European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1989:D000588.19890704 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Juli 1989 | ||||||||
Aktenzeichen: | D 0005/88 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | DBA | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer hat sich vom 22. bis 24. April 1987 der 8. europäischen Eignungsprüfung unterzogen. Mit Schreiben vom 17. November 1987 teilte ihm der Vorsitzende der Prüfungskommission mit, daß er nicht bestanden habe, weil er in einer Arbeit (C) die Note 6 (Mangelhaft) und in den anderen drei Arbeiten nur die Noten 4 (Befriedigend) erhalten habe. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 1. Februar 1988 eingereichte und mit Schreiben vom 1. März begründete Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragte insbesondere
1. Aufhebung der Entscheidung und Feststellung, daß er die Eignungsprüfung bestanden hat oder Zurückweisung an die Prüfungskommission.
2. Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
II. Im Protokoll der Prüfungskommission vom 17. November 1987 ist festgestellt, daß die Kommission so entschieden habe, nachdem sie von den Vorsitzenden der drei Prüfungsausschüsse die Empfehlungen nach Artikel 6 Buchstabe c VEP gehört und die Arbeiten insgesamt geprüft habe. Das Protokoll enthält auch Hinweise auf Nrn. I, VI der Anweisungen an die Prüfungsausschusse (ABl. EPA 1983, 296 ff.) und auf den Leitsatz der Entscheidung D 03/87 vom 28. September 1987.
III. In seiner Beschwerdebegründung macht der Beschwerdeführer geltend, das Schreiben vom 14. Oktober 1987, in dem der Vorsitzende der Prüfungskommission ihm mitgeteilt hat, er werde in Kürze die Mitteilung erhalten, daß er die Eignungsprüfung nicht bestanden habe, stehe in Widerspruch zum Protokoll vom 17. November 1987. Die Entscheidung über sein Nichtbestehen sei daher schon vor der Sitzung der Prüfungskommission am 17. November getroffen worden. Er macht auch geltend, erstens, daß in der Bewertung seiner Prüfungsarbeiten die Praxis-Relevanz seines Versagens nicht richtig berücksichtigt wurde (D 01/86, ABl. EPA 1987, 495), zweitens, daß er bei allen vier Prüfungsarbeiten die nächstbeste Note nur knapp verfehlt habe und deswegen das Gesamtergebnis nochmals überprüft werden mußte und drittens beklagte er sich über die Arbeitsbedingungen bei der Eignungsprüfung. Er kritisierte weiter die Kriterien für die Bewertung der Prüfungsaufgabe A sowie den Umstand, daß die Bewertungsunterlagen nicht eindeutig erkennen lassen, ob die Bewertung seiner Arbeiten in einheitlicher Weise vorgenommen wurde. Er beklagte sich schließlich noch, daß es für ihn nicht möglich gewesen sei, in Erfahrung zu bringen, welche Personen für die zuständigen Prüfungsausschusse ernannt wurden.
Die Prüfungskommission hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie daher mit Schreiben vom 15. März 1988 der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorgelegt.
IV. In einem Zwischenbescheid vom 12. Juli 1988 teilte der Berichterstatter der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten dem Beschwerdeführer mit, daß die Beschwerdekammer den Eindruck gewonnen habe, daß die Handhabung seines Falles voll in Einklang mit den Grundsätzen stehe, nach denen die Kammer in dem Verfahren DO 03/86 und D 03/87 entschieden hat. Dem Argument, Einspruchsverfahren seien weniger zahlreich - und deswegen weniger praxis-relevant - als Anmelderverfahren, komme kein Gewicht zu: ein zugelassener Vertreter müsse fähig sein, auch Einspruchsverfahren in jedem Fall ordnungsgemäß zu bearbeiten. Arithmetischen Überlegungen über Noten könnte keine Bedeutung beigemessen werden. Auch scheinen die anderen Argumentationen und Klagen des Beschwerdeführers nicht überzeugend zu sein. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
V. Die Beschwerdekammer hat sowohl dem Präsidenten des Europäischen Patentamts als auch dem Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter nach Artikel 23 (4) VEP i.V.m. Artikel 12 Satz 2 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheit von zugelassenen Vertretern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Präsident des Rates des Instituts hat in seiner Stellungnahme u. a. ausgeführt, daß das Institut nicht akzeptieren könne, daß die Namen der einzelnen Prüfer den Bewerbern bekanntgegeben werden. Der Präsident des Amtes sah keine Veranlassung, zum Beschwerdeverfahren Stellung zu nehmen.
VI. Mit Schreiben vom 15. September 1988 hat der Beschwerdeführer zum Zwischenbescheid Stellung genommen. Er hat seine frühere Argumentation wiederholt und weiterentwickelt und eine mündliche Verhandlung beantragt.
VII. In der mündlichen Verhandlung, die am 6. März 1989 stattfand, war der Präsident des Amtes vertreten durch Herrn B. Cawthra und Herrn D. Bernecker als Sachverständiger. Der Beschwerdeführer war selbst anwesend. Im Laufe der mündlichen Verhandlung wurde u. a. die Frage erörtert, ob und wie die in Artikel 12 (3) VEP vorgeschriebene "Gesamtprüfung" in Grenzfällen tatsächlich gehandhabt wurde. Nach der Verhandlung hat die Beschwerdekammer mit Schreiben vom 7. März 1989 den Vorsitzenden der Prüfungskommission um eine Erläuterung hierzu gebeten.
VIII. Mit Schreiben vom 10. März 1989 hat die Prüfungskommission erklärt, daß im Anschluß an die Bewertung der Prüfungsarbeiten die Bewerber, die durch Nummern gekennzeichnet seien, in drei Gruppen eingeteilt werden, zu einer davon gehören die Grenzfälle, über deren Ergebnis die Prüfungskommission nach Artikel 12 (3) VEP zu entscheiden hat. Die Grenzfallbewerber werden nach ihrem Notenbild weiter untergliedert in Übereinstimmung mit den "Anweisungen für die Bewertung". Vor der Sitzung der Prüfungskommission haben dann die Mitglieder der Prüfungskommission Gelegenheit, die Prüfungsarbeiten und Bewertungsunterlagen durchzusehen. Hiervon wird rege Gebrauch gemacht. In der Sitzung der Prüfungskommission erteilt der Vorsitzende der Kommission den Vorsitzenden der drei Prüfungsausschusse das Wort. In der anschließenden Diskussion sucht die Kommission eine Antwort auf die Frage, ob die mit der Note 5, 6 oder 7 bewertete(n) Arbeit(en) durch Leistungen in den anderen Arbeiten aufgewogen werden können. Der Verlauf der Entscheidungsfindung wird in einem Protokoll festgehalten.
IX. Eine Kopie dieses Schreibens wurde dem Beschwerdeführer übersandt. Er reagierte darauf in einem Schreiben vom 21. März 1989. Er rügte dabei u. a., daß die erstellte Arbeitsunterlage keine so weitgehende Differenzierung enthalte, wie dies für eine angemessene Beurteilung des Bewerbers erforderlich sei. Außerdem genüge die bloße Gelegenheit zur Durchsicht der Arbeiten eines Bewerbers nicht. In jedem Grenzfall müssen die Arbeiten tatsachlich durchgesehen werden.
Er habe den Eindruck, daß das in seinem Fall nicht der Fall gewesen sei. Der Beschwerdeführer wies weiter auf die Grundrechtsrelevanz der in Zusammenhang mit der europäischen Eignungsprüfung stehenden Fragen hin. Schließlich beanstandete er noch die hohe Durchfallquote von 49 %.
X. Am 6. April 1989 teilte der Sekretär der Prüfungskommission mit, daß er keine Veranlassung sehe, auf die Frage, wie die Gesamtprüfung im Falle des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei, anders Stellung zu nehmen als durch Hinweis auf das Protokoll vom 17. November 1987.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 (2) VEP und ist daher zulässig.
2. In Prüfungsangelegenheiten beschränkt sich die Befugnis der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten grundsätzlich darauf, Entscheidungen der Prüfungskommission dahin zu überprüfen, ob nicht die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder höherrangiges Recht verletzt sind. Soweit die Prüfungskommission im Rahmen ihres Ermessens entschieden hat, kann die Kammer nicht ein eigenes Ermessen ausüben. Es handelt sich also grundsätzlich um eine Kontrolle formaler Art zur Gewährleistung der Rechtssicherheit.
3. Die in diesem Fall angefochtene Entscheidung der Prüfungskommission ist eine sog. Grenzfall-Entscheidung nach Artikel 5 (3) Satz 2 in Verbindung mit Artikel 12 (3) VEP. Die Kammer hat sich während der letzten Jahre Wiederholt mit solchen Entscheidungen befaßt. Nach der Rechtsprechung der Kammer in diesem Bereich bedarf eine Grenzfall-Entscheidung einer Begründung, die konkret auf den Einzelfall eingeht, um eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob irgendwelche der in Artikel 23 (l) VEP genannten Bestimmungen verletzt worden sind. Wie ausführlich diese Begründung sein muß, hängt natürlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Kammer hat jedoch in der grundlegenden Entscheidung vom 7. Mai 1987 in den Sachen D 0l/B6, D 02/86, D 03/86 {ABl. EPA 1987, 489) betont, daß die Begründung sich auf knappe Ausführungen beschränken kann, durch die die Anwendung der sich aus Artikel 12 VEP und den Anweisungen ergebenden Grundsätze auf den konkreten Fall nachvollziehbar und damit überprüfbar wird. In einer späteren Entscheidung vom 28. September 1987 in der Sache D 3/87 {A.Bl. EPA 1988, 31) hat die Kammer ferner ausgeführt, daß in solchen Grenzfällen, auf die Nr. VI oder Nr. VII der Anweisungen Anwendung findet, d. h. in denen der Bewerber eine Note 6 oder sogar nur 7 erzielt hat, das Erfordernis eines Eingehens auf die konkreten Umstände des Einzelfalles durch die bloße Bezugnahme auf Nr. VI oder Nr. VII der Anweisungen ersetzt werden kann, sofern die dort veröffentlichten Grundsätze die Entscheidung allein tragen. Der Grund für diese Vereinfachung ist natürlich der, daß bei Grenzfällen dieser Art die schlechten Noten selbst ein Bestehen der Prüfung verhindern (Nr. VII) oder ein Bestehen nur dann gestatten, wenn die Ergebnisse der übrigen Prüfungsarbeiten erheblich über der Note 4 (Befriedigend) liegen (Nr. VI).
4. In dem vorliegenden Fall, bei dem der Beschwerdeführer in der Prüfungsarbeit C die Note 6 (Mangelhaft) und in allen drei anderen Prüfungsarbeiten kein besseres Resultat als die Note 4 erzielt hat, liegt offensichtlich eine Vermutung dafür vor, daß der Beschwerdeführer die Prüfung nicht bestanden hat, vorausgesetzt, daß die Bewertung der maßgeblichen Prüfungsarbeit als einwandfrei anzusehen ist. Im Hinblick auf die besonderen Umstände dieses Einzelfalls hat die Kammer daher von Amts wegen die Bewertung der Prüfungsarbeit C überprüft. Es muß danach festgestellt werden, daß es keinen Anlaß gibt, diese Bewertung in Frage zu stellen.
Es gibt daher keinen Grund, von der im Zwischenbescheid vom 12. Juli 1988 vertretenen Auffassung abzuweichen und auch keinen Grund, das Vorgehen der Prüfungskommission, wie es schriftlich erläutert worden ist, aus Rechtsgründen zu beanstanden. Die Beschwerde muß daher zurückgewiesen werden.
Ungeachtet dieses Ergebnisses findet es die Kammer allerdings bedauerlich, daß die Prüfungskommission in ihrem Schreiben vorn 14. Oktober 1987 den Eindruck erweckt hat, daß der Fall des Beschwerdeführers schon vor dem 17. November 1987 endgültig entschieden war und auch, daß eine hinreichend transparente Erläuterung der Praxis der Prüfungskornmission in Grenzfällen nicht freiwillig und erst nach der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren gegeben wurde. Die Kammer hat Verständnis dafür, daß der Beschwerdeführer durch das zurückhaltende Verhalten der Prüfungskommission vor und in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen hat, daß die Gesamtprüfung seiner Prüfungsarbeiten nicht den Erfordernissen entsprochen habe.
Die Kammer hat schließlich geprüft, ob eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Betracht kommt.
Die für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr maßgebende Vorschrift, nämlich Art. 23 (4) Satz 3 VEP, lautet: "Gibt die Beschwerdekammer der Beschwerde statt, so ordnet sie an, daß die Beschwerdegebühr ganz oder teilweise zurückgezahlt wird, wenn dies der Billigkeit entspricht". Somit wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht nur an die Bedingung der "Billigkeit", sondern auch an die der "Stattgabe" geknüpft.
Da der Beschwerde nicht stattgegeben wurde, konnte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht angeordnet werden, auch wenn dies wegen der besonderen Umstände des Falles der Billigkeit entsprochen hatte.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.