D 0011/88 () of 16.3.1989

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1989:D001188.19890316
Datum der Entscheidung: 16 März 1989
Aktenzeichen: D 0011/88
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 411 KB)
-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat sich am 8. Januar 1988 zur neunten europäischen Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentarnt (EPA) zugelassenen Vertreter angemeldet.

II. Zum Nachweis, daß er in der Bundesrepublik Deutschland ein mindestens vierjähriges Praktikum auf Vollzeitbasis unter Leitung eines zugelassenen Vertreters abgelegt hat und während dieser Zeit als Assistent dieses Vertreters an einer Vielzahl von Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit europäischen Patentanmeldungen und Patenten anfallen, beteiligt gewesen ist, hat der Beschwerdeführer dem EPA am 17. Januar 1988 eine Bescheinigung des Ausbilders oder Arbeitgebers in Gestalt eines ausgefüllten Formblattes (vgl. ABl. EPA 1987, 247) zugestellt, die von einem zugelassenen Vertreter unterzeichnet war.

In der Folge hat der Beschwerdeführer noch weitere Angaben über seine Tätigkeit als Assistent des zugelassenen Vertreters gemacht.

Diesen Hinweisen sind, im Hinblick auf die in Artikel 7 (1) b) und (2) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim, Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (VEP) genannten Voraussetzungen, insgesamt die folgenden relevanten Tatsachen zu entnehmen:

- Tätigkeit als Assistent: vorn 1. Februar 1978 bis (voraussichtlich) 19. April 1988 (d.h. ein Zeitraum von 10 Jahren und 2 Monaten).

- Die Arbeitszeitgestaltung des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Tätigkeit als Assistent ist vorn Arbeitsanfall abhängig und präsentiert sich folgendermaßen: 60 d zu 1 h, 35 d zu 2 h, 81 d zu 3 h, 121 d zu 4 h, 147 d zu 5 h, 240 d zu 6 h, 114 d zu 7 h, 328 d zu 8 h, 107 d zu 9 h, 98 d zu 10 h = total 1331 d bzw. 8397 h.

In diesen Arbeitsangaben ist nur derjenige zeitliche Aufwand enthalten, der den Mandanten des zugelassenen Vertreters tatsachlich berechnet wurde. Der Aufwand für die zu jeder Aktenbearbeitung erforderlichen Vor-und Nachbearbeitungen in Form von Fachliteratur-Studium, Entscheidungen-Studium, Besprechungen mit Kollegen, Mandanten, etc. blieb dagegen in diesen Angaben unberücksichtigt.

- Die Arbeitszeit ist nur teilweise in der Kanzlei des zugelassenen Vertreters durchgeführt worden.

III. Die Prüfungskommission hat in ihrer Entscheidung vorn 21. Marz 1988 die Anmeldung zur europäischen Eignungsprüfung des Beschwerdeführers mit der Begründung abgelehnt, sein Praktikum erfülle die Voraussetzungen des Artikels 7(1)b) VEP nicht.

Der ausbildende zugelassene Vertreter hatte den Beschwerdeführer im persönlichen Kontakt bei seiner täglichen Arbeit beraten, anleiten, unterstutzen und damit unmittelbar beaufsichtigen und der Beschwerdeführer seinerseits während des Praktikums seine gesamte berufliche Tätigkeit unter diesen Bedingungen ausüben müssen. Das sei jedoch im vorliegenden Fall nicht geschehen. Folglich könne die Tätigkeit des Beschwerdeführers auch nicht als Praktikum auf Vollzeitbasis gelten, sondern nur als eine gelegentliche Nebentätigkeit, in deren Verlauf sich - auch über einen längeren als den gesetzlich geforderten Zeitraum - die besondere Qualität eines Ausbildungsverhältnisses, insbesondere was die systematische Erfassung des Lernstoffes und die volle Integration in den Betrieb des Ausbilders angeht, üblicherweise nicht zu entwickeln pflegt.

In der Entscheidung wird außerdem auf die Entscheidung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten D 4/86 (ABl. EPA 1988, 26) hingewiesen.

IV. Am 27. April 1988 hat der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung der Prüfungskommission Beschwerde eingelegt und am 19. April 1988 die entsprechende Beschwerdegebühr gezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 21. Juni 1988 zugestellt.

V. Die Prüfungskommission hat die Beschwerde aufgrund von Artikel 23(3) VEP überprüft und anschließend in schriftlicher Abstimmung (nach Artikel 14, Satz 3 VEP) beschlossen, keine Änderung ihrer Entscheidung im Wege der Abhilfe vorzunehmen. Gestützt auf Artikel 23(3) VEP, zweiter Satz, hat sie daher die Beschwerde mit Schreiben vom 27. Juli 1988 der Beschwerdekammer vorgelegt.

VI. Der Beschwerdeführer beantragt, seine Tätigkeit in Patentangelegenheiten als für die Zulassung zur europäischen Eignungsprüfung ausreichend anzuerkennen und ihn zur nächstmöglichen Prüfung zuzulassen.

Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer u.a. folgendes geltend:

- Die belegbare Tätigkeit von 8397 h innerhalb von 10 Jahren und 2 Monaten stellt ca. 50 % der gesamten Tätigkeit dar. Sie kann daher nicht als "gelegentliche Nebentätigkeit" betrachtet werden.

- Die Forderung nach "Leitung" durch den zugelassenen Vertreter ist erfüllt, denn der persönliche Kontakt bei der täglichen Arbeit war und ist gegeben.

- Unter Kontakt ist keine 8-stundige persönliche Anwesenheit im selben Raum zu fordern. Insbesondere beim Lesen von Unterlagen, Bestellen von Druckschriften, Entwerfen und Diktieren der Schriftsatze sowie beim Besuch von Mandanten durch den Assistenten wurde eine solche Anwesenheit keinen sinnvollen Zweck erfüllen. Diese Tätigkeiten bilden jedoch den zeitmäßig größten Teil der Assistententätigkeit (größer als 90 %).

- Die Kontrolle und Besprechung der Arbeits- und Zwischenergebnisse sowie einweisende Anleitungen und Aufgabenstellungen erfolgten und erfolgen ebenso wie die Korrekturen in persönlichem Kontakt.

- Die Forderung, vier Jahre auf Vollzeitbasis tätig zu sein, bedeutet nicht, ununterbrochen, d.h. ohne Pausen, ohne Urlaub, ohne Mandantenbesuche, ohne Fortbildungsveranstaltungen und Konferenzbesuche, tätig zu sein.

- Im vorliegenden Fall betrug der "Pausenanteil" ca. 50 %. Dieser wurde u. a. durch das Fehlen von Aufträgen verursacht. Der dadurch entstandene zeitliche Freiraum wurde mit wissenschaftlicher Tätigkeit überbrückt, die füglich als Spezialpraktikum zur Qualifikationsverbesserung als Patentsachbearbeiter gewertet werden kann.

- Unter Bezugnahme auf die Entscheidung D 4/86 (vgl. oben) ist darauf hinzuweisen, daß bei sämtlichen bearbeiteten Patentangelegenheiten die letzte Entscheidung bei dem zugelassenen Vertreter lag und liegt, d.h. er hat die Leitung und seine Überprüfung stellt daher keine Formsache dar.

- Es wurden ausschließlich Patentangelegenheiten von Mandanten des zugelassenen Vertreters bearbeitet. Er (d.h. der Beschwerdeführer) habe nämlich keine eigenen Mandanten.

- Neben häufiger persönlicher Anwesenheit in der Kanzlei des zugelassenen Vertreters sei ein nahezu täglicher pers6nlicher Kontakt mit diesem auch deshalb gegeben, daß die Entfernung zwischen seiner (d.h. des Beschwerdeführers) Wohn- bzw. Arbeitsstätte zur Kanzlei des zugelassenen Vertreters bloß 18 km betrage und somit aufgrund der Autobahnnahe in ca. 10 Minuten zu überbrücken sei.

VII. Mit Schreiben vorn 30. Juli 1988, eingegangen am 2. August 1988, hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, daß er nunmehr seit dem 1. Juli 1988 einer Vollzeit-Tätigkeit als Assistent und Praktikant beim zugelassenen Vertreter mit voll-täglicher Anwesenheit in dessen Kanzlei nachgehe . Dieser Sachverhalt sei deshalb bei der Beurteilung und Entscheidung seines Zulassungsantrages zu würdigen.

Im übrigen hat der Beschwerdeführer in diesem Schreiben hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

VIII. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1988, eingegangen am 3. Dezember 1988, hat der Beschwerdeführer einen Beschleunigungsantrag gestellt, um für weitere Maßnahmen nach einer Entscheidung über die Beschwerde ausreichend Zeit zu haben.

Ferner hat er nochmals hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

IX. Gestützt auf Artikel 23(4) VEP wurde dem Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und dem Präsidenten des Europäischen Patentante in Anwendung von Artikel 12, Satz 2 der "Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern" (vgl. ABl. EPA 1978, 91) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Der Präsident das Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter hat in seiner Stellungnahme die Zulassung des Beschwerdeführers zur europäischen Eignungsprüfung befürwortet. Der Präsident des Europäischen Patentamts hat dagegen mitgeteilt, daß er keine Veranlassung sehe, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen.

X. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Marz 1989 hat der Beschwerdeführer sein Begehren präzisiert, indem er den Antrag stellte, die Tätigkeit zwischen Februar 1978 und Juni 1988, unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, daß er seit Juli 1988 eine Vollzeittätigkeit bei einem zugelassenen Vertreter ausübe, als eine einem Vierjahres­ Vollzeitpraktikum entsprechende bzw. äquivalente bzw. als im Ergebnis der Erlangung der Qualifikation entsprechend anzuerkennen und ihn daher zur nächstmöglichen Eignungsprüfung zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 (2) VEP; sie ist daher zulässig.

2. Gemäß Artikel 7 (1) b) i) und (3) VEP muß der Bewerber den Nachweis erbringen, daß er im Zeitpunkt der Prüfung ein mindestens vierjähriges Praktikum auf Vollzeitbasis unter Leitung eines zugelassenen Vertreters abgelegt hat und daß er während dieser Zeit als Assistent dieses zugelassenen Vertreters an einer Vielzahl von Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit europäischen oder nationalen Patentanmeldungen und Patenten anfallen, beteiligt war. Nach Absatz 2 des Artikels 7 VEP können diese Tätigkeiten zusammengerechnet werden, um die erforderliche Beschäftigungszeit auf Vollzeitbasis zu erreichen Diese Vorschrift erlaubt somit, das Praktikum in Teilabschnitten abzulegen, die dann allerdings zusammengerechnet wiederum wenigstens eine Beschäftigungszeit von insgesamt vier Jahren auf Vollzeitbasis ergeben müssen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß auch diese Teilabschnitte des Praktikums auf Vollzeitbasis zu absolvieren sind, weil nur unter dieser Voraussetzung die für ein gutes Ausbildungsverhältnis wesentliche Integration in den Betrieb des Ausbilders verwirklicht werden kann.

3. Das vom Beschwerdeführer abgelegte Praktikum genügt diesen Anforderungen. Dazu ist im einzelnen folgendes auszuführen:

3.1 Der Beschwerdeführer hat glaubhaft dargetan, daß die in der Bescheinigung des zugelassenen Vertreters enthaltenen Angaben die von ihm als dessen Assistent insgesamt geleistete Arbeit in zeitlicher Hinsicht nur unvollständig wiedergeben. Tatsachlich ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, daB der Unterschied zwischen dem totalen zeitlichen Aufwand und dem den Mandanten des zugelassenen Vertreter s berechneten bei einem Absolventen eines Praktikums anteilsmäßig keineswegs unbedeutend ist. Unter diesen Umstanden ist es nach Auffassung der Beschwerdekammer daher durchaus gerechtfertigt, sämtliche Tage, an welchen den Mandanten des zugelassenen Vertreters ein zeitlicher Aufwand von 5 Stunden oder mehr berechnet worden ist, als auf Vollzeitbasis absolviertes Praktikum im Sinne von Artikel 7 VEP zu betrachten.

3.2 Berücksichtigt man mithin ausschließlich diejenigen Tage, die diese (in Abschnitt 3.1 hiervor dargelegte) Bedingung erfüllen, und zahlt die an diesen Tagen den Mandanten des zugelassenen Vertreters berechneten Stunden zusammen, so ergibt sich ein zeitlicher Aufwand von insgesamt 7 540 stunden. Geht man ferner davon aus, daß das Arbeitsjahr 45 Wochen zu je 40 Arbeitsstunden (d. h. 1 800 Arbeitsstunden) umfaßt, so folgt daraus, daß der zeitliche Aufwand von 7 540 stunden effektive einem Praktikum auf Vollzeitbasis von mehr als vier Jahren entspricht.

3.3 Im Gegensatz zum Sachverhalt, auf den sich die Prüfungskommission erwähnte Entscheidung D 4/86 (vgl. Abschnitt V hiervor) abstützt, hat im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer ausnahmslos Patentangelegenheiten von Mandanten des zugelassenen Vertreters Bearbeiter, weil er nämlich keine eigenen Mandanten hatte. Des weiteren ist davon auszugehen, daß zwischen dem Beschwerdeführer und dem zugelassenen Vertreter während des Praktikums häufige persönliche Kontakte stattfanden, weil sich die Wohn- bzw. Arbeitsstätte des Beschwerdeführers in der Nachbarschaft der Kanzlei des zugelassenen Vertreters befindet. Überdies hielt sich der Beschwerdeführer des öfteren in der Kanzlei des zugelassenen Vertreters auf. Aus alledem folgt, daß die Qualität und Intensität des zwischen Beschwerdeführer und zugelassenem Vertreter bestehenden Ausbildungsverhältnisses den Erfordernissen des Artikels 7 (l) b) i) VEP genügen.

4. Der Beschwerde ist somit stattzugeben. Folglich ist die Entscheidung der Prüfungskommission aufzuheben und der Beschwerdeführer zur nächstmöglichen Eignungsprüfung zuzulassen.

5. Die Ruckzahlung der Beschwerdegebühr ist anzuordnen, weil dies nach Ansicht der Beschwerdekammer im Sinne von Artikel 23 (4) VEP der Billigkeit entspricht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Beschwerdeführer wird zur nächstmöglichen europäischen Eignungsprüfung zugelassen.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

Quick Navigation