D 0003/88 () of 15.9.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:D000388.19880915
Datum der Entscheidung: 15 September 1988
Aktenzeichen: D 0003/88
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat sich der 8. europäischen Eignungsprüfung vom 22.- 24. April 1987 unterzogen. Mit Schreiben vom 17.November 1987 gab ihm der Vorsitzende der Prüfungskommission für die vier Prüfungsarbeiten A, B, C und D die nach der veröffentlichten Bewertungsskala (ABl. EPA 1983, 296) erzielten Noten bekannt und teilte ihm mit, daß die Prüfungsarbeit D unzureichend sei (Note 5) und die Leistungen in den anderen Prüfungsarbeiten (Note 4) nicht ausreichten, um insgesamt die zum Bestehen erforderliche Bewertung zu erzielen.

II. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und beantragt, die Entscheidung im Wege der Abhilfe nach Artikel 23 (3) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (VEP) aufzuheben und festzustellen, daß er die Prüfung bestanden habe .Hilfsweise wird beantragt, die angefochtene Entscheidung gemäß Artikel 23 (4) VEP auf ihre Rechtmäßigkeit zu Uberprüfen. Gleichzeitig wird auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

III. In der Beschwerdebegründung macht der Beschwerdeführer zusammenfassend geltend, daß die Prüfungskommission in ihrer durch die Beschwerde angegriffenen Entscheidung sowohl die VEP und die Anweisungen an die Prüfungsausschusse für die Bewertung der Prüfungsarbeiten ("Anweisungen") verletzt habe, als auch die Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 7. Mai 1987 in D 01/86, D 02/86 und D 03/86 vollständig unbeachtet gelassen habe, was einer Verletzung der VEP und der "Anweisungen" ebenfalls gleichkommt. Die Prüfungskommission habe (im Protokoll vom 17. November 1987 über sein Ergebnis in der Prüfung) zur Begründung ihres negativen Urteils nur ausgeführt, daß "angesichts der schwachen Leistung in der Arbeit D" ein Bestehen der Prüfung auch im Lichte der, wie sie es ausdrückt, "zufriedenstellenden" Leistungen in den Arbeiten A, B und C nicht gerechtfertigt sei, ohne auf für den Beschwerdeführer nachvollziehbare Weise plausibel im Sinne des Begründungserfordernisses der erwähnten Rechtsprechung eine Erklärung der Gründe zu geben, die sie zur Abgabe ihres Urteils bewogen habe. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß er in der Prüfungsaufgabe D vom einen Prüfer 53 und vom anderen Prüfer 51 Punkte bekommen habe, d. h. gemittelt 52 Punkte. Die Note 4 (Befriedigend) wurde lediglich um 3,5 Punkte verfehlt, d. h. das erzielte Ergebnis lag im oberen Drittel des Punktebereichs für die Note 5 (Leicht mangelhaft, 45,5-55), war also lediglich nur um ein Geringes schlechter als die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung insgesamt ausgereicht hätte. Der Beschwerdeführer hat auch darauf hingewiesen, daß er in der - seiner Meinung nach - objektiv schwersten und zeitaufwendigsten Prüfungsaufgabe (C) 59/58 Punkte bekommen hat, wobei ihn in dieser Aufgabe nur 1 bzw.2 Punkte vom Erreichen der Note 3 {Gut) trennten, mit der gemäß Nr. VIII der "Anweisungen" sogar die Note 6 (Mangelhaft) ausgeglichen werden kann. Die Prüfungskommission hatte insgesamt die für eine Grenzfall­Entscheidung der vorliegenden Art in den VEP, den "Anweisungen" und den Entscheidungen der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten aufgestellten Grundsätze nicht beachtet.

IV. Die Prüfungskommission hat die Beschwerde auf ihrer Sitzung am 10. März 1988 nach Artikel 23 (3) VEP überprüft, aber beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Die Beschwerde wurde daher der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten mit Schreiben vom 15. März 1988 vorgelegt.

V. Die Kammer hat sowohl dem Präsidenten des Europäischen Patentamts als auch dem Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter nach Artikel 23 (4) VEP i.V. m. Artikel 12 Satz 2 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, aber beide haben mitgeteilt, daß sie keine Veranlassung sehen, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 (2) VEP und ist daher zulässig.

2. In Prüfungsangelegenheiten beschränkt sich die Befugnis der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten normalerweise darauf, Entscheidungen der Prüfungskommission dahin zu überprüfen, ob nicht die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder höherrangiges Recht verletzt sind. Die Kammer ist nach Artikel 23 (4) Satz 2 VEP grundsätzlich nur befugt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Wie allerdings die Entscheidung der Kammer vom 7. Mai 1987 (ABl. EPA 1987, 489) erkennen läßt, wäre es unter besonderen Voraussetzungen denkbar, daß die Kammer auch in Ermessensangelegenheiten die angefochtene Entscheidung der Prüfungskommission durch ihre eigene ersetzen kann (vgl. Gründe Nr. 2).

3. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich, daß die von der Prüfungskommission getroffene Entscheidung nicht den Erfordernissen einer individuellen Begründung genügt, die von der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in der vorerwähnten Entscheidung vom 7. Mai 1987 aufgestellt wurden. Der einzige Unterschied zwischen der damaligen und der jetzigen Situation scheint darin zu bestehen, daß diesmal das Protokoll über die Sitzung der Prüfungskommission vom 17. November 1987 folgende Bemerkung enthält:

"Die Leistungen in den Arbeiten A, B und C waren zufriedenstellend, jedoch angesichts der schwachen Leistung in der Arbeit D nicht so günstig, daß sie ein Bestehen der Prüfung gerechtfertigt hätten, Nrn. I, V der Anweisungen an die Prüfungsausschüsse für die Bewertung der Prüfungsarbeiten (ABl. EPA 1983, 296 ff.)."

Eine derart allgemeine Feststellung ist aber, auch wenn sie einen Hinweis auf die Nrn. I und V der "Anweisungen" enthält, nicht substantiiert genug, um der Kammer (und dem Beschwerdeführer) eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob irgendwelche der in Art. 23 (1) VEP genannten Bestimmungen verletzt worden sind. Aber selbst wenn, wie in der Entscheidung vom 7. Mai 1987 ausgeführt (vgl. Nr. 4.1 und 4.2 der Gründe), die Begründung sich auf einen Hinweis oder eine knappe Erläuterung beschränken kann, durch die der Gebrauch des Ermessens in einer für die Zwecke von Art. 23 (1) VEP ausreichenden Weise verständlich und damit überprüfbar wird, muß, in einem Grenzfall der vorliegenden Art, wo der Bewerber drei Aufgaben bestanden hat und bei der vierten Aufgabe nur knapp gescheitert ist (Note 5, Leicht mangelhaft), auf die konkreten Umstände hingewiesen werden, z. B. auf einen ganz besonders schweren Fehler oder darauf, daß es dem Bewerber an der Fähigkeit mangelt, mit Problemen fertig zu werden, die für die berufliche Praxis von hoher Relevanz sind. Da in dem vorliegenden Fall derartige Erläuterungen fehlen, kann die Kammer nicht nachvollziehen, von welchen Überlegungen sich die Prüfungskommission bei der Ausübung ihres Ermessens leiten ließ. Zudem erscheint es angesichts der hier vorliegenden Fakten irreführend, die in den "Anweisungen" festgelegte Qualifizierung "Leicht mangelhaft" dann im Protokoll durch den Ausdruck "schwachen Leistung" zu umschreiben. Unter einer schwachen Leistung kann weit weniger verstanden werden als unter einer leicht mangelhaften Arbeit.

Da die angefochtene Entscheidung somit nicht ausreichend mit Gründen versehen ist, muß sie gemäß Art. 23 (1) und (4) VEP aufgehoben werden.

4. Um Missverständnisse auszuschließen, halt es die Kammer jedoch für angebracht, darauf hinzuweisen, daß zwischen einem Grenzfall der vorliegenden Art und einem der Art, der Gegenstand der Entscheidung der Kammer vom 28. September 1987 war (D 3/87, ABl. EPA 1988, 31) ein erheblicher Unterschied besteht. In dem letztgenannten Fall waren die vom Bewerber erzielten Ergebnisse deutlich weniger günstig, da sich unter den Noten sogar eine 6 (Mangelhaft) befand.

5. Die Sache muß daher zur Fortsetzung des Verfahrens an die Prüfungskommission zurückverwiesen werden. Die Kammer möchte allerdings bemerken, daß sie sich im Hinblick auf die offensichtliche Notwendigkeit, die Dauer eines Verfahrens nicht endlos auszudehnen, gezwungen sehen könnte, selbst in der Sache zu entscheiden, falls sie erneut damit befaßt werden sollte und sich dabei herausstellen sollte, daß die neue Entscheidung wiederum nicht ausreichend begründet ist.

6. Der Beschwerdeführer hat erklärt, daß er entgegen einem früher gestellten Hilfsantrag keine mündliche Verhandlung begehrt, falls die Kammer die angefochtene Entscheidung aufhebt und die Sache an die Prüfungskommission zurückverweist. Da dies geschieht, erübrigt sich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung an die Prüfungskommission zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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