D 0007/14 () of 14.1.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:D000714.20150114
Datum der Entscheidung: 14 Januar 2015
Aktenzeichen: D 0007/14
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 128 KB)
-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung des Prüfungssekretariats vom 30. Juli 2014, mit der die Anmeldung der Beschwerdeführerin für die Vorprüfung der europäischen Eignungsprüfung 2015 (EEP 2015) zurückgewiesen wurde.

II. Die angefochtene Entscheidung wurde wie folgt begründet:

Die Qualifikationen der Beschwerdeführerin erfüllten nicht die Anforderungen gemäß Artikel 11 (1) a) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP) i. V. m. Regel 11 (2) der Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (ABVEP). In diesem Zusammenhang werde auf die Entscheidungen der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12) verwiesen, die seit dem vergangenen Jahr veröffentlicht seien. Der Studiengang der Beschwerdeführerin, Patentingenieurwesen der Fachhochschule Amberg-Weiden mit dem Abschluss "Diplom-Ingenieur (FH)", sei ein interdisziplinär angelegter Studiengang, bei dem technische Kompetenzen in Maschinenbau, Elektrotechnik, sowie juristische, betriebswirtschaftliche und kommunikative Kenntnisse vermittelt würden. Nach eingehender Durchsicht der von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen (Diplom-Prüfungszeugnis) und der für diesen Studiengang relevanten Studien- und Prüfungsordnung sei festgestellt worden, dass nach einer Berechnung auf der Grundlage der von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen maximal 56,5 % der Inhalte der von der Beschwerdeführerin absolvierten Studiensemester als technisch oder naturwissenschaftlich anzuerkennen seien. Damit seien die Anforderungen der Regel 11 (2) ABVEP nicht erfüllt und eine Zulassung nur gemäß Regel 14 ABVEP möglich, wonach eine mindestens neunjährige Beschäftigungszeit gemäß Artikel 11 (2) a) VEP für die Zulassung zur Vorprüfung nachgewiesen werden müsse. Die anrechenbare Beschäftigungszeit der Beschwerdeführerin betrage zum 1. März 2015 sechs (6) Jahre und zehn (10) Monate, womit eine Zulassung zur EEP 2015 gemäß Regel 14 ABVEP nicht möglich sei.

Eine Zulassung auf Basis des Vertrauensschutzes sei nicht möglich. Vertrauensschutz könne eventuell geltend gemacht werden, wenn ein Bewerber die Bedingungen der vormals gültigen Vorschriften (VEP in der ab dem 1. Mai 1994 geltenden Fassung – "VEP 1994") erfüllt habe und aufgrund der Einführung der neuen Vorschriften (in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung, VEP) nicht mehr zugelassen werden würde. Allerdings entspreche der Abschluss der Beschwerdeführerin weder den Bedingungen des Artikels 10 (1) VEP 1994 und der Artikel 1 und 2 der Anweisungen 1994 noch den Bedingungen des Artikels 3 der Anweisungen 1994. In beiden Fällen sei ein rein natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Abschluss notwendig. Jedoch sei der von der Beschwerdeführerin erworbene Abschluss interdisziplinär und somit nicht rein technisch oder naturwissenschaftlich. Somit seien auch nach den vormals gültigen VEP die Zulassungsbedingungen nicht erfüllt und ein Vertrauensschutz könne nicht geltend gemacht werden.

III. Am 14. August 2014 reichte die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Prüfungssekretariats die Beschwerde und die Beschwerdebegründung ein. Die Beschwerdegebühr wurde auch am 14. August 2014 entrichtet.

IV. Die Beschwerdebegründung enthält folgende Argumente:

a) Natur - und ingenieurwissenschaftlicher Anteil des Abschlusses

Die dem Prüfungssekretariat vorliegende Diplomurkunde der Beschwerdeführerin bestätige ihren erfolgreichen Abschluss eines vierjährigen ingenieurwissenschaftlichen Studiums (Patentingenieurwesen) mit dem verliehenen akademischen Grad "Diplom-Ingenieurin (FH)" aus dem Jahr 2008. Dieser Diplomabschluss der Fachhochschule Amberg-Weiden sei mit dem Titel "bachelor of honours" vergleichbar (siehe hierzu die Entscheidung D 3/07, Nr. 4 der Entscheidungsgründe, oder die Entscheidung D 5/08, Nr. 5 der Entscheidungsgründe).

Gemäß der vorliegenden Bestätigung der Fachhochschule Amberg-Weiden habe die Beschwerdeführerin 144 CP in natur-/ingenieurwissenschaftlichen Fächern erlangt und damit liege der in Regel 11 (2) ABVEP geforderte natur- und ingenieurwissenschaftliche Anteil von 80% vor. Außerdem sei der vom Prüfungssekretariat berechnete Anteil von maximal 56,5% an technischen/ naturwissenschaftlichen Inhalten zweifelsfrei als zu niedrig angesetzt.

b) Vertrauensschutz und Gleichbehandlungsgrundsatz

Eine Zulassung zur EEP sei auch auf der Basis des Vertrauensschutzes gerechtfertigt. Da in der Vergangenheit anderen Bewerbern Vertrauensschutz eingeräumt worden sei, würde die Verweigerung des Vertrauensschutzes einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen.

In Anwendung der Entscheidung D 5/08 erfülle der Abschluss der Beschwerdeführerin die Erfordernisse des Artikels 10 (1) VEP 1994. Die Beschwerdeführerin habe ihre Beschäftigung gemäß Artikel 10 (2) a) i) VEP 1994 (bzw. Artikel 11 (2) a) i) VEP) laut der dem Prüfungssekretariat vorliegenden Praktikumsbescheinigung nachweislich am 1. Mai 2008 aufgenommen, also lange vor Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 2009 und in Vertrauen auf die seit dem 19. Mai 1994 gültige Regelung. Dabei sei die Beschwerdeführerin in gutem Glauben gewesen, dass ihr das erworbene Hochschuldiplom nach Ableisten einer mindestens dreijährigen Beschäftigung gemäß Artikel 10 (2) a) i) VEP 1994 genügen würde, um an der EEP teilnehmen zu dürfen. Die Änderungen der VEP zum 1. Januar 2009 seien für die Beschwerdeführerin unvorhergesehen nach der Beschäftigungsaufnahme gekommen.

Weiterhin seien in Artikel 3 a) i. V. m. Artikel 2 der Anweisungen 1994 einem Diplom der Fachhochschule auf dem Gebiet der Ingenieurswissenschaften die erforderliche Qualifikation zugesprochen. Zu einer solchen Qualifikation seien nach Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 zu der Beschäftigungszeit nach Artikel 10 (2) a) i) VEP 1994 zusätzlich drei Jahre Erfahrung auf dem Gebiet des Patentwesens notwendig. In der angefochtenen Entscheidung (Punkt 3) seien bereits 6 Jahre und 10 Monate Beschäftigungszeit zum 1. März 2015 anerkannt.

Die Beschwerdeführerin erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 10 VEP 1994 i. V. m. Artikel 2 bzw. 3 der Anweisungen 1994.

V. Das Prüfungssekretariat teilte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. September 2014 mit, dass der Beschwerde nicht abgeholfen werde.

In diesem Schreiben hat das Prüfungssekretariat ausgeführt:

a) Es stünde nicht in Frage, dass die Beschwerdeführerin ihren Studienabschluss an einer der in Regel 11 (1) ABVEP genannten Einrichtungen erworben habe. Es ginge vielmehr darum, dass der technische bzw. naturwissenschaftliche Anteil des an der Fachhochschule Amberg-Weiden erworbenen Studiengangs nicht den Erfordernissen der Regel 11 (2) ABVEP genüge.

b) In der angefochtenen Entscheidung sei unter Punkt 2.2 aufgeführt, welche Fächer des Hauptstudiums als technisch bzw. naturwissenschaftlich anerkannt werden würden. Dieser Feststellung habe die Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Eine Berechnung der Kursstunden des gesamten Studiums (Grund- und Hauptstudium) auf der Grundlage der mit der Beschwerde eingereichten Studienordnung (D1) habe ergeben, dass der technische Anteil maximal bei 55% liege und somit bei Weitem nicht ausreichend sei. Von den insgesamt 160 zu absolvierenden SWS seien maximal 88 SWS technischen oder naturwissenschaftlichen Fächern gewidmet.

c) Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeute, dass Bewerber mit gleichen Voraussetzungen nicht unterschiedlicher Behandlung ausgesetzt werden dürften. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Es werde auf die Entscheidungen D 1/12, Nr. 25 und 26 der Entscheidungsgründe; D 2/12; D 3/12 und D 4/12 verwiesen. In diesen Entscheidungen sei der Vertrauensschutz für den Bewerber, der drei Jahre praktische Arbeit geleistet habe, verneint worden. Durch eine Verlängerung der praktischen Tätigkeit könne jedoch der Vertrauensschutz nicht plötzlich hergestellt werden. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Entscheidung D 5/08 könne nicht helfen. In dieser Entscheidung sei eine Ungenauigkeit der Vorschriften festgestellt worden, die mit den neuen VEP bzw. ABVEP beseitigt worden sei.

VI. Mit Schreiben vom 30. September 2014 legte das Prüfungssekretariat die Beschwerde gemäß Artikel 24 (3), Satz 2 VEP der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vor.

VII. Dem Präsidenten des Europäischen Patentamts (EPA) und dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (epi) ist mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 gemäß Artikel 24 (4) VEP i. V. m. Artikel 12 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Es sind keine schriftlichen Stellungnahmen eingegangen.

VIII. Die Beschwerdeführerin reichte mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 ein Praktikantenzeugnis der Firma OSRAM GmbH vom 8. September 2004 (D4) und eine Praktikumsbescheinigung vom 2. April 2014 (D5) eingereicht und ergänzte ihre Beschwerdebegründung wie folgt:

a) Der Feststellung des Prüfungssekretariats im Schreiben vom 30. September 2014, dass der technische Anteil bei maximal 55% liege, könne nicht zugestimmt werden, da der technische Anteil immer noch zu niedrig angesetzt sei. Beispielsweise müssten auch technische Praktika (wie das durch das Praktikantenzeugnis (D4) belegte Praktikum der Beschwerdeführerin), die während des Studiums in einer Entwicklungsabteilung durchgeführt würden, berücksichtigt werden. Darüber hinaus liege eine Bescheinigung der Fachhochschule Amberg-Weiden über mindestens 80% technische Inhalte vor. Diese Bescheinigung sei von der Hochschule sehr sorgfältig erstellt und im Einzelfall geprüft worden.

b) Gemäß dem Schreiben des Prüfungssekretariats vom 30. September 2014 besage der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass Bewerber mit gleichen Voraussetzungen nicht unterschiedlicher Behandlung ausgesetzt werden dürften. Genau diesem Grundsatz werde hier aber zuwider gehandelt.

c) In den Fällen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 habe der Vertreter des Präsidenten des EPA in der mündlichen Verhandlung die ihm bekannte Praxis des Prüfungssekretariats bestätigt, dass Bewerber, die ihr Praktikum gemäß Artikel 11 (2) VEP vor Inkrafttreten der zur Zeit ihrer Anmeldung gültigen VEP bzw. ABVEP begonnen hätten, auf Basis des Vertrauensschutzes zur Prüfung zugelassen worden seien, falls sie die früher (also 1994) gültigen Zulassungsbedingungen erfüllten. Die Neuregelung der VEP bzw. ABVEP, die auch jetzt noch gelte, sei am 1. Januar 2009 in Kraft getreten.

d) Wie aus den mit der Anmeldung eingereichten Praktikumsbescheinigungen zu entnehmen sei, habe die Beschwerdeführerin ihr Praktikum bereits am 1. Mai 2008 begonnen, also deutlich vor Inkrafttreten der zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung gültigen Regelungen. Soweit der Beschwerdeführerin bekannt, seien alle Absolventen des Studiengangs Patentingenieurwesen zur EEP zugelassen worden, die vor Inkrafttreten der neuen VEP ihr Praktikum begonnen und sich zur EEP angemeldet hätten.

Die Absolventen, die gemäß den Entscheidungen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 nicht zur EEP zugelassen worden seien, hätten ihr Praktikum erst nach Inkrafttreten der Neuregelung begonnen und hätten somit nicht die gleichen Voraussetzungen wie die Beschwerdeführerin. Insoweit könne dem Verweis auf diese Entscheidungen im Schreiben des Prüfungssekretariats vom 30. September 2014 nicht zugestimmt werden. Die Absolventen in den Verfahren D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 hätten sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, da einige wenige Absolventen des Studiengangs Patentingenieurwesen zur EEP zugelassen worden seien, obwohl sie ihr Praktikum erst nach Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 2009 begonnen hätten. Wie den vorgenannten Entscheidungen zu entnehmen sei, handele es sich bei diesen Zulassungen zur EEP vermutlich um ein Versehen oder eine Fehleinschätzung. Da es sich bei der Zulassung zur EEP von Absolventen des Studiengangs Patentingenieurwesen, die ihr Praktikum vor dem 1. Januar 2009 begonnen hätten, um eine bekannte Praxis des Prüfungssekretariats handele, könnten diese Entscheidungen zur Zulassung, die auch noch in verschiedenen Jahren getroffen wurden, nicht auf einem Versehen oder einer Fehleinschätzung beruhen. Vielmehr sei bei diesen Entscheidungen bewusst im Sinne der Absolventen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes entschieden worden, wonach auch die Beschwerdeführerin zuzulassen sei.

e) Die Beschwerdeführerin habe auch nicht behauptet, dass durch eine Verlängerung der praktischen Tätigkeit der Vertrauensschutz hergestellt werden könne. Es sei aber auch nicht erkennbar, warum durch eine längere praktische Erfahrung der Vertrauensschutz möglicherweise verwirkt werden könne. Der Hinweis in der Beschwerde auf die Entscheidung D 5/08 sei deshalb erfolgt, weil der Beschwerdeführer in dem Verfahren D 5/08 ebenfalls und sogar größtenteils zur selben Zeit wie die Beschwerdeführerin Patentingenieurwesen an der Fachhochschule Amberg-Weiden studiert und damit die Erfordernisse des Artikels 10 (1) VEP 1994 erfüllt habe und somit zur EEP zugelassen worden sei. In der Entscheidung D 5/08, insbesondere Nr. 5 der Entscheidungsgründe, sei die Kammer sogar der Ansicht gewesen, dass einige nichttechnische Fächer Relevanz für eine Patentkarriere hätten.

f) Wie in der Beschwerde ausführlich dargelegt worden sei, erfülle die Beschwerdeführerin die früher gültigen Zulassungsbedingungen gemäß VEP 1994 i. V .m. den Anweisungen 1994. Dieser Feststellung sei auch nicht vom Prüfungssekretariat widersprochen worden. Somit sei die Beschwerdeführerin in Anwendung des Vertrauensschutzes zur Vorprüfung zur EEP 2015 zuzulassen, da andernfalls eine Ungleichbehandlung vorliege.

IX. Mit einer Ladung vom 3. November 2014 nach Artikel 13 VDV wurde für den 14. Januar 2015 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Mit Schreiben der Kammer vom 3. November 2014 wurde die Anberaumung der mündlichen Verhandlung dem Präsidenten des EPA sowie dem Präsidenten des epi gemäß Artikel 24 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 12 und 14 VDV mitgeteilt.

In einer Mitteilung vom 8. Januar 2015, die am selben Tag per Telefax der Beschwerdeführerin übermittelt wurde, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit.

X. Am 14. Januar 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Neben der Beschwerdeführerin und ihren Vertretern war auch ein Vertreter des Präsidenten des EPA anwesend.

In der mündlichen Verhandlung wurde u.a. erörtert, wie Artikel 4 der Anweisungen 1994 zu verstehen sei und ob das Diplom der Beschwerdeführerin die Qualifikation nach Artikel 4 i. V. m. Artikel 3 a) und b) der Anweisungen 1994 erfülle, und auch ob in Punkt III des Sachverhalts der Entscheidung D 5/08 die allgemeine Praxis des Prüfungssekretariats bei interdisziplinären Studiengängen vor dem 1. Januar 2009 wiedergegeben sei und wie diese zu verstehen sei. Dazu äußerte sich der Vertreter des Präsidenten des EPA und bestätigte, dass die Praxis vor der Einführung der Neuregelung der VEP und der ABVEP wohl so gewesen sei wie in Punkt III des Sachverhalts der Entscheidung D 5/08 dargestellt. Er bestätigte auch, dass nach der Praxis des Prüfungssekretariats auch einfachere Tätigkeiten für die Anerkennung einer Erfahrung gemäß Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 ausreichten.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung des Prüfungssekretariats und die Zulassung zur Vorprüfung für die EEP 2015. Des Weiteren wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

XII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

Vorbemerkung

Falls nicht anders angeführt, bezieht sich die Bezeichnung "VEP" im Folgenden auf die ab 1. Januar 2009 geltende Fassung (Zusatzpublikation zum ABl. EPA 2/2014, 2 ff), und "ABVEP" auf die ab 1. April 2010 geltende Fassung (Zusatzpublikation zum ABl. EPA 2/2014, 18 ff). Die entsprechenden, vorher gültigen Vorschriften sind die VEP in der ab 1. Mai 1994 geltenden Fassung und die "Anweisungen betreffend die für die Zulassung zur europäischen Eignungsprüfung erforderlichen Qualifikationen" der Prüfungskommission in der ab 19. Mai 1994 geltenden Fassung (Beilage zum ABl. EPA 12/2006, Seiten 2 ff. und 17 ff.). Diese werden im Folgenden als "VEP 1994" und "Anweisungen 1994" zitiert.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. In Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und auf der Grundlage des Vertrauensschutzes ist die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen zur Europäischen Eignungsprüfung 2015, Vorprüfung zuzulassen.

2.1 In den Entscheidungen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 hat die Kammer ausgeführt:

"Der automatischen und uneingeschränkten Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht u.a. das Prinzip "keine Gleichbehandlung im Unrecht" (s. auch D 15/06, Punkt 4.4 der Entscheidungsgründe) entgegen. Das bedeutet, dass die Zulassung anderer Bewerber mit Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann relevant ist, wenn die Zulassung nicht aus Irrtum oder Versehen, sondern aufgrund einer begründeten und rechtlich nachvollziehbaren Entscheidung des Prüfungssekretariats, dass die Bedingungen bezüglich der fraglichen Ausbildung als erfüllt anzusehen sind, erfolgt ist." (siehe z.B. D 1/12, Nr. 23 der Entscheidungsgründe)

2.2 In der mündlichen Verhandlung in den Fällen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 bestätigte der Vertreter des Präsidenten des EPA die ihm bekannte Praxis des Prüfungssekretariats, dass Bewerber, die ihr Praktikum gemäß Artikel 11 (2) VEP vor Inkrafttreten der zur Zeit der Anmeldung gültigen VEP bzw. ABVEP begonnen hatten, auf Basis des Vertrauensschutzes zur Prüfung zugelassen wurden, falls sie die früher gültigen Zulassungsbedingungen erfüllten (siehe z.B. D 1/12, Nr. IX des Sachverhalts). Damit kann man nicht davon ausgehen, dass in diesen Fällen die Zulassung zur EEP auf einer Fehleinschätzung oder auf einem Versehen beruhte.

Diese Vorgehensweise ist auch rechtlich nachvollziehbar, da - wie in den Entscheidungen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 dargelegt - der Zeitpunkt des Praktikumsbeginns bei der Frage des Vertrauensschutzes durchaus eine entscheidende Rolle spielt (siehe z.B. D 1/12, Nr. 30 der Entscheidungsgründe).

2.3 Die Beschwerdeführerin hat nachweislich ihr Vollzeitpraktikum gemäß Artikel 11 (2) a) i) VEP (bzw. gemäß dem zum Zeitpunkt des Praktikumsbeginns gültigen Artikel 10 (2) a) i) VEP 1994) laut der vorliegenden und mit der Anmeldung eingereichten Praktikumsbescheinigung am 1. Mai 2008 aufgenommen, also vor Inkrafttreten der zur Zeit der Anmeldung zur Vorprüfung 2015 gültigen VEP bzw. ABVEP. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz sind somit im vorliegenden Fall die früheren Zulassungsbedingungen gemäß den Bestimmungen der VEP 1994 und der Anweisungen 1994 anzuwenden. Deshalb ist die Beschwerdeführerin auf Basis des Vertrauensschutzes zur Vorprüfung zuzulassen, wenn sie diese Zulassungsbedingungen erfüllt, wobei auch die dazu einschlägige Rechtsprechung und die frühere Praxis des Prüfungssekretariats zu berücksichtigen ist.

2.4 In der angefochtenen Entscheidung vertrat das Prüfungssekretariat die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin nicht auf der Basis des Vertrauensschutzes zugelassen werden könne, da nach den vormals gültigen VEP die Zulassungsbedingungen nicht erfüllt seien. Der Abschluss der Beschwerdeführerin entspreche weder den Bedingungen des Artikels 10 (1) VEP 1994 und der Artikel 1 und 2 der Anweisungen 1994 noch den Bedingungen des Artikels 3 der Anweisungen 1994, da in beiden Fällen ein rein natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Abschluss notwendig sei und der von der Beschwerdeführerin erworbene interdisziplinäre Abschluss eben nicht rein technisch oder naturwissenschaftlich sei.

2.5 Nach Ansicht der Kammer sind jedoch im vorliegenden Fall weder Artikel 10 (1) VEP 1994 und der Artikel 1 und 2 der Anweisungen 1994 noch Artikel 10 (1) VEP 1994 und Artikel 3 der Anweisungen 1994 unmittelbar anwendbar, da es sich bei dem Studium der Beschwerdeführerin an der Fachhochschule Amberg-Weiden unstreitig um einen interdisziplinären Studiengang handelt. Die einschlägigen Bestimmungen sind bei einem interdisziplinären Studiengang Artikel 10 (1) VEP 1994 und Artikel 4 der Anweisungen 1994. Für die Anwendung des Vertrauensschutzes kommt es daher bei dem vorliegenden interdisziplinären Studiengang entscheidend darauf an, ob die Zulassungsbedingungen nach diesen Vorschriften erfüllt sind. Das Prüfungssekretariat hat sich jedoch weder in seiner Entscheidung noch in seinem Schreiben vom 30. September 2014 zu den Zulassungsbedingungen nach Artikel 10 (1) VEP 1994 und Artikel 4 der Anweisungen 1994 geäußert.

2.6 Artikel 4 Satz 1 der Anweisungen 1994 lautet wie folgt:

"Besitzt ein Bewerber als Befähigungsnachweis nach Artikel 2 oder Artikel 3 Buchstabe a einen Abschluss, ein Diplom oder ein Zeugnis für einen Studiengang in Verbindung mit einem anderen, in Artikel 2 nicht genannten Fach, so muss der Abschluss in dem naturwissenschaftlichen oder technischen Teil der Ausbildung den in diesen Artikeln genannten Anforderungen genügen."

2.7 Für die Frage, ob eine Qualifikation nach Artikel 10 (1) VEP 1994 und Artikel 4 Satz 1 der Anweisungen 1994 vorliegt, ist auch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Disziplinarangelegenheiten zu berücksichtigen, die interdisziplinäre Studiengänge und die erforderliche Qualifikation nach Artikel 10 (1) VEP 1994 betrifft.

2.8 In dem mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall D 5/08 hatte das Prüfungssekretariat, ausgehend von Artikel 4 der Anweisungen 1994, den Abschluss "Diplom-Ingenieur" des Bewerbers in dem interdisziplinären Studiengang Patentingenieurwesen an der Fachhochschule Amberg-Weiden als einen Befähigungsnachweis nach Artikel 2 der Anweisungen 1994, der den Anforderungen dieses Artikels nicht genügte, bewertet (siehe D 5/08 vom 15. Januar 2009, Punkt III des Sachverhalts).

In der Entscheidung D 5/08 verwies die Kammer auf die Entscheidungen D 8/04 vom 23. August 2004, D 18/04 vom 28. Januar 2005 und D 17/04 vom 11. Februar 2005, in denen die Anweisungen 1994 als unklar und zweideutig bezeichnet und auf die schweren Interpretationsprobleme der Artikel 2 bis 4 der Anweisungen 1994 hingewiesen wurde (siehe D 5/08, Nr. 1 bis 3 der Entscheidungsgründe). Die Kammer befand, dass diese mangelnde Eignung der Anweisungen 1994, den Vergleich verschiedener Qualifikationen zu erlauben, in Fällen, die den interdisziplinären Studiengang eines Bewerbers betreffen, besonders problematisch sei, und dass solche Fälle nach Artikel 4 der Anweisungen 1994 zu behandeln seien, wobei wegen der unklaren Bedeutung dieses Artikels sowohl das Prüfungssekretariat als auch die Kammer versuchen müssten, so gut wie möglich das Niveau einer interdisziplinären Qualifikation eines Beschwerdeführers zu bewerten und dabei nicht nur den Titel, sondern auch den Inhalt des Studiums zu berücksichtigen (siehe D 5/08 Nr. 4 der Entscheidungsgründe).

Die Kammer war der Ansicht, dass der Abschluss "Diplom-Ingenieur" des Bewerbers in dem interdisziplinären Studiengang Patentingenieurwesen an der Fachhochschule Amberg-Weiden die Anforderungen des Artikels 2 der Anweisungen 1994 erfüllte, da seine Qualifikation gleichwertig mit einem "Bachelor Honours" war und fast 75% der in dem vierjährigen Vollzeitstudium absolvierten Kursstunden natur- und/oder ingenieurwissenschaftlichen Fächern gewidmet waren und somit der Bewerber "effektiv während drei Jahren Ingenieurwissenschaft studiert" hatte (siehe D 5/08, Nr. 5 der Entscheidungsgründe; vgl. dazu auch D 10/08, Nr. 7 der Entscheidungsgründe).

2.9 Im vorliegenden Fall hat das Prüfungssekretariat das Niveau des Abschlusses an sich nicht beanstandet. Jedoch ergab die vom Prüfungssekretariat vorgenommene Berechnung der Kursstunden des gesamten vierjährigen Studiums (Grund- und Hauptstudium) auf der Grundlage der mit der Beschwerde eingereichten Studienordnung (D1) einen technischen Anteil von maximal 55%, d. h. von 160 SWS waren maximal 88 SWS technischen oder naturwissenschaftlichen Fächern gewidmet (siehe VIII a) oben). Dieser errechnete technische Anteil lässt damit den Schluss nicht zu, dass die Beschwerdeführerin effektiv während drei Jahren ihres vierjährigen Studiums Ingenieurswissenschaft studiert hat. Danach sind die in der Entscheidung D 5/08 aufgestellten Kriterien hinsichtlich der Anforderungen des Artikels 2 der Anweisungen 1994 nicht erfüllt.

Die Beschwerdeführerin akzeptierte das festgestellte Ergebnis dieser Berechnung nicht, da ihrer Meinung nach auch ihr technisches Praktikum (D4 (Praktikantenzeugnis)) bei der Berechnung berücksichtigt werden müsse und außerdem eine Bescheinigung der Fachhochschule Amberg-Weiden über mindestens 80% technische Inhalte vorliege (siehe oben VIII. a)).

Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass das technische Praktikum bei der Bewertung des Niveaus der interdisziplinären Qualifikation der Beschwerdeführerin für die Anwendung des Artikels 4 Satz 1 i. V. m. Artikel 2 der Anweisungen 1994 nicht berücksichtigt werden kann, da die in der Entscheidung D 5/08 aufgestellten Kriterien für die Berechnung des technischen Anteils des Studiums zur Erlangung des akademischen Abschlusses nur auf den Inhalt des Studiums abstellen.

Auch die Bescheinigung der Fachhochschule Amberg-Weiden kann für die Anwendung des Artikels 4 Satz 1 i. V. m. Artikel 2 der Anweisungen 1994 nicht berücksichtigt werden. Diese Bescheinigung bestätigt, dass bei dem von der Beschwerdeführerin erlangten akademischen Abschluss, der in einem vierjährigen Vollzeitstudium erworben wurde, "mindestens 115 Kursstunden natur- und/oder ingenieurwissenschaftlichen Fächern gewidmet waren". Allerdings enthält diese Bescheinigung keine detaillierte Aufstellung der Kursstunden in natur- und/oder ingenieurwissenschaftlichen Fächern und es gibt keine Anhaltspunkte, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien die Fachhochschule Amberg-Weiden die jeweiligen Fächer in technisch oder nicht technisch eingestuft hat. Im Übrigen kann die Bescheinigung der Fachhochschule eine Überprüfung der absolvierten Kursstunden durch das Prüfungssekretariat nicht ersetzen.

2.10 Da das Niveau des Abschlusses der Beschwerdeführerin an der Fachhochschule Amberg-Weiden aus den oben genannten Gründen nicht den Anforderungen nach Artikel 2 der Anweisungen 1994 entspricht, stellt sich die Frage, ob dieser Abschluss nach Artikel 4 Satz 2 der Anweisungen 1994 als Befähigungsnachweis gemäß Artikel 3 a) der Anweisungen 1994 gilt und damit nach Artikel 4 Satz 3 der Anweisungen 1994 im vorliegenden Fall auch das Erfordernis des Artikels 3 b) der Anweisungen 1994 erfüllt sein muss.

2.11 In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Vertreter des Präsidenten des EPA, dass vor Inkrafttreten der zur Zeit der Anmeldung zur Vorprüfung 2015 gültigen VEP bzw. ABVEP die Praxis des Prüfungssekretariats wohl so war wie in Punkt III des Sachverhalts der Entscheidung D 5/08 dargestellt. Nach dieser Praxis galt ein Abschluss in einem interdisziplinären Studiengang, der den Anforderungen von Artikel 2 der Anweisungen 1994 deshalb nicht genügte, weil er zwar mit einem "Bachelor Honours" gleichwertig, jedoch nicht genügend technisch im Sinne des Artikels 4 Satz 1 der Anweisungen 1994 war, als Befähigungsnachweis nach Artikel 3 a) der Anweisungen 1994. Für eine Zulassung zur Prüfung mussten dann ebenfalls die Bedingungen von Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 erfüllt sein, d. h. der Bewerber musste eine zusätzliche Erfahrung von mindestens drei Jahren auf dem Gebiet des Patentwesens oder auf einem anderen einschlägigen Gebiet nachweisen.

2.12 Im vorliegenden Fall ist das Prüfungssekretariat dieser Praxis nicht gefolgt, sondern hat Regel 14 ABVEP angewandt und entschieden, dass die Bedingungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien (siehe II oben).

Darüber hinaus hat das Prüfungssekretariat in seinem Schreiben vom 30. September 2014 unter Punkt 5 einen Vertrauensschutz verneint. Es wurde ausgeführt, dass nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz Bewerber mit gleichen Voraussetzungen nicht unterschiedlicher Behandlung ausgesetzt werden dürften, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei, denn auch in den Entscheidungen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 sei der Vertrauensschutz für den Bewerber, der drei Jahre praktische Arbeit geleistet habe, verneint worden. Das Prüfungssekretariat vertrat die Auffassung, dass durch eine Verlängerung der praktischen Tätigkeit der Vertrauensschutz nicht plötzlich hergestellt werden könne und dass auch der Hinweis auf die Entscheidung D 5/08 dem Beschwerdeführer nicht helfen könne, da in dieser Entscheidung eine Ungenauigkeit der Vorschriften festgestellt worden sei, die mit den neuen VEP bzw. ABVEP beseitigt worden sei.

2.13 Die Kammer kann die vom Prüfungssekretariat vertretene Auffassung nicht teilen.

In den Fällen D 1/12, D 2/12, D 3/12 und D 4/12 hat bei der Frage des Vertrauensschutzes der Zeitpunkt der Aufnahme des Praktikums eine entscheidende Rolle gespielt (siehe z.B. D 1/12, Nr. 30 der Entscheidungsgründe). In diesen Entscheidungen gelangte die Kammer zu der Ansicht, dass hinsichtlich der Aufnahme des Praktikums kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, da die Beschwerdeführer ihr Praktikum erst nach dem 1. Januar 2009 und damit nach Inkrafttreten der zur Zeit ihrer Anmeldung gültigen VEP bzw. ABVEP begonnen hatten.

Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend gemacht hat, verhält es sich im vorliegenden Fall jedoch anders. Da die Beschwerdeführerin ihr Praktikum bereits vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat, greift eben der Vertrauensschutz über den Gleichbehandlungsgrundsatz im vorliegenden Fall und es sind nach der Praxis des Prüfungssekretariats für die Frage der Zulassung zur Vorprüfung der EEP 2015, die VEP 1994 und die Anweisungen 1994 anzuwenden (siehe dazu oben 2.3). Deshalb ist vorliegend nicht Regel 14 ABVEP anzuwenden, wenn die Zulassungsbedingungen nach Artikel 10 (1) VEP 1994 und Artikel 4 Satz 1 i. V. m. und Artikel 2 der Anweisungen 1994 nicht erfüllt sind. Vielmehr ist die in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter des Präsidenten des EPA bestätigte Praxis hinsichtlich Artikel 4 der Anweisungen 1994 anzuwenden (siehe oben 2.11). Danach gilt der Abschluss der Beschwerdeführerin als Befähigungsnachweis nach Artikel 3 a) der Anweisungen 1994 und es muss für die Erfüllung der Zulassungsbedingungen ein Nachweis für eine zusätzliche dreijährige Erfahrung nach Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 vorliegen.

Für die Anwendung des Vertrauensschutzes aufgrund der oben dargestellten Praxis des Prüfungssekretariats kommt es für die Kammer damit allein darauf an, ob die Beschwerdeführerin vor Inkrafttreten der geänderten Vorschriften, also vor dem 1. Januar 2009, ihr Studium an der Fachhochschule Amberg-Weiden abgeschlossen und ihr Vollzeitpraktikum gemäß Artikel 11 (2) a) i) VEP (bzw. gemäß dem zum Zeitpunkt des Praktikumsbeginns gültigen Artikel 10 (2) a) i) VEP 1994) begonnen hat. Nach Ansicht der Kammer ist es für ein Bejahen des Vertrauensschutzes jedoch nicht erforderlich, dass die Beschwerdeführerin bereits am 1. Januar 2009 eine zusätzliche dreijährige Erfahrung auf dem Gebiet des Patentwesens vorweisen kann, da Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 offen lässt, ob die erforderliche Erfahrung vor oder nach dem in Artikel 10 (2) a) VEP 1994 genannten Praktikum (bzw. nach der dort genannten Beschäftigung) gesammelt werden muss. Damit greift nicht der Einwand des Prüfungssekretariats, dass durch eine Verlängerung der praktischen Tätigkeit der Vertrauensschutz nicht plötzlich hergestellt werden könne (siehe oben V c)).

2.14 Somit ist die Beschwerdeführerin zur Vorprüfung zuzulassen, wenn die Bedingungen des Artikels 3 b) der Anweisungen 1994 zum Zeitpunkt der Vorprüfung der EEP 2015 erfüllt sind (Artikel 4 Satz 3 der Anweisungen 1994).

Nach Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 muss der Bewerber zusätzlich zu dem in Artikel 10 (2) a) VEP 1994 genannten Praktikum oder der dort genannten Beschäftigung auf Vollzeitbasis mindestens drei Jahre Erfahrung auf dem Gebiet des Patentwesens oder auf einem anderen einschlägigen Gebiet nachweisen.

2.15 In Punkt 3 der angefochtenen Entscheidung hat das Prüfungssekretariat festgestellt, dass nach den vorliegenden Nachweisen als anrechenbare Beschäftigungszeit der Beschwerdeführerin sechs (6) Jahre und zehn (10) Monate zum 1. März 2015 anzuerkennen sind.

2.16 Bei der Berechnung dieser anrechenbaren Beschäftigungs-zeit ist das Prüfungssekretariat von Regel 14 ABVEP ausgegangen. Regel 14 ABVEP verlangt "eine mindestens zehnjährige Erfahrung der in Artikel 11 (2) a) VEP genannten Art". Artikel 11 (2) a) VEP entspricht dem Artikel 10 (2) a) VEP 1994 und regelt die Anforderungen des dreijährigen Praktikums bzw. der dort genannten Beschäftigung auf Vollzeitbasis. Damit handelt es sich bei der vom Prüfungssekretariat berechneten anrechenbaren Beschäftigungszeit um ein Praktikum bzw. eine Beschäftigung auf Vollzeitbasis, die die Anforderungen des Artikels 10 (2) a) VEP 1994 erfüllt.

2.17 Der im vorliegenden Fall anzuwendende Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 verlangt zu dem mindestens dreijährigen Praktikum bzw. zu der mindestens dreijährigen Beschäftigung gemäß Artikel 10 (2) a) VEP 1994 eine zusätzliche mindestens dreijährige "Erfahrung auf dem Gebiet des Patentwesens oder auf einem anderen einschlägigen Gebiet". Zieht man von der vom Prüfungssekretariat festgestellten anrechenbaren Beschäftigungszeit von sechs (6) Jahren und zehn (10) Monaten das dreijährige Praktikum auf Vollzeitbasis i. S. v. Artikel 10 (2) i) VEP 1994 ab, dann bleiben noch mehr als drei (3) Jahre Erfahrung für die Anwendung des Artikels 3 b) der Anweisungen 1994 übrig. Damit hat die Beschwerdeführerin eine mehr als dreijährige Erfahrung im Sinne von Artikel 3 b) der Anweisungen 1994 nachgewiesen.

2.18 Nach der Praxis des Prüfungssekretariats, die vor Inkrafttreten der zur Zeit der Anmeldung zur Vorprüfung 2015 gültigen VEP bzw. ABVEP angewandt wurde (siehe oben 2.11), erfüllte die Beschwerdeführerin bereits vor dem 1. März 2015 die Zulassungsbedingungen nach Artikel 10 VEP 1994 und Artikel 4 Satz 2 i. V. m. Artikel 3 a) und b) der Anweisungen 1994. Die Beschwerdeführerin ist deshalb zur Vorprüfung der EEP 2015 zuzulassen. Damit erübrigt sich eine Erörterung der weiteren Argumente der Beschwerdeführerin.

3. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Da der vorliegenden Beschwerde stattgegeben wird, entspricht es nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Disziplinarangelegenheiten der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Beschwerdeführerin wird zur Europäischen Eignungsprüfung 2015, Vorprüfung, zugelassen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Quick Navigation