D 0005/13 () of 19.9.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:D000513.20140919
Datum der Entscheidung: 19 September 2014
Aktenzeichen: D 0005/13
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Summary of Facts and Submissions

I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Entscheidung der Prüfungskommission vom 22. Juli 2013 über das Nichtbestehen der Europäischen Eignungsprüfung.

II. Die Beschwerdeführerin hatte sich der Prüfungsaufgabe A der Europäischen Eignungsprüfung 2013 mit folgendem Ergebnis unterzogen:

Teil A: 29 Punkte - NICHT BESTANDEN.

III. Die Prüfungskommission entschied, dass der Beschwerdeführerin nach den Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP) die Prüfung nicht bestanden hat. Am 22. Juli 2013 wurden die Mitteilung dieses Ergebnisses sowie der Bewertung der Beschwerdeführerin durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zugestellt.

IV. Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin form- und fristgemäß eine begründete Beschwerde, der die Prüfungskommission nicht abhalf und sie der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorlegte (Artikel 24 (3) Satz 2 VEP).

V. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes aus:

Zum Gegenstand der unabhängigen Ansprüche "Granule" und "Snow"

Die Ansprüche auf das "Granule" und "Snow" wurden laut "Marking Sheet" jeweils mit 0 Punkten bewertet, obwohl der Granule-Anspruch mit mindestens 20 Punkten und der Kunstschnee-Anspruch mit mindestens 3 Punkten hätte bewerten müssen.

Gemäß Examiner's Report sei das als überflüssig angesehene Merkmal bezüglich der Größe des Granulats mit einem Abzug von 5 Punkten zu bewerten. Für das Fehlen des Merkmals [A6] sei gemäß dem Examiner's Report ein Abzug von 10 Punkten vorzunehmen. Da die übrigen Merkmale [A1] bis [A5] sowie [A7] und [A8] im Anspruch enthalten sind, wäre der Anspruch 6 der Prüfungsarbeit A gemäß Examiner's Report daher mit 20 Punkten zu bewerten. Auch die Bedeutung des Merkmals [A6] sei in der Prüfungsarbeit erkannt worden (siehe letzte Seite der Prüfungsarbeit). Deshalb erscheine ein Abzug der vollen 10 Punkte, wie im Examiner's Report angesetzt, für dieses Merkmal übertrieben. Daher wäre es gut vertretbar gewesen, den Anspruch 6 mit 25 Punkten zu bewerten.

Auch die fehlende Menge Wasser in dem unabhängigen Produktanspruch 12 in der Prüfungsarbeit habe dazu geführt, dass der Anspruch nur mit 3 statt 10 Punkten bewertet wurde.

Bewertung der unabhängigen Ansprüche "Granule" und "Snow" im Lichte der Regel 43(2) EPÜ

Im Examiner's Report werde erwähnt, dass die Ansprüche das Erfordernis der Regel 43 (2) EPÜ zu erfüllen hätten, und dass, wenn zwei unabhängige Ansprüche für den gleichen Gegenstand eingereicht wurden, nur der schlechteste Anspruch dieser unabhängigen Ansprüche zu bewerten wäre. Der Gedanke hinter diesem Bewertungsschema scheine zu sein, dass sich ein Kandidat nicht durch mehrere Lösungsvorschläge zur Beanspruchung ein und desselben Gegenstands absichern können solle, sondern sich für eine Lösung entscheiden solle, die dann bewertet werden solle. Unter Anwendung dieses Bewertungsschemas bezüglich Regel 43 (2) EPÜ seien die beiden Ansprüche 6 ("Beschichtetes Granulat") und 12 ("Kunstschnee enthaltend das beschichtete Granulat") mit 0 Punkten bewertet worden.

Dieses Bewertungsschema sei aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die in Frage stehende Prüfungsarbeit A enthalte jeweils zwei unabhängige Granulat-Ansprüche (Ansprüche 5 und 6) und zwei unabhängige Kunstschnee-Ansprüche (Ansprüche 11 und 12). Weder bei den beiden Granulat-Ansprüchen noch bei den beiden Kunstschnee-Ansprüchen werde jedoch derselbe Gegenstand beansprucht. Es handele sich also nicht um verschiedene Vorschläge für ein und denselben Gegenstand. Vielmehr handele es sich um die Beschreibung zweier verschiedener Gegenstände, die alternative Lösungen für die der Patentanmeldung zugrunde liegende Aufgabe darstellten. Es liege daher kein Verstoß gegen Regel 43 (2) EPÜ.

Anhand der zur Verfügung stehenden Informationen (siehe Absatz [015] des Mandantschreibens) habe der Kandidat nur davon ausgehen können, dass Copolymere noch nicht im Stand der Technik bekannt wären, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die von einem Mandanten zur Verfügung gestellten Informationen stets einer Überprüfung bedürfen. Entsprechend habe gefolgert werden können, dass sowohl Copolymer-basierte superabsorbierende Polymere (wie in Anspruch 1 der Prüfungsarbeit beschrieben) als auch Granulate enthaltend diese Copolymer-basierten superabsorbierenden Polymere (in Anspruch 5 der Prüfungsarbeit definiert) neu gegenüber dem Stand der Technik seien. Auch eine erfinderische Leistung könne anerkannt werden, da es in Absatz [009] des Mandantenschreibens heiße, dass Copolymere bevorzugt seien. Gleiches gelte für den Anspruch 11.

Eine Schlechterbewertung eines Kandidaten wegen eines entsprechenden Anspruchssatzes in dem Umfang, dass für die unabhängigen Ansprüche gar keine Punkte vergeben werden, stelle daher ein übertriebenes "Strafmaß" dar, da er ohne die Punkte für den gefragten Granulate-Anspruch (maximal 35 Punkte) und den gefragten Kunstschnee-Anspruch (maximal 10 Punkte) die Prüfung kaum noch habe bestehen können. Auch seien Verstöße gegen Regel 43 (2) EPÜ in vergangenen Examiner's reports nicht hinsichtlich des Strafmaßes diskutiert worden.

VI. Dem Präsidenten des Europäischen Patentamtes (EPA) wie auch dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (epi) ist gemäß Artikel 24 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 12 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Es sind keine Stellungnahmen eingegangen.

VII. Eine mündliche Verhandlung wurde für den 19. September 2014 anberaumt. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung. Die Beschwerdeführerin hat hierzu Stellung genommen und weitgehend ihre Gesichtspunkte wiederholt. Es wurde u.a. auch geltend gemacht, dass Anspruch 6 bzw. Anspruch 12 das Homopolymer als Alternative zum Copolymer enthielten und es somit nicht möglich sei, Anspruch 6 bzw. 12 von Anspruch 5 bzw. 11 abhängig zu machen, da ein Homopolymer in Anspruch 5 bzw. 6 nicht erwähnt sei.

In der mündlichen Verhandlung, an der ein Vertreter des Präsidenten des Amtes teilnahm, hat die Beschwerdeführerin ihren schriftsätzlichen Vortrag weitgehend wiederholt und ihn ergänzt. Insbesondere wurde auf die Regel 22 (3) der Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (AusfVEP) sowie auf die Entscheidungen D 6/07 und D 7/07 hingewiesen.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungskommission und eine neue Bewertung ihrer Prüfungsarbeit A.

VIII. Die Entscheidung über die Beschwerde wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.

Reasons for the Decision

1. Der vorliegende Fall ist nach den vom Verwaltungsrat am 10. Dezember 2008 beschlossenen und am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Vorschriften zur Europäischen Eignungsprüfung (VEP) (siehe Beilage zum ABl. EPA 3/2012, 2) und dessen Ausführungsbestimmungen (siehe Beilage zum ABl. EPA 3/2012, 20) zu entscheiden. Diese Vorschriften sind nach Artikel 134 (2) c) und Artikel 134a Absatz 1 b) EPÜ ergangen. Weiterhin ist nach Artikel 24(4) Satz 1 VEP Teil IV der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) auf das Verfahren vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (siehe ABl. EPA 1978,91, ABl. EPA 2008,14, auch veröffentlicht in Zusatzpublikation zum ABl. EPA 1/2014, 123) anzuwenden.

2. Die Beschwerde ist zulässig.

3. Gemäß Art. 24 (1) VEP überprüft die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten Beschwerden gegen Entscheidungen der Prüfungskommission nur im Hinblick auf Verletzungen der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung, einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmung oder höherrangigen Rechts. Dagegen besteht keine Befugnis der Kammer, das Prüfungsverfahren, insbesondere die Bewertung der Arbeiten, in der Sache frei zu überprüfen. Hierin ist sie auf die Feststellung schwerwiegender und eindeutiger Fehler beschränkt, die durch Anwendung von Rechtsgrundsätzen nachprüfbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. insbesondere D 1/92, ABl. EPA 1993, 357, insbesondere Punkte 3 und 4 der Entscheidungsgründe; D 6/92, ABl. EPA 1993, 361; Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 7. Auflage 2013, Kapitel V.2.6.3). Nur schwerwiegende Fehler, deren offensichtliche Unrichtigkeit eine Berichtigung von Fehlern gemäß Regel 88 EPÜ 1973 bzw. Regel 139 EPÜ 2000 nahe legen würde, können zur Änderung der Noten führen (vgl. D 23/97 vom 16. März 1998, Nr. 5 der Gründe). Weiterhin muss der behauptete Fehler so offensichtlich sein, dass er ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens festgestellt werden kann. Alle anderen Behauptungen der Art, dass die Prüfungsarbeiten unrichtig bewertet worden sind, fallen nicht in die Kompetenz der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten.

4. Im vorliegenden Fall erschöpft sich der erste Teil der Beschwerdebegründung im Wesentlichen darin, dass Antworten zu der Teilaufgabe A eine unrichtige bzw. zu niedrige Punktezahl zuerkannt wurden. Eine sachlich angemessene Bewertung ihrer Lösungsvorschläge hätte zu einer höheren Punktvergabe und damit zum Bestehen der Prüfung führen müssen (Teil II.1 Gegenstand der "unabhängigen Ansprüche "Granule" und "Snow"; z.B. auf Seite 4, 2. Absatz "... wäre der Anspruch 6 der Prüfungsarbeit A gemäß Examiner's Report daher mit 20 Punkten zu bewerten.").

5. Dabei handelt es sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen der Beschwerdeführerin und den Prüfern über die "richtige" Bewertung ihrer Arbeit und somit um Angriffe gegen prüfungsspezifische Werturteile, deren Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 7. Auflage 2013, Kapitel V.2.6.3) entzogen sind.

6. Auch der schriftliche und in der mündlichen Verhandlung wiederholte Vortrag der Beschwerdeführerin über die Bewertung der unabhängigen Ansprüche "Granule" und "Snow" (siehe Teil II.2 der Beschwerdebegründung) bedeuten im Ergebnis nichts anderes, als dass sich die Kammer dann hinsichtlich der Bewertung und Benotung der Prüfungsarbeit an die Stelle der Prüfer setzte.

7. In diesem Zusammenhang meinte die Beschwerdeführerin, dass die fachliche Beurteilung der Prüfungskommission bezüglich der Anwendung von Regel 43 (2) EPÜ fehlerhaft sei. Nach ihrer Einschätzung liege dagegen kein Verstoß gegen Regel 43 (2) EPÜ vor, weil die Ansprüche 5 und 6 bzw. die Ansprüche 11 und 12 nicht denselben Gegenstand beschrieben. Vielmehr stellten die Ansprüche alternative Lösungen dar. Die Ansprüche 6 und 12 hätten eigenständig geprüft werde müssen und zwar als Alternativlösungen; auch die Ansprüche 5 und 11 hätten entsprechend geprüft werden müssen, um die nicht vorgenommenen Prüfung der Ansprüchen 6 und 12 zu kompensieren.

8. Die Beschwerdekammer teilt diese Meinung nicht. Unbeschadet der eingangs dargestellten eingeschränkten Überprüfbarkeit von fachlichen Beurteilungen, kann die Beschwerdekammer zunächst nur feststellen, dass die Prüfungsarbeit zwei Granulat-Ansprüche und zwei Kunstschnee-Ansprüche enthält. Die Ansprüche 6 und 12 können nicht isoliert betrachtet und müssten zwangsnotwendig im Zusammenhang mit den anderen formulierten Ansprüchen geprüft werden. Folge dessen ging die Prüfungskommission den Vorschriften entsprechend vor. Auch der Ansatz, nur die Ansprüche 5 bzw. 11 in die Beurteilung einfließen zu lassen, ist zulässig, da jeweils zu Recht die breitesten formulierten Ansprüche von der Prüfungskommission berücksichtigt werden. In dieser Hinsicht weist die Beschwerdekammer darauf hin, dass die Anwendung der Regel 43 (2) EPÜ kein Beurteilungsmangel darstellt. Die Beschwerdekammer ist weiterhin der Auffassung, dass der Anspruch 6 durchaus als ein abhängiger Anspruch von Anspruch 5 hätte definiert werden können und dies entsprechend betreffend die Ansprüche 11 und 12 gelten könnte.

9. Bezüglich der Einwände, die Prüfungsaufgabe sei laut Aussagen des Mandanten nicht entsprechend formuliert worden bzw. dass davon ausgegangen werden konnte, dass Copolymere noch nicht im Stand der Technik bekannt gewesen seien und deswegen die vorgegebenen Informationen einer Überprüfung bedürften, ist der Beschwerdekammer der Meinung, dass die Regel 22(3) AusVEB eine klare Anweisung darüber enthält, wie die vorgegeben Tatsachen von dem jeweiligen Prüfungskandidaten zu handhaben sind. Vorgegebene Informationen sind als solche zu bewerten, d.h. was vorgegeben ist, ist als gegeben hinzunehmen. In anderen Worten, eine etwaige Überprüfung dieser Informationen durch einen Prüfungskandidaten bewegte sich außerhalb des Rahmens der Prüfungsaufgabe.

10. Des Weiteren gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Prüfungsorgane ihre Aufgabe nicht im Einklang mit den Vorschriften der VEP ausgeführt hätten und dass die Prüfer bei der Beurteilung der Arbeiten der Beschwerdeführerin einen schwerwiegenden, als Ermessensmissbrauch bzw. als Überschreitung des Beurteilungsspielraums zu betrachtenden Fehler gemacht hätten.

11. Auch die Tatsache, dass zwei unabhängige Prüfer bei der Bewertung zu unterschiedlichen Punktzahlen kommen, stellt an sich keinen Verstoß gegen die anzuwendenden Bestimmungen dar. Anders könnte es höchstens dann sein, wenn der Unterschied erheblich ist. Im vorliegenden Fall hat jedoch der 1. Prüfer 30 Punkte und der 2. Prüfer 28 Punkte vergeben, was durchaus im normalen Ermessensbereich liegt, abgesehen davon, dass keine der vergebenen Punktzahlen zum Bestehen der Prüfung gereicht hätte.

ORDER

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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