D 0008/12 () of 31.1.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:D000812.20140131
Datum der Entscheidung: 31 Januar 2014
Aktenzeichen: D 0008/12
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der Prüfungskommission auf Vorschlag des Prüfungsausschusses II getroffene Feststellung des Nichtbestehens von Teil C der europäischen Eignungsprüfung 2012 (EP 2012) und die dieser zugrunde liegende Benotung mit 39 Punkten.

II. Der Beschwerdeführer legte hiergegen form- und fristgemäß Beschwerde ein, der die Prüfungskommission nicht abhalf, sondern der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (im Folgenden: Beschwerdekammer) vorlegte. Zur Begründung stützte er sich im Wesentlichen auf folgende Einwände:

1. Die Bewertung als solche und der Prüferbericht nebst Lösungsvorschlag (im Folgenden: Vergleichslösung) seien nicht nachvollziehbar und mit Artikel 6 (6) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP, Beilage zum ABl. EPA 12/2011, 2), Regel 4 der Ausführungsbestimmungen hierzu (ABVEP, Beilage zum ABl. EPA 12/2011, 20) und allgemeinen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Es mangele an einer dem Leitsatz der Entscheidung D 7/05 genügenden Unterteilung der möglichen Maximalpunktzahl in Unterpunkte. Die Unterteilung in zwei Kategorien („use of information“, „argumentation“) lasse nicht erkennen, wie viele Punkte für welche Sachverhaltskomplexe und Fragestellungen zuerkannt worden seien. Bezogen auf die erreichbare Punktzahl für die Neuheitsangriffe auf die Ansprüche 1 und 5 von jeweils 11 Punkte, sei nicht klar, wie viele Punkte für den von ihm nicht geprüften Neuheitsangriff ausgehend von der Anlage 5 ihm entgangen wären. Sie hätten für ein Bestehen wahrscheinlich gereicht.

2. Zudem sei die Vergleichslösung betreffend die Merkmalsformulierung „an die Haut abzugebenden“ lückenhaft und könne fachlich weder als korrekte und nachvollziehbare Bewertungsgrundlage noch zur Vorbereitung auf künftige Prüfungen dienen. Der Neuheitsangriff mit der Anlage 5 auf die Ansprüche 1 und 5 sei in sachlich-fachlicher Hinsicht unrichtig.

3. Schließlich sei fraglich, ob die Angaben auf den den Bewerbern zugestellten Bewertungsbögen immer und in allen Details den durch den jeweiligen Prüfer anonym vorgenommenen und unveränderten Bewertungen entsprächen oder von der Prüfungskommission abgeändert worden wären.

III. In seiner Antwort auf die vorläufige Bewertung der Beschwerde durch die Beschwerdekammer wie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung, die mit der Zurückweisung der Beschwerde endete, trug der Beschwerdeführer ergänzend vor.

Eine Überprüfung der Beurteilung sei bei Vorliegen von schweren und eindeutigen Fehlern dann möglich, wenn diese sich ohne Wiedereröffnung des gesamten Prüfungsverfahrens anhand der Vergleichslösung feststellen ließen. Eine Überprüfung letzterer sei mithin möglich und im Sinne eines wirksamen Rechtsschutzes auch angezeigt. Betreffend die Vergleichslösung liege der beanstandete Beurteilungsfehler darin begründet, dass von der üblichen Methodik zur Neuheitsprüfung abgewichen worden sei. Es handele sich nicht um eine Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und den Prüfern, sondern um eine gravierende Falschbeurteilung. Die falsche Vergleichslösung mache die Aufgabenstellung insgesamt ungeeignet, die Eignung eines Bewerbers im Sinne von Artikel 1 (1) VEP festzustellen. Überdies sei auch der Vertrauensschutzgrundsatz verletzt und lasse die sehr ähnliche Benotung der Prüfer eine Notenanpassung durch die Prüfungskommission vermuten.

IV. Der Beschwerdeführer beantragte schließlich,

1. die angefochtene Entscheidung aufzuheben,

2. ihm ausreichende Informationen zugänglich zu machen, welche eine Überprüfung seiner Prüfungsarbeit zulassen,

3. eine Änderung der Praxis des Prüfungsverfahrens, so dass auch die Prüfungsaufgabe C den Anforderungen von D 7/05 entspricht,

4. ihm Auskunft zu erteilen, ob die Angaben auf dem den Bewerbern zugestellten Bewertungsbogen immer und in allen Details den durch den jeweiligen Prüfer anonym vorgenommenen und unveränderten Bewertungen entsprechen,

5. die Überprüfung der Bewertungsgrundlage der Neuheitsangriffe auf die Ansprüche 1 und 5 auf Grundlage der Anlage 5 hinsichtlich der Terminologie „an die Haut abzugebenden“,

6. für den Fall, dass für die Neuheitsangriffe ausgehend von der Anlage 4 auf die Ansprüche 1 und 3 sowie für den Angriff betreffend die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 ausgehend von den Anlagen 2 und 6 keine Punkte vergeben worden sind, auch eine fachliche Überprüfung dieser Angriffe im Rahmen der Bewertungsgrundlage,

7. die Gewährung einer angemessenen Frist für eine prüfungsrechtliche und fachliche Stellungnahme durch ihn,

8. gegebenenfalls die Neubewertung seiner Prüfungsarbeit,

9. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr,

10. die Rückzahlung der Gebühren für die EP 2013 und allfälliger weiterer Prüfungen, falls auf seine Beschwerde die EP 2012 als bestanden bewertet werden sollte,

11. dass die Beschwerdekammer die notwendigen Schritte unternehme, den von ihr in ihrer Mitteilung „erkannten und unstrittigen, offensichtlichen und gravierenden Beurteilungsfehler zu beseitigen.“

V. Weder der Präsident des Europäischen Patentamtes (EPA) noch der Präsident des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (epi) äußerten sich schriftlich zur Beschwerde. Ersterer war in der mündlichen Verhandlung vertreten.

Entscheidungsgründe

1. Gemäß Artikel 24 (1) VEP überprüft die Beschwerdekammer Beschwerden gegen Entscheidungen der Prüfungskommission nur im Hinblick auf Verletzungen der Vorschriften über die EP, einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmung oder höherrangigen Rechts.

2. Nach Artikel 14 (1), 1. Alt. VEP in Verbindung mit Regel 6 ABVEP besteht ein Bewerber die EP, wenn er für jede Prüfungsaufgabe eine ausreichende Bewertung erzielt.

3. Gemäß Artikel 1 (1) VEP dient die EP zur Feststellung der Eignung eines Bewerbers, als zugelassener Vertreter vor dem EPA aufzutreten. Nach dessen Absatz (4) und Regel 25 (1), Satz 1 ABVEP soll anhand der Prüfungsaufgabe C die Befähigung beurteilt werden, eine Einspruchsschrift gegen ein europäisches Patent auszuarbeiten.

4. Nach den in Regel 22 (3) ABVEP niedergelegten allgemeinen Anweisungen für die Anfertigung der Arbeiten haben „die Bewerber … die in den Prüfungsaufgaben genannten Tatsachen als gegeben vorauszusetzen und sich auf diese zu beschränken. Ob und inwieweit ein Bewerber sie verwendet, bleibt ihm selbst überlassen. Etwaige besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Erfindung sind von den Bewerbern außer Acht zu lassen.“

5. Im Kern rügt der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Bewertungsfehlers seiner Prüfungsarbeit und begehrt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Zuge einer Nachkorrektur der Arbeit (Anträge 1, 5, 6, 8 und 11; dazu unten unter 5.1-5.9). Mit diesem Hauptsachebegehren verbunden sind Nebenbegehren auf Auskunft, eine generelle Änderung der Prüfungspraxis und Gebührenrückzahlung (Anträge 2 bis 4, 7, 9 und 10; dazu unten unter 5.10-5.14).

Zum Hauptsachebegehren

5.1 Soweit der Beschwerdeführer die Bewertung seiner Prüfungsleistung beanstandet, ist eine fachliche Überprüfung der Benotung einer Prüfungsarbeit daraufhin, ob deren Bewertung, insbesondere in Form der Zuerkennung von Punkten im Sinne der Regel 6 ABVEP, sachlich angezeigt ist oder nicht, der Beschwerdekammer verwehrt.

Den Prüfungsausschüssen und der Prüfungskommission steht nämlich ein Beurteilungsspielraum zu, der nur sehr begrenzt der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Solange kein Missbrauch des Beurteilungsspielraums feststellbar ist, kann die Beschwerdekammer nur die erlassenen Durchführungsbestimmungen auf den jeweiligen Fall anwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es dabei nicht ihre Aufgabe, das Prüfungsverfahren in der Sache selbst, d.h. insbesondere die Bewertung der Arbeiten, frei zu überprüfen. Vielmehr ist ihre Überprüfungskompetenz auf die Feststellung schwerwiegender und eindeutiger Fehler beschränkt, die angeblich die Prüfungskommission oder eines ihrer Mitglieder bei der Bewertung der Arbeit eines Bewerbers gemacht haben soll, auf denen die angegriffene Entscheidung beruht und die durch Anwendung von Rechtsgrundsätzen nachprüfbar sind. Weiterhin muss der behauptete Fehler so offensichtlich sein, dass er ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens und ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit festgestellt werden kann. Alle anderen Behauptungen der Art, dass die Prüfungsarbeiten unrichtig bewertet worden sind, fallen nicht in die Kompetenz der Beschwerdekammer. Grundsätzlich sind Werturteile gerichtlicher Kontrolle entzogen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, Kap. V.2.6, S. 1242 ff., m.w.N.).

Nach der Entscheidung D 13/02 vom 11. November 2002 sind offensichtliche Fehler solche, die ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit feststellbar sind. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein und dieselbe Arbeit von den beiden Prüfern stark unterschiedlich bewertet werden oder die Prüfungsfrage in sich widersprüchlich oder unverständlich formuliert ist und sich ohne Rückgriff auf die Bewertung einer einzelnen Arbeit unmittelbar feststellen lässt. Hierfür gibt es vorliegend weder ein diesbezügliches Vorbringen noch sonst Anhaltspunkte.

5.2 Im Wesentlichen umfasst die Beschwerde zwei Beanstandungen.

a) Zum einen sei die Vergleichslösung zur Frage der Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 5 gegenüber der Anlage 5 unter anderem im Hinblick auf die Merkmalsformulierung „an die Haut abzugebenden“ sachlich-fachlich unrichtig, weshalb die Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers hierzu wie auch zur Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber den Anlagen 2 und 6 fachlich zu überprüfen sei.

b) Zum anderen sei die Notengebung infolge unzureichender Untergliederung nach den Maßstäben der Entscheidung D 7/05 insgesamt nicht nachvollziehbar. Ebenso sei anhand der Vergleichslösung nicht erkennbar, wie viele Punkte ihm für die von ihm nicht geprüften Aspekte der Prüfungsaufgabe entgangen seien.

Zur Rüge a)

5.3 Soweit der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit der Vergleichslösung behauptet, enthält dieser Vortrag implizit die Behauptung, eine, wie er meint, sachlich angemessene Bewertung seiner Arbeit hätte zu einer höheren Punktvergabe und damit zum Bestehen der Prüfung führen müssen. Angegriffen werden damit prüfungsspezifische Werturteile, die nach den oben dargelegten Grundsätzen einer gerichtlichen Kontrolle gerade entzogen sind. Es handelt sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beschwerdeführer und den Prüfern über die „richtige“ Lösung der Prüfungsaufgabe und, daraus folgend, die „richtige“ Bewertung seiner Arbeit.

Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfer einen schwerwiegenden, als Beurteilungsmissbrauch bzw. als Überschreitung des Beurteilungsspielraums zu betrachtenden Fehler gemacht hätten, sind indes nicht ersichtlich.

5.4 Dies gilt auch für die Merkmalsformulierung „an die Haut abzugebenden“. Zwar fehlt eine ausdrückliche Erwähnung in der Vergleichslösung, doch lässt die Vergleichslösung in der Gesamtschau erkennen, dass dieses Merkmal als in den neuheitsschädlichen Entgegenhaltungen offenbart bewertet wurde. Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich mutmaßte, die Prüfungskommission habe diese „Lücke“ wahrscheinlich erst nachträglich erkannt, aber verschwiegen, um keine Anfechtung der Prüfung zu riskieren, handelt es sich um eine reine Spekulation.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellen die Vergleichslösung und die im Kompendium veröffentlichte „Prüfungsarbeit eines Bewerbers“ keine „Musterlösung“ oder „Standardlösung“ dar, erst recht keine verbindliche Lösung. Vielmehr werden sie in der Einleitung auf der entsprechenden Website des EPA dahingehend beschrieben, dass „sie … nicht in jeder Hinsicht mustergültig [sind], sondern lediglich Beispiele für Antworten, die als brauchbar angesehen und mit der Note 'BESTANDEN' bewertet wurden. Keinesfalls stellen sie Standardlösungen dar, in denen alle Aspekte der Aufgabe vorbildlich gelöst sind.“

Dementsprechend lässt sich etwa aus einer fehlenden Erwähnung eines Aspektes nicht unmittelbar auf ein Übersehen dieses Aspektes oder einen sonstigen Fehler seitens der Prüfer schließen.

Damit sind sowohl die Vergleichslösung als auch die Beurteilung der insoweit unzureichenden Prüfungsleistung des Beschwerdeführers nachvollziehbar.

5.5 Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich wie auch zur Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 eine Überprüfung begehrt, ist dieses Begehren mit den oben genannten Grundsätzen der lediglich begrenzten Kontrolle der Beurteilungsspielräume im Prüfungsrecht unvereinbar.

5.6 In der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer ausführlich dargelegt, dass nach seiner Ansicht dieser generell nicht-reversible Beurteilungsspielraum verletzt und die Beurteilung deshalb einer rechtlichen wie fachlichen Überprüfung unterzogen werden könnte, weil das Merkmal „einen an die Haupt abzugebenden Wirkstoff“ zwingend dahin zu auszulegen sei, dass der in der Speicherschicht des Pflasters enthaltene Wirkstoff von der Haut aufgenommen werde. Dieses so verstandene Merkmal sei bei Anwendung der allgemein anerkannten Maßstäbe zur Neuheitsprüfung so gerade nicht in der nach der Vergleichslösung als neuheitsschädlich bewerteten Anlage 5 offenbart. Zu einem anderen Ergebnis könne man nur gelangen, wenn ein Bewerber entgegen den allgemeinen Anweisungen nach Regel 22 (3) ABVEP zusätzliche prüfungsexterne Informationen hinzuzögen.

Erschwerend komme hinzu, dass in den verschiedenen Sprachfassungen der Anlage 5 Übersetzungsfehler bzw. Übersetzungsungenauigkeiten vorhanden seien, durch die Bewerber, die die deutschsprachige Prüfungsaufgabe geschrieben hätten, benachteiligt worden wären.

5.7 Soweit es die streitige Merkmalsformulierung anbelangt, wurden im Termin zur mündlichen Verhandlung verschiedene Hinweise in den Prüfungsdokumenten erörtert, die die Auslegung des Beschwerdeführers nicht als „zwingend“ und einzig mögliche erscheinen lassen, sondern unter Beachtung von Regel 22 (3) ABVEP das gegenteilige Ergebnis erlauben.

Im Hinblick auf die beschriebene begrenzte Überprüfungsmöglichkeit von Beurteilungen und Prüfungsentscheidungen ist vorliegend entscheidend, dass der Beschwerdeführer im Ergebnis auf der Grundlage „seiner“ Auslegung der Anspruchsmerkmale „seine“ als einzig „richtige“ vertretene Lösung an die Stelle der von der Prüfern der Bewertung der Prüfungsaufgabe C zugrunde gelegten Lösung treten lassen will. Dabei handelt es sich indes um einen geradezu klassischen Fall der Meinungsverschiedenheit zwischen einem Bewerber und den Prüfern. Eine Entscheidung über solche Meinungsverschiedenheiten bedingte eine Wiedereröffnung des gesamten Prüfungsverfahrens.

Soweit der Beschwerdeführer ferner einen Übersetzungsfehler betreffend der aus seiner Sicht entscheidenden Formulierung in der englischen und französischen Aufgabenstellung behauptet hat, hat er trotz Nachfrage im Termin zur mündlichen Verhandlung die Relevanz dieses angeblichen Fehlers in den anderen Sprachen für seine Prüfungsleistung nicht dargelegt.

Zur Rüge b)

5.8 Zunächst einmal ist festzustellen, dass Entscheidungen der Prüfungskommission, mit denen das Nichtbestehen der Eignungsprüfung mitgeteilt wird, weder nach den europäischen Vorschriften (VEP, ABVEP, EPÜ) noch nach in den EPÜ-Vertragsstaaten geltenden Verfahrensgrundrechten im Sinne von Artikel 125 EPÜ, einer allgemeinen Begründungspflicht unterliegen (vgl. D 12/97 vom 25. Juni 1998, ABl. EPA 1999, 566; D 3/03 vom 23. April 2004; D 7/05 vom 17. Juli 2006, ABl. EPA 2007, 378).

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Entscheidung D 7/05 einen strukturellen Beurteilungsfehler wegen unzureichender Punkteuntergliederung geltend macht, hat die Beschwerdekammer in dieser Entscheidung zwar grundsätzlich entschieden, dass „unter Einzelheiten zur Notengebung“ im Sinne von Regel 6 (1) ABVEP „eine hinreichende Unterteilung der möglichen Maximalpunktzahl und der für den Bewerber vergebenen Gesamtpunktzahl in Unterpunkte zu verstehen ist und die Angabe, für welche Sachverhaltskomplexe, bzw. rechtliche Fragestellungen diese Unterpunkte vergeben wurden.“

Anders als im Aufgabenteil D (zu dem die genannte Entscheidung erging) besteht der für den vorliegend entscheidungserhebliche Aufgabenteil C nicht aus einer Reihe von Einzelfragen, die sich auf die verschiedenen Rechtskenntnisse der Bewerber beziehen, sondern betrifft das Abfassen einer begründeten Einspruchsschrift basierend auf einem Mandantenschreiben, dem das anzufechtende europäische Patent und eine Mehrzahl von Entgegenhaltungen beigefügt sind (Regeln 25 und 26 ABVEP). Im Focus der Prüfungsaufgabe C steht also nicht die kurze Beantwortung von knapp umrissenen Einzelfragen, sondern die Fertigung einer komplexen und in sich geschlossenen Einspruchsschrift. Dabei sind die Artikel 99 und 100 sowie die Regel 76 EPÜ wie auch die einschlägigen Empfehlungen in den Richtlinien für die Prüfung im EPA, Teil D, zu berücksichtigen. Regel 25 (5) ABVEP bestimmt zudem, dass „die Einspruchsschrift … vollzählig (und ausschließlich) alle diejenigen Gründe – möglichst gegen alle Ansprüche – enthalten [muss], die nach Ansicht des Bewerbers im vorliegenden Fall der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen. Das Weglassen triftiger Einspruchsgründe hat einen Punktabzug zur Folge, der umso höher ausfällt, je wichtiger der betreffende Grund ist.“

Angesichts der Komplexität der Aufgabenstellung stößt es daher nicht auf durchgreifende Bedenken, dass die Bewertung für den Aufgabenteil C grundsätzlich weniger Kategorien als beim Aufgabenteil D umfasst. Da nach Regel 25 (6) ABVEP die Patentansprüche getrennt voneinander zu behandeln sind und den jeweiligen Abhängigkeiten gebührend Rechnung zu tragen ist, ließe sich die Nachvollziehbarkeit der Beurteilung durch eine stärker differenzierende Untergliederungen durchaus erhöhen, zumal in dem Lösungsvorschlag offenbar interne Unterpunkte vorgesehen sind. Auch soweit mithin eine Überarbeitung des Bewertungsschemas für künftige Prüfungen zu begrüßen wäre, hält die Beschwerdekammer die gegenwärtige Unterteilung der Bewertung in lediglich zwei Kategorien („use of information“ und „argumentation“) als Minimalanforderung gerade noch für akzeptabel. Die vom Beschwerdeführer geforderte zwingende Unterteilung der Punkte streng getrennt nach einzelnen Ansprüchen erscheint demgegenüber als schwerlich praktikabel, jedenfalls als nicht zwingend, vor dem Hintergrund des mit dieser Prüfungsaufgabe verfolgten Zwecks zu beurteilen, ob die Bewerber fähig sind, eine (einheitliche) Einspruchsschrift gegen ein europäisches Patent auszuarbeiten.

5.9 Mit seinem 11. Antrag nimmt der Beschwerdeführer offenbar Bezug auf folgenden Hinweis im Ladungsbescheid: „Abgesehen davon, dass eine Bewertung sich an den Inhalten der Lösung orientieren muss und sich nicht in einem bloßen 'Abzählen' von Argumenten erschöpfen darf, liegen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines gravierenden und offensichtlichen Beurteilungsfehlers auf Seiten der Prüfungskommission oder ihrer Prüfer vor.“ Allerdings unterliegt er diesbezüglich einem Verständnisfehler, denn die Beschwerdekammer hat insoweit keinen Beurteilungsfehler seiner Arbeit „anerkannt“, sondern im Gegenteil verneint. Der Antrag geht daher ins Leere.

Zu den Nebenbegehren

5.10 Mit dem zweiten Antrag verfolgt der Beschwerdeführer im Ergebnis die Einsichtnahme in die Bewertungsunterlagen der Prüfer gerichtet.

Entscheidungen der Prüfungskommission, mittels derer Bewerbern das Nichtbestehen der Prüfung mitgeteilt wird, müssen als solche nicht begründet sein. Für die Nachvollziehbarkeit der Beurteilung notwendig, aber auch ausreichend ist, dass ein Bewerber auch in Abwesenheit einer verbal-argumentativen Begründung der Prüfungsentscheidung diese in Verbindung mit den im Kompendium veröffentlichten Unterlagen verstehen kann. Er kann seine Antworten anhand seines Bewertungsbogens mit der Vergleichslösung und der ebenfalls veröffentlichten Prüfungsarbeit eines Bewerbers vergleichen und davon ausgehend feststellen, ob und in welchem Umfang, d.h. hinsichtlich welcher Teilaspekte der Prüfungsaufgabe, seine Antworten als richtig und vollständig bzw. als falsch oder unvollständig bewertet wurden, sowie auch, ob die Beurteilung seiner Arbeit das Ergebnis einer Fehlbeurteilung gewesen sein könnte, die in einem Beschwerdeverfahren überprüft werden kann (vgl.: D 7/05, a.a.O., 388; D 3/03 vom 23. April 2004, Gründe Nr. 4; D 11/07 vom 14. Mai 2009, Gründe Nr. 10).

Vorliegend genügt der dem Beschwerdeführer mit der angefochtenen Entscheidung übersandte Bewertungsbogen den Anforderungen von Artikel 8 (1) d) VEP und Regel 4 (1) ABVEP. Er enthält eine Gliederung in Bewertungskategorien jeweils unter Angabe der erreichbaren und vom Bewerber erreichten Punkte und ermöglicht insbesondere bei Heranziehung der Vergleichslösung die Nachvollziehbarkeit der Benotung. Folglich hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die Vorlage weiterer Unterlagen.

5.11 Der dritte Antrag ist auf eine Änderung der Prüfungs- und Beurteilungspraxis gerichtet.

Zwar kann der Beschwerdeführer zulässigerweise mit seiner Beschwerde die Abänderung der an ihn ergangenen Entscheidung der Prüfungskommission über das Nichtbestehen der EP 2012 begehren, nicht vom Rechtsschutzinteresse erfasst sind dagegen künftige Entscheidungen über künftige Eignungsprüfungen. Insoweit fehlt es an einer Beschwer des Beschwerdeführers. Im Übrigen ist oben unter Punkt 5.8 dargelegt, dass die angefochtene Entscheidung nicht gegen die in der Entscheidung D 7/05 aufgestellten Grundsätze verstößt, so dass das Begehren des Beschwerdeführers insoweit auch in der Sache unbegründet wäre.

5.12 Der vierte Antrag ist ebenso wie der zweite Antrag als Auskunftsersuchen formuliert. Abgesehen von den oben unter Punkt 5.10 dargelegten Erwägungen, steht dem vierten Antrag zusätzlich entgegen, dass er auf eine alle Bewerber betreffende generelle Auskunft gerichtet ist. Insoweit fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage wie an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Zudem obliegt die Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung formell der Prüfungskommission (Artikel 6 VEP). Auch wenn sie sich dabei auf die Benotungen der Prüfungsausschüsse stützt (Artikel 6 (5) sowie Artikel 8 (1) d) und e) VEP), so ist am Ende ausschließlich die Gesamtbeurteilung der Prüfungskommission maßgeblich und mit der Beschwerde anfechtbar (Artikel 24 (1) VEP). Eine Korrektur der von einem Prüfungsausschuss vorgeschlagenen Benotung eines Bewerbers oder eine Anweisung zur Neubenotung kommt vornehmlich dann in Betracht, wenn die Benotungen der Prüfer allzu sehr voneinander abweichen oder der von den Prüfungsausschüssen ausgearbeitete Bewertungsbogen korrigiert werden musste. Hierfür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Auch mangelt es insoweit an einem substantiierten Beschwerdevorbringen, da der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme auf den diesbezüglichen Hinweis der Beschwerdekammer im Ladungsbescheid hierzu lediglich eine Mutmaßung darüber anstellte, eine ähnliche Bewertung durch zwei Prüfer lasse auf eine „Anpassung“ der Prüferbenotungen durch die Prüfungskommission schließen.

5.13 Der siebte Beschwerdeantrag bildet einen Annex zu den Anträgen 5 und 6. Da der Beschwerdeführer im Rahmen seines Hauptsachebegehrens keinen Anspruch auf Überprüfung seiner Prüfung hat, ist für eine Fristsetzung zur Stellungnahme zum Ergebnis einer solchen Nachprüfung kein Raum.

5.14 Da nach alledem die Beschwerde in der Sache zurückzuweisen ist, sind auch die mit den Anträgen 9 und 10 verfolgten Rückzahlungsansprüche ohne weiteres unbegründet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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