European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:D001899.20000418 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 April 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | D 0018/99 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | DBA | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer hat sich im April 1998 der vollständigen europäischen Eignungsprüfung unterzogen. Von dem zuständigen Prüfungsausschuß wurde die folgende Bewertung der einzelnen Prüfungsarbeiten empfohlen:
Prüfungsaufgabe A: 5
Prüfungsaufgabe B: 6
Prüfungsaufgabe C: 5
Prüfungsaufgabe D: 4
II. Mit eingeschriebenem Brief mit Rückschein vom 29. September 1998 teilte die Prüfungskommission dem Beschwerdeführer ihre Entscheidung mit, ihn gestützt auf Punkt 1 der Anweisungen an die Bewerber für den Ablauf der Prüfung (ABl. EPA 1995, 145; 1997, 118), nachstehend Anweisungen, und Artikel 7 (2) VEP von der europäischen Eignungsprüfung 1998 auszuschließen.
Zur Begründung der Entscheidung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Antworten des Beschwerdeführers mit Bezug auf Prüfungsaufgabe D in vielerlei Hinsicht auffallend genau mit Teilen der Musterlösung zu einer früheren Fassung dieser Aufgabe, einschließlich Teilen dieser Musterlösung, die nachträglich an die geänderte Aufgabe angepaßt werden mußten, übereinstimmten. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer die Musterlösung zu der früheren Fassung der Prüfungsaufgabe D bereits vor dem Prüfungsdatum gekannt und diese Kenntnis bei der Beantwortung der Prüfungsaufgabe D auch verwendet habe. Eine solche Verhaltensweise sei aber gemäß Punkt 6.3 der Anweisungen nicht statthaft.
III. Gegen diese Entscheidung, deren Abgabe zur Post am 29. September 1998 erfolgt ist, hat der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1998 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 17. Dezember 1998 eingereicht worden.
IV. Der Beschwerdeführer beantragt:
1. Die Entscheidung der Prüfungskommission aufzuheben und
2. die in der europäischen Eignungsprüfung 1998 von ihm angefertigten Unterlagen gemäß den geltenden Bestimmungen in einer sachlichen Prüfung zu bewerten, sowie
3. hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
V. Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer ausgeführt, daß der Vorwurf der versuchten Täuschung zu Unrecht erhoben worden sei und daß die Gründe, auf die die Prüfungskommission ihre Entscheidung stütze, samt und sonders unzutreffend seien. Des weiteren seien diese Gründe nicht geeignet, den von der Prüfungskommission behaupteten Täuschungsversuch zu beweisen. Ferner teilte der Beschwerdeführer mit, daß er, wegen der Ähnlichkeit, die die Prüfungsaufgabe D mit einer Aufgabe aufwies, die er zur Vorbereitung auf die europäische Eignungsprüfung durchgearbeitet habe, seine diesbezüglichen Aufzeichnungen bei der Bearbeitung der Prüfungsaufgabe D benutzt habe. Dabei habe er wahrscheinlich aus Versehen ein Datum aus seinen Aufzeichnungen in seine Antwort übernommen. Bei den von ihm zur Vorbereitung auf die europäische Eignungsprüfung benutzten Unterlagen habe es sich weder teilweise noch gänzlich um Prüfungsaufgaben gehandelt, sondern um reine Übungsaufgaben.
VI. Die Kammer hat das Sekretariat der Prüfungskommission um die Zustellung der in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Dokumente gebeten. In der Folge wurden der Kammer am 6. Mai 1999 insgesamt elf Dokumente zugestellt, d. h. zehn Dokumente, die alle die Prüfungsaufgabe D betrafen und zwischen dem 20. Mai 1997 und dem 22. Januar 1998 zeitlich gestaffelt erstellt worden sind, sowie die im "Compendium 1998" veröffentlichte Musterlösung zu der prüfungsrelevanten Fassung der Prüfungsaufgabe D. Im einzelnen handelte es sich um folgende Dokumente:
Dokument 1: "Paper D, Part II with solution" vom 20. Mai 1997,
Dokument 2: "Paper D, Part I with solution" vom 18. August 1997,
Dokument 3: "Paper D, Part II with solution" vom 18. August 1997,
Dokument 4: "Paper D, Part I with solution" vom 3. September 1997,
Dokument 5: "Paper D, Part I - spare questions" vom 3. September 1997,
Dokument 6: "Paper D, Part II with solution" vom 15. September 1997,
Dokument 7: "Paper D, Part I with solution" vom 16. September 1997,
Dokument 8: "Paper D, Part I with solution, with handwritten notes" vom 16. September 1997,
Dokument 9: "Paper D, Part I in the three official languages" vom 21. Januar 1998,
Dokument 10: "Paper D, Part II in the three official languages" vom 22. Januar 1998,
Dokument 11: "Model Solution for Paper D as published in the Compendium 1998".
VII. Mit Bescheid vom 16. Juli 1999, dem Kopien der genannten elf Dokumente als Anlage beigefügt waren, teilte die Kammer dem Beschwerdeführer ihre vorläufige Auffassung mit, daß nach der angefochtenen Entscheidung die Musterlösung zu der prüfungsrelevanten Fassung der Prüfungsaufgabe D in Dokument 11 enthalten zu sein scheine, während es sich bei den Dokumenten, die der Beschwerdeführer angeblich gekannt habe, um Dokument 7 oder 8, was den Teil I der Prüfungsaufgabe D betreffe, und um Dokument 6, was den Teil II der Aufgabe D betreffe, handeln dürfte. Des weiteren ersuchte die Kammer den Beschwerdeführer um Zustellung der von ihm in der Beschwerdebegründung erwähnten Aufzeichnungen und Unterlagen (vgl. Punkt V oben).
VIII. Mit Schreiben vom 6. September 1999 nahm der Beschwerdeführer zum Bescheid der Kammer vom 16. Juli 1999 Stellung. Er stellte fest, daß er den Inhalt der ihm zugestellten elf Dokumente nicht gekannt habe. Andererseits teilte er mit, daß er nicht mehr im Besitz seiner Vorbereitungsunterlagen sei, da er nicht beabsichtigt habe, ein weiteres Mal an der europäischen Eignungsprüfung teilzunehmen. Diese Unterlagen hätten daher nach der Eignungsprüfung 1998 für ihn keine Bedeutung mehr besessen.
IX. Mit Bescheid vom 26. November 1999 hat die Kammer dem Beschwerdeführer die Gründe mitgeteilt, weshalb sie die Angelegenheit voraussichtlich zur weiteren Entscheidung an die Prüfungskommission zurückverweisen werde, und ferner festgestellt, daß unter diesen Umständen die Durchführung der hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung unnötig zu sein scheine.
X. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 teilte der Beschwerdeführer der Kammer mit, daß er der im Bescheid vom 26. November 1999 zum Ausdruck gebrachten Auffassung der Kammer nichts Grundsätzliches hinzuzufügen habe.
XI. Die Kammer hat dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vetreter und dem Präsidenten des Europäischen Patentamts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber keiner von ihnen hat sich zur Beschwerde sachlich geäußert.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der angefochtenen Entscheidung liegt die Annahme der Prüfungskommission zugrunde, daß der Beschwerdeführer den Inhalt bestimmter, für die Beantwortung der Prüfungsaufgabe D relevanter Dokumente bereits vor dem Prüfungstermin gekannt und diese Kenntnis bei der Beantwortung dieser Aufgabe gezielt verwendet hat. Dabei ist die Prüfungskommission bei der Entscheidungsfindung offenbar davon ausgegangen, daß es nicht notwendig sei, dem Beschwerdeführer hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen und Gründe, auf die sich die zu treffende Entscheidung stützen sollte, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Angesichts der Tatsache, daß der Ausschluß von der europäischen Eignungsprüfung seinem Wesen nach eine Disziplinarmaßnahme darstellt, war mithin das Recht der Verteidigung im vorliegenden Fall nicht gewährleistet. Der Umstand, daß die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage von geheimgehaltenen Dokumenten und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs getroffen worden ist, rechtfertigt daher bereits die Aufhebung derselben und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungskommission (Art. 111 (1) EPÜ i. V. m. Art. 22 (3) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern [ABl. EPA 1978, 91] und Art. 27 (4), Satz 1 der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter [ABl. EPA 1994, 7]).
3. Hinzu kommt, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung mangelhaft ist, weil daraus nicht eindeutig hervorgeht, welche der (unter Punkt VI oben) erwähnten Dokumente, die im übrigen in der Beschwerdeakte nicht enthalten waren und daher von der Kammer angefordert werden mußten (vgl. Punkt VI oben), zum entscheidungserheblichen Sachverhalt gehören. Die Prüfungskommission sollte daher dem Beschwerdeführer mitteilen, von welchen Dokumenten genau die Rede ist, und ihm ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme geben, bevor sie erneut eine Entscheidung trifft.
4. Des weiteren möchte die Kammer noch auf die folgenden Unstimmigkeiten in der angefochtenen Entscheidung hinweisen:
4.1. Aus Punkt 1 der Gründe ("Reasons for the Decision") geht hervor, daß die angefochtene Entscheidung sich auch auf Entsprechungen in der Antwort des Beschwerdeführers mit Teilen einer Musterlösung stützt, die nachträglich geändert wurden. Solche Änderungen betreffen gemäß Punkt 3 des "Summary of Facts" sowohl den Teil I als auch den Teil II der Prüfungsaufgabe D. In Abschnitt 1 der Punkte 4 und 5 des "Summary of Facts" wird jedoch nur auf Änderungen in Teil I Bezug genommen. Es ist damit unklar, auf welche Fakten sich dieser Teil der Gründe genau bezieht.
4.2. Obschon ferner im ersten Abschnitt des erwähnten Punktes 4 von mehreren Fehlern ("various mistakes") die Rede ist, die nicht begangen worden wären, wenn Teil I keine Änderung erfahren hätte, wird in diesem Zusammenhang nur ein einziges konkretes Beispiel eines solchen Fehlers erwähnt, nämlich im zweiten Abschnitt des genannten Punktes 4, die Frage 7 betreffend.
5. Durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungskommission wird der Beschwerde zwar nur teilweise stattgegeben. Trotzdem ist die Kammer der Auffassung, daß wegen der unter Punkt 2 (oben) angegebenen Gründe die Voraussetzungen für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Artikel 27 (4), Satz 3 VEP erfüllt sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungskommission zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.