D 0015/17 () of 13.2.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:D001517.20180213
Datum der Entscheidung: 13 Februar 2018
Aktenzeichen: D 0015/17
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin nahm an der europäischen Eignungsprüfung 2017 teil. Ihre Prüfungsarbeiten wurden wie folgt bewertet: Prüfungsaufgabe B mit 69 Punkten, Prüfungsaufgabe C mit 39 Punkten und Prüfungsaufgabe D mit 30 Punkten.

II. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die mit Entscheidung vom 6. Juli 2017 getroffenen Feststellungen der Prüfungskommission für die Europäische Eignungsprüfung, dass die Prüfungsaufgabe C der europäischen Eignungsprüfung 2017 mit 39 Punkten und damit als "nicht bestanden" zu werten ist.

III. Die Beschwerdeführerin legte gegen die Entscheidung vom 6. Juli 2017 form- und fristgerecht Beschwerde ein, der die Prüfungskommission nicht abhalf. Mit Schreiben vom 13. September 2017 legte die Prüfungskommission die Beschwerde der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (Beschwerdekammer) vor.

IV. Die Beschwerdekammer lud am 1. Dezember 2017 zur mündlichen Verhandlung und legte in einem Bescheid vom 22. Dezember 2017 ihre vorläufige Auffassung dar.

V. Mit Schreiben vom 6. Februar 2018 nahm die Beschwerdeführerin zum Bescheid der Beschwerdekammer Stellung und ergänzte ihre Argumentation.

VI. Am 13. Februar 2018 fand eine nicht öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin, der Präsident des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (epi) sowie eine vom Präsidenten des Europäischen Patentamtes (EPA) bestimmte Vertreterin teilnahmen (Artikel 24(4) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter [VEP, Zusatzpublikation zum Amtsblatt EPA 2/2017, 2] in Verbindung mit Artikel 14 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern [Zusatzpublikation zum Amtsblatt EPA 1/2017, 127]).

VII. Zur Begründung ihrer Beschwerde machte die Beschwerde-führerin schwere und eindeutige Fehler bei der Bewertung ihrer Prüfungsarbeit zur Prüfungsaufgabe C der europäischen Eignungsprüfung 2017 in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 geltend.

VIII. Die entscheidungserheblichen Argumente der Beschwerde­führerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Zum Anspruch 2 der Prüfungsaufgabe C

In Bezug auf Anspruch 2 der Anlage 1 sei laut dem Prüferbericht ein Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Anlage 5 als nächstliegendem Stand der Technik erwartet worden (Prüferbericht Seiten 5 und 10 f.). Da der Gegenstand des Anspruchs 2 der Anlage 1 gegenüber demjenigen der Anlage 5 zwei Unterscheidungsmerkmale mit separaten und nicht zusammenhängenden technischen Wirkungen aufwies, sei eine Argumentation auf Grundlage von zwei Teilaufgaben erwartet worden, wobei die Anlage 5 für die erste Teilaufgabe mit der Anlage 2 und für die zweite Teilaufgabe mit der Anlage 6 zu kombinieren war.

Die Beschwerdeführerin habe abweichend von der erwarteten Lösung einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Anlage 6 erhoben. Wie bei der erwarteten Lösung hätten sich auch bei diesem Ausgangsdokument für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz zwei Unterscheidungsmerkmale mit separaten und nicht zusammenhängenden technischen Wirkungen ergeben. Die Beschwerdeführerin habe zwei Teilaufgaben formuliert, wobei sie die Anlage 6 für die erste Teilaufgabe mit der Anlage 2 und für die zweite Teilaufgabe mit der Anlage 5 kombiniert habe.

Beide Prüfer hätten übereinstimmend die Ausführungen der Beschwerdeführerin mit 0 Punkten bewertet. Diese pauschale Bewertung sei einzig in der Wahl eines abweichenden Ausgangsdokuments begründet. Solch eine Bewertung widerspreche dem "fit to practice" Kriterium beziehungsweise dem Grundsatz, dass vom Prüferbericht abweichende, aber dennoch zumindest vertretbar und kompetent begründete Antworten gerecht zu bewerten sind. Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Anlage 6 sei eine vertretbare Alternative zur erwarteten Lösung.

b) Zu den Ansprüchen 6 und 7 der Prüfungsaufgabe C:

Gegen die Ansprüche 6 und 7 der Anlage 1 sei laut dem Prüferbericht ein Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von einem an einer Weinmesse verkauften Korkenzieher erwartet worden (Seiten 4, 7, 15 und 16 der deutschen Fassung des Prüferberichts). Die Anlage 4 war dabei lediglich als Dokumentation dieser öffentlichen Vorbenutzung zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass der Prüferbericht auf einer unrichtigen Beurteilungsgrundlage beruht. Die Aufgabenstellung sei unklar und irreführend gewesen. Der Anlage 4 hätte nicht entnommen werden können, wo der auf der Messe verkaufte Korkenzieher beschichtet gewesen sei. Der Hinweis in der Anlage 4, dass die Beschichtung das "Entfernen der Korken" erleichtere, hätte keinen Hinweis zur Lage der Beschichtung geliefert. Das Wort "Entfernen" sei in der gesamten Prüfungsaufgabe C im Sinne von "Herausziehen aus dem Flaschenhals" verwendet worden. Eine Beschichtung des Korkenziehers erleichtere das Entfernen nicht, es sei denn, die Beschichtung sei am Griff angebracht, um diesen griffig zu machen. Daher sei der Hinweis in der Anlage 4 nicht nur unklar, sondern irreführend gewesen. Dass der wendelförmige Abschnitt des auf der Messe verkaufte Korkenziehers beschichtet war, und die reibungsmindernde Eigenschaft der Beschichtung das Hineindrehen des wendelförmigen Abschnitts in den Korken erleichtert habe, sei kein inneres Merkmal, sondern ergebe sich nur in Wechselwirkung mit der Umgebung und sei daher nach der Entscheidung G 1/92 nicht offenbart gewesen. Der laut Prüferbericht erwartete Angriff der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von dem an der Messe verkauften Korkenzieher sei folglich entgegen Regel 22(3) ABVEP nicht ohne besondere Fachkenntnisse und/oder den Sachverhalt interpretierende Annahmen zu formulieren gewesen.

Darüber hinaus habe die für die Ansprüche 6 und 7 relevante Sachverhaltsdarstellung, namentlich auch die Anlage 4, keine Angaben enthalten, die von den Bewerbern zur Begründung hätten herangezogen werden können, weshalb ein Fachmann nach dem "could/would-approach" veranlasst gewesen wäre, den auf der Messe verkauften Korkenzieher mit einem anderen Dokument, namentlich mit der Anlage 2, zu kombinieren, um die objektive technische Aufgabe zu lösen und so zum Erfindungsgegenstand zu gelangen.

Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, die Bewertung ihrer Ausführungen in Bezug auf die Ansprüche 6 und 7 mit 0 Punkten verstoße gegen den Grundsatz einer gerechten Bewertung, da ihre Antworten in Teilen mit der erwarteten Lösung übereinstimmend gewesen seien. Die Anlage 5 sei ein alternatives Ausgangsdokument gewesen. Die Anlage 5 offenbare ein Korkenextraktionselement umfassend einen geraden Abschnitt mit einer daran angebrachten Scheibe (die in der Figur der Anlage 5 sichtbare unterste Rippe) und einem spiralförmigen Abschnitt. Anspruch 5 der Anlage 1, auf den sich die Ansprüche 6 und 7 zurückbezogen, sei offen formuliert gewesen. Deswegen sei unerheblich, dass der Korkenzieher der Anlage 5 zusätzliche Merkmale, namentlich zwei in die Rippen des geraden Abschnitts eingreifende gezahnte seitliche Arme, aufweise. Weiter gehe aus der Anlage 5 hervor, dass die Rippen eine verschleißmindernde Beschichtung aufweisen, nämlich eine Polydionysius- oder Polybacchusbeschichtung. Die Anlage 2 liege auf dem gleichen Gebiet der Technik und könne daher mit der Anlage 5 kombiniert werden. Abschnitt [0006] der Anlage 2 entnehme der Fachmann, dass eine Polybacchusbeschichtung reibungsmindernde Eigenschaften habe. Dies hätte den Fachmann dazu bewogen, eine Beschichtung am spiralförmigen Abschnitt des Korkenziehers der Anlage 5 vorzusehen.

c) Anträge auf Bewertung

Die Beschwerdeführerin verwies hinsichtlich ihrer Anträge, für ihre Arbeit mindestens 11 oder hilfsweise mindestens 6 zusätzliche Punkte und gestützt darauf die Gesamtnote "bestanden" oder hilfsweise "nicht bestanden mit Ausgleichsmöglichkeit" zu vergeben, auf die Entscheidungen D 2/17 und D 5/14. Als besondere Gründe für eine Bewertung ihrer Prüfungsarbeit durch die Beschwerdekammer machte sie geltend, dass im Falle einer Zurückverweisung angesichts der äußerst kurzen Zeitspanne zwischen dem Termin der mündlichen Verhandlung und demjenigen der europäischen Eignungsprüfung 2018 eine erneute Bewertung der Prüfungsarbeit selbst bei einer bevorzugten Behandlung der Angelegenheit durch die Prüfungskommission und den Prüfungsausschuss vernünftigerweise nicht zu erwarten ist. Sodann habe die Prüfungskommission der Beschwerde trotz eines schwerwiegenden Fehlers nicht abgeholfen.

IX. Die Schlussanträge der Beschwerdeführerin sind wie folgt: Sie beantragte

a) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Prüfungskommission vom 6. Juli 2017;

b) die Beurteilung der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2017 der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 und die Festsetzung einer Gesamtnote "bestanden" unter Vergabe von mindestens 11 zusätzlichen Einzelpunkten für die Lösung der Prüfungsaufgabe in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7;

c) hilfsweise, die Beurteilung der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2017 der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 und die Festsetzung einer Gesamtnote "nicht bestanden mit Ausgleichsmöglichkeit" unter Vergabe von mindestens 6 zusätzlichen Einzelpunkten für die Lösung der Prüfungsaufgabe in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7;

d) hilfsweise, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungskommission zur neuerlichen Beurteilung der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2017 der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 mit der Anordnung, mit der Auflage, mindestens 11 zusätzliche Einzelpunkte für die Lösung der Prüfungsaufgabe in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 zu vergeben;

e) hilfsweise, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungskommission zur neuerlichen Beurteilung der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2017 der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 mit der Anordnung, mit der Auflage, mindestens 6 zusätzliche Einzelpunkte für die Lösung der Prüfungsaufgabe in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 zu vergeben;

f) hilfsweise, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungskommission zur neuerlichen Beurteilung der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2017 der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ansprüche 2, 6 und 7 und zur Neufestsetzung der Gesamtnote auf der Grundlage der neuerlichen Beurteilung durch die Prüfungskommission;

g) die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

2.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die Bewertung ihrer Prüfungsarbeit in Bezug auf den Anspruch 2 der Anlage 1 mit 0 Punkten.

2.1.1 Die Beschwerdekammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass sich die Bewertung des von ihr ausgeführten Angriffs der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Anlage 6 mit 0 von 20 Punkten anhand des Prüferberichts nur damit erklären lässt, dass die Beschwerdeführerin die Anlage 6, und damit einen vom Prüferbericht abweichenden nächstliegenden Stand der Technik, zum Ausgangspunkt für einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit genommen hat.

2.1.2 Zur Begründung, warum Anlage 6 nicht als Ausgangspunkt für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz in Frage kommt, findet sich einzig folgende Aussage im Prüferbericht (Seite 5 der deutschen Fassung, Hervorhebung durch die Beschwerdekammer):

"Anlage 6 stellt einen Korkenzieher mit Zugelement dar, der über eine Feder um den geraden Abschnitt des Extraktionselements verfügt. Aufgrund der Feder können die gezahnten Arme nicht in Rippen im geraden Abschnitt greifen."

Der Prüferbericht sieht mithin in der Feder des in der Anlage 6 offenbarten Korkenziehers ein technisches Hindernis, das die Wahl dieses Dokuments als nächstliegender Stand der Technik ausschließt.

2.1.3 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten sind vom Prüferbericht abweichende, aber dennoch zumindest vertretbar und kompetent begründete Antworten gerecht zu bewerten (siehe D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, 2. Leitsatz sowie Nr. 13 der Entscheidungsgründe; D 12/82, ABl. EPA 1983, 233, Nr. 3 der Entscheidungsgründe). Diese Verpflichtung leitet sich aus dem Zweck der Europäischen Eignungs­prüfung ab, die Berufsbefähigung ("fit to practice") der Bewerberinnen und Bewerber festzustellen (Artikel 1(1) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter, VEP, ABl. EPA 2017, Zusatzpublikation 2, 2). Diese Rechtsprechung schließt nicht aus, dass eine Antwort zu einer Teilaufgabe der Prüfungsaufgabe C mit 0 Punkten bewertet wird. Dies ist beispielsweise denkbar, wenn für einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ein Ausgangsdokument gewählt wird, das nicht vertretbar als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden kann, oder wenn trotz formal korrekter Strukturierung eines solchen Einwands nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz inhaltliche Mängel bestehen, so dass die Ausführungen den Anforderungen an einen kompetent und logisch begründeten Einwand im Rahmen einer Einspruchsschrift gegen ein europäisches Patent nicht genügen.

2.1.4 Die Aussage im Prüferbericht, dass die Feder des Korkenziehers gemäß der Anlage 6 ein technisches Hindernis darstelle, das die Wahl dieses Dokuments als nächstliegenden Stand der Technik ausschließe, wurde in parallelen Beschwerdeverfahren als sachlich unzutreffend beanstandet.

2.1.5 Wie die untenstehende Figur, die zwar in einem Parallelverfahren vorgelegt wurde (D 14/17), aber auch für das vorliegende Verfahren relevant und deshalb von der Beschwerdekammer von Amts wegen berücksichtigt wird, zeigt, besteht das vorgebliche Hindernis bereits bei summarischer Prüfung ganz offensichtlich nicht.

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

2.1.6 Damit fällt der einzige Grund weg, der laut Prüfer­bericht gegen die Anlage 6 als Ausgangsdokument spricht. Folglich ist Anlage 6 ein alternatives Ausgangsdokument für einen Angriff der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen Anspruch 2 der Anlage 1.

2.1.7 Die pauschale Bewertung der Prüfungsarbeit der Beschwerdeführerin zu dieser Teilaufgabe mit 0 Punkten allein wegen der fälschlich als technisch nicht vertretbar erachteten Wahl von Anlage 6 als nächstliegenden Stand der Technik widerspricht folglich dem Anspruch auf eine gerechte Bewertung von abweichenden, aber dennoch vertretbaren und kompetent begründeten Antworten. Dabei ist unerheblich, welches Dokument im Zuge einer umfassenden Beurteilung aller möglichen und vertretbaren Ansätzen am Ende eher als vorzugswürdiger nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, und ob der Ansatz im Prüferbericht dann möglicherweise zu bevorzugen wäre.

2.2 Die Beschwerdeführerin wendet sich des Weiteren gegen die Bewertung ihrer Prüfungsarbeit in Bezug auf die Ansprüche 6 und 7 der Anlage 1 mit jeweils 0 Punkten. Die Beschwerdeführerin vermochte mit ihren Rügen indessen nicht durchzudringen.

2.2.1 Der Beschwerdeführerin ist zunächst darin zuzustimmen, dass weder der Anlage 4, namentlich nicht der darin enthaltenen Abbildung, noch dem Schreiben des Klienten zu entnehmen war, welcher Teil des an der Weinmesse verkauften Korkenziehers beschichtet war. In Anbetracht der einfachen Konstruktion gab es vernünftigerweise nur zwei Bereiche für eine Beschichtung: der wendelförmige in den Korken eingreifende Bereich und der Griff. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Aussage in der Anlage 4, die Polyfluorkohlenstoff-Beschichtung erleichtere "das Entfernen der Korken", ausschließlich eine Beschichtung des Griffs nahegelegt habe, vermochte die Beschwerdekammer nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass der Ausdruck "Entfernen" den Vorgang des Extrahierens des Korkens bezeichnet. Doch war angesichts der verfügbaren Information, dass eine Polyfluorkohlenstoff-Beschichtung reibungsmindernde Eigenschaften hat, die Auffassung der Beschwerdeführerin, diese Beschichtung müsse am Griff des an der Weinmesse verkauften Korkenziehers angebracht gewesen sein, nicht schlüssig. Die Griffigkeit wäre jedenfalls nicht befördert und somit auch das "Entfernen der Korken" nicht erleichtert worden. So blieb letztlich nur der wendelförmige Bereich des an der Messe verkauften Korkenziehers als Ort, an dem eine Beschichtung angebracht war. Die Erwartungshaltung im Prüferbericht, dass die Bewerberinnen und Bewerber ausgehend von den Angaben in der Anlage 4 auf eine Beschichtung des wendelförmigen Bereichs des an der Messe verkauften Korkenziehers schließen, verletzt daher nach Auffassung der Beschwerdekammer Regel 22(3) ABVEP nicht. Im Kontext eines Zeitungsartikels, der nicht die gleiche sprachliche Präzision einer Patentschrift erwarten lässt, erachtet die Beschwerdekammer namentlich auch die in der Prüfungsaufgabe verwendete Terminologie als nicht irreführend. Die Wendung "Entfernen der Korken" war im Kontext als Vorgang des Öffnens einer mit einem Korken verschlossenen Flasche verständlich. Zur Frage, ob die chemische Zusammensetzung der Beschichtung des an der Messe verkauften Korkenziehers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, erwartete der Prüferbericht im Zusammenhang mit den Anspruch 5 der Anlage 1 eine begründete Stellungnahme. Die Beschwerdeführerin hat keine Anhaltpunkte benannt, die begründeten Anlass zur Annahme hätten geben können, dass abweichende, aber kompetent begründete Antworten in diesem Punkt unberücksichtigt geblieben wären.

2.2.2 Folglich ist auch das Argument nicht stichhaltig, dass die Sachverhaltsdarstellung der Prüfungsaufgabe C keine Angaben enthalten habe, die von den Bewerbern zur Begründung hätte herangezogen werden können, weshalb ein Fachmann nach dem "could/would-approach" veranlasst gewesen wäre, den an der Messe verkauften Korkenzieher mit einem anderen Dokument, namentlich mit der Anlage 2, zu kombinieren. Der Beweggrund für eine Kombination des an der Messe verkauften Korkenziehers mit der Anlage 2 ist vielmehr in der Information der Anlage 4 über das Vorhandensein und die chemische Zusammensetzung einer Beschichtung des an der Messe verkauften Korkenziehers zu sehen, wobei als Stelle einer Beschichtung wegen deren Eigenschaft und des Hinweises, dass sie das "Entfernen der Korken" erleichtere, praktisch nur der wendelförmige Bereich in Frage kam.

2.2.3 Die Argumentation der Beschwerdeführerin in Bezug auf den mangelnden Beweggrund, den an der Messe verkauften Korkenzieher mit der Anlage 2 zu kombinieren, stellt auch die Eignung der Anlage 5 als alternatives Ausgangsdokument für einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit in Frage. Abschnitt [0004] der Anlage 5 offenbart lediglich, dass die Rippen, in die zwei gezahnte Seitenarme eingreifen, eine verschleißmindernde Beschichtung aufweisen können, die die Lebensdauer des Flaschenöffners verlängert. Der in ihrer Lage und technischen Wirkung gegenüber der Anlage 2 abweichenden Beschichtung konnte die Beschwerdekammer bei summarischer Betrachtung keinen technischen Beweggrund entnehmen, der den Fachmann nach dem "could/would-approach" veranlasst haben könnte, den Korkenzieher der Anlage 5 mit der Anlage 2 zu kombinieren, um das wendelförmige in den Korken eingreifende Element in Bezug auf das Merkmal einer Beschichtung zu modifizieren und so zum Erfindungsgegenstand zu gelangen. Auch dem Abschnitt [0005] der Anlage 5 war zu diesem Merkmal kein Beweggrund für eine Modifikation zu entnehmen. Die Beschreibung des Eindrehens des wendelförmigen Bereichs des Korken lässt Schwierigkeiten bei synthetischen Korken unerwähnt und der Hinweis auf eine geringere Anstrengung beim Entfernen der Korken bezieht sich auf die technische Wirkung der Hebelarme und nicht der verschleißmindernden Beschichtung der Rippen. Zielsetzung der Anlage 5 war es, ein Ziehen an der Vorrichtung zur Extraktion des Korkens zu vermeiden (siehe Abschnitt [0001] der Anlage 5), was bei der wendelförmigen Ausgestaltung des in den Korken eingreifenden Elements der Anlage 2 gerade das Ziel ist (siehe Abschnitt [0008] der Anlage 2). Das Argument, dass beide Dokumente auf dem gleichen technischen Gebiet lagen und der Beweggrund zur Kombination der Anlage 2 zu entnehmen war, widersprach dem Maßstab, den die Beschwerdeführerin selbst an den Beweggrund zur Kombination des an der Messe verkauften Korkenziehers mit der Anlage 2 legte. Sodann konnte die Beschwerdekammer nicht ausschließen, dass eine solche Argumentation als zu allgemein oder gar rückschauend beurteilt worden wäre und der Angriff ausgehend von Anlage 5 folglich als den Anforderungen an einen kompetent und logisch begründeten Einwand im Rahmen einer Einspruchsschrift nicht genügend angesehen worden wäre. Auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin gelangte die Beschwerdekammer daher nicht zur Überzeugung, dass die Anlage 5 eine evidente Alternative zu dem im Prüferbericht erwarteten nächstliegenden Stand der Technik war.

2.3 Nach dem Gesagten ist der Beschwerde in Bezug auf die Bewertung der Prüfungsarbeit der Beschwerdeführerin allein zu Anspruch 2, nicht aber auch zu Ansprüchen 6 und 7 stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

3. Anträge auf Bewertung

3.1 Gemäß Artikel 24(4), zweiter Satz, VEP hat die Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung aufzuheben, falls die Beschwerde zulässig und begründet ist. Die Sache wird dann an die Prüfungskommission zurückverwiesen mit der Anordnung, eine neuerliche Bewertung der in Frage stehenden Prüfung vorzunehmen zu lassen. Es stellt sich die Frage, ob besondere, gegen eine Zurückverweisung sprechende Gründe im Sinn von Artikel 12 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorliegen. Solche Gründe wurden bislang in wenigen Ausnahmefällen als gegeben angesehen (D 5/86, ABl. EPA 1989, 210, Punkt 9 der Entscheidungsgründe: Beschwerde gegen eine Disziplinarmaßnahme, Verfahrensdauer von 9 Jahren, mehrfache Anhörung eines Zeugen; D 11/91, ABl. EPA 1995, 721, Punkt 7.9 der Entscheidungsgründe: Beschwerde gegen eine Disziplinarmaßnahme, Verfahrensdauer von 7 Jahren; D 8/08 und D 9/08 vom 19. Dezember 2008, Punkt 8 der Entscheidungsgründe: Beschwerde gegen die Nichtzulassung zur Eignungsprüfung 2009, knappe Zeit bis zur Eignungs­prüfung). Bei Beschwerden gegen Entscheidungen der Prüfungskommission betreffend die Europäische Eignungsprüfung ist von der Möglichkeit gemäß Artikel 12 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, in der Sache zu entscheiden, bislang nur in Bezug auf die Vorprüfung Gebrauch gemacht worden (siehe etwa die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung D 5/14, Punkte 7 ff. der Entscheidungsgründe).

Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt nämlich die eigentliche Bewertung der Prüfungsleistung daraufhin, wie viele Punkte die jeweilige Antwort auf eine Prüfungsfrage verdient, nicht der Nachprüfung durch die Beschwerdekammer, ebenso wenig wie die Kriterien, aufgrund deren die Prüfungskommission die Wertigkeit der erwarteten Antworten auf die Prüfungsfragen bestimmt (vgl. D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Punkt 20 der Entscheidungsgründe). Dies ist gerechtfertigt, weil und soweit für die prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum wesentlich ist und eine gerichtliche Kontrolle auf eindeutige Rechts- und Ermessens- bzw. Beurteilungsfehler bei der Bewertung der Prüfungsarbeiten beschränkt ist. Die Rechtsprechung in Bezug auf die Vorprüfung wurde im Wesentlichen damit gerechtfertigt, dass die Prüfer bei der Bewertung der Multiple-Choice-Aufgaben der Vorprüfung keinen Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum haben und auch die Vergabe der Punktezahl schematisch und ermessens- bzw. beurteilungsfrei erfolgt.

3.2 Soweit die Beschwerdeführerin beantragte, dass ihre Prüfungsarbeit zu den Ansprüchen 2, 6 und 7 von der Beschwerdekammer neuerlich bewertet und ihrer Prüfungsarbeit mindestens 11, hilfsweise mindestens 6 weitere Einzelpunkte vergeben werden (siehe oben IX b) und c)), erforderte dies – anders als in der Beschwerdesache D 14/17 - eine Bewertung der Prüfungsleistung durch die Beschwerdekammer daraufhin, wie viele Punkte ihre Prüfungsarbeit in Bezug auf den hier maßgebenden Anspruch 2 verdient. Gleiches gilt auch für die Anträge der Beschwerdeführerin, die Prüfungskommission anzuweisen, eine entsprechende Anzahl zusätzlicher Punkte zu vergeben (siehe oben IX d) und e)).

Betreffend die Ansprüche 6 und 7 besteht, wie oben unter Punkt 2.2 ausgeführt, schon gar kein Anspruch auf Neubewertung. Ein solcher besteht einzig in Bezug auf den Anspruch 2.

Selbst angesichts der hohen Wertigkeit der Teilaufgabe zu Anspruch 2 hätte sich die Beschwerdekammer zwecks Zuerkennung der beantragten Anzahl Punkte im Einzelnen mit der Antwort der Beschwerdeführerin sowie der erwarteten Lösung auseinandersetzen und prüfungsspezifische Wertungen vornehmen müssen, die der Beschwerdekammer grundsätzlich nicht zustehen. Es war bei dieser großen Anzahl beantragter Punkte zudem nicht auszuschließen, dass eine neuerliche Bewertung hinter den Forderungen der Beschwerdeführerin zurückbliebe, so dass die Gesamtnote unverändert bliebe. Die Beschwerdekammer konnte sich daher – anders als in der Beschwerdesache D 14/17 – nicht auf eine Prüfung beschränken, ob eine Bewertung mit weniger als 6 Punkten eine unangemessene Ausübung des Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraums des zuständigen Prüfungsausschusses wäre.

Zwar bedeutete die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungskommission angesichts des zeitnah bevorstehenden Prüfungstermins für die Prüfungsaufgabe C 2018 eine Härte für die Beschwerdeführerin. Diese rechtfertigte indessen nicht, dass sich die Beschwerdekammer über ihre auf eindeutige Rechts- und Ermessens- bzw. Beurteilungsfehler beschränkte Überprüfungsbefugnis hinwegsetzt und in den Ermessens- bzw. Beurteilungsfreiraum des zuständigen Prüfungsausschusses eingreift, zumal abweichend von der Beschwerdesache D 14/17 von der Neubeurteilung der Prüfungsaufgabe C auch nicht das Bestehen der europäischen Eignungsprüfung insgesamt abhing.

Die Beschwerdekammer kam daher zum Schluss, dass keine besonderen, gegen eine Zurückverweisung sprechenden Gründe im Sinn von Artikel 12 der ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten gegeben waren, die eine Direktentscheidung durch die Beschwerdekammer gerechtfertigt hätten. Den auf eine Bewertung ihrer Prüfungsarbeit abzielenden Anträgen der Beschwerdeführerin konnte folglich nicht stattgegeben werden.

4. Da der Beschwerde insgesamt, wenn auch nur bezogen auf einen Anspruch auf Neubewertung der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers zur Anspruch 2 stattzugeben war, entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdegebühr ganz zurückzuzahlen (Artikel 24(4) VEP).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungskommission zurückverwiesen mit der Anordnung, den zuständigen Prüfungsausschuss anzuweisen, eine neuerliche Bewertung der Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2017 der Beschwerdeführerin in Bezug auf den Anspruch 2 vorzunehmen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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