilte der Beschwerdeführerin durch Bescheid vom 20. Mai 2005 ihre vorläufige Rechtsauffassung mit. Innerhalb der hierfür gesetzten Frist von zwei Monaten erfolgte keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Die Beschwerdeführerin hat die am 30. November 2001 abgelaufene Frist zur Zahlung der Jahresgebühr für das vierte Jahr einschließlich Zuschlagsgebühr versäumt. Dies hat gemäß Artikel 86 (3) EPÜ die Rechtsfolge, daß die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen gilt, sofern nicht die Beschwerdeführerin nach Artikel 122 (1) EPÜ wieder in den vorigen Stand einzusetzen ist.
3. Der am 18. März 2002 beim EPA eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist fristgerecht gestellt worden. Es ist davon auszugehen, daß der Wegfall des Hindernisses im Sinne von Artikel 122 (2) Satz 1 EPÜ zu dem Zeitpunkt erfolgt ist, als die Beschwerdeführerin Kenntnis von der Rechtsverlustmitteilung des EPA erlangte. Diese Mitteilung wurde am 18. Januar 2002 zur Post gegeben.
4. Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die versäumte Handlung (Zahlung der vierten Jahresgebühr mit Zuschlagsgebühr) nachgeholt, die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet und den Wiedereinsetzungsantrag begründet.
5. Wiedereinsetzung kann jedoch gemäß Artikel 122 (1) EPÜ nur dann gewährt werden, wenn der Patentanmelder trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage war, die maßgebliche Frist einzuhalten. Diese gesetzliche Voraussetzung stellt, wie sich insbesondere aus der Verwendung des Wortes "aller" ergibt, hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Bei der Beurteilung sind die Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamtheit zu würdigen.
6. Im vorliegenden Fall kann zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen werden, daß sie sich im Jahre 2001 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden hat und nicht in der Lage war, aus eigenen Mitteln die fällig gewordene Gebühr fristgerecht zu bezahlen. Diese finanziellen Schwierigkeiten waren jedoch, wie sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin ergibt, nicht entscheidend für das Versäumnis der Zahlung. Vielmehr hatte sich der Beschwerdeführerin durch die Bereitschaft ihres Gesellschafters Dr. Rettweiler, die Kosten aus eigenen Mitteln zu verauslagen, grundsätzlich die Möglichkeit zur Einhaltung der Zahlungsfrist eröffnet. Diese Möglichkeit blieb nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin nur deshalb ungenutzt, weil die vom Gesellschafter Dr. Rettweiler vorgenommene Online- Banking-Überweisung an den Vertreter der Beschwerdeführerin aus unbekannten Gründen fehlschlug, ohne daß der Fehlschlag bemerkt wurde.
7. Wie auch von der Beschwerdeführerin eingeräumt wird, läßt sich bei Überweisungen in der Regel einfach und rasch, z.B. anhand von Kontoauszügen, überprüfen, ob der entsprechende Auftrag von der Bank ausgeführt worden ist. Eine solche Überprüfung entspricht üblichen Sorgfaltspflichten im Geschäftsverkehr insbesondere dann, wenn - wie hier - die Nichtausführung der Überweisung erhebliche wirtschaftliche oder rechtliche Nachteile zur Folge haben kann. Gleichwohl ist, wie sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin ergibt, eine solche Überprüfung im vorliegenden Fall nicht erfolgt.
8. Die Beschwerdeführerin meint allerdings, daß die mangelnde Kontrolle der Überweisung nicht von ihr zu vertreten sei, da sie keine eigene Möglichkeit der Überprüfung hatte und insoweit auf den Gesellschafter Dr. Rettweiler vertrauen konnte, der ihr gegenüber die Überweisung bestätigt habe. Dieses Argument vermag die Beschwerdekammer nicht zu überzeugen. Wie bereits in der erstinstanzlichen Entscheidung ausgeführt, hatte die Beschwerdeführerin durchaus die Möglichkeit, sich direkt bei ihrem Vertreter darüber zu vergewissern, ob der Geldbetrag eingegangen und so die Einhaltung der Zahlungsfrist gegenüber dem EPA sichergestellt war. Hätte sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, wäre der Irrtum des Gesellschafters Dr. Rettweiler erkannt worden, und es hätte eine erneute Überweisung durch ihn vorgenommen werden können.
9. Bei der Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles ist ferner zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin bereits die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr für das dritte Jahr einschließlich Zuschlagsgebühr versäumt und diesbezüglich Wiedereinsetzung beantragt hatte. Auch war sie durch ein Schreiben ihres Vertreters auf die Fälligkeit der vierten Jahresgebühr und den drohenden Rechtsverlust ausdrücklich hingewiesen worden. Sie hatte daher besonderen Anlaß, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahlung der Gebühr sicherzustellen.
10. Die Beschwerdekammer gelangt daher zu der Schlußfolgerung, daß die Beschwerdeführerin nicht alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt zur Gewährleistung der fristgerechten Zahlung der Jahresgebühr für das vierte Jahr einschließlich Zusatzgebühr beachtet hat. Die hohen Anforderungen, die Artikel 122 (1) EPÜ für das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes aufstellt, sind nicht erfüllt. Somit muß die Beschwerde zurückgewiesen werden. Dies hat zur Folge, daß die Anmeldung aufgrund der Nichtzahlung der genannten Gebühren als zurückgenommen gilt und der Beschwerdeführerin alle nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Rücknahmefiktion gezahlten Jahresgebühren zurückzuerstatten sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entscheiden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.