D 0001/11 () of 30.11.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:D000111.20111130
Datum der Entscheidung: 30 November 2011
Aktenzeichen: D 0001/11
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Im Anschluss an die Entscheidung D 07/07, nach der die Prüfungsarbeit C der Europäischen Eignungsprüfung 2007 des Beschwerdeführers erneut und u. a. mit der Zurechnung von 10 Punkten zu bewerten war, hat die Prüfungskommission entschieden, dass der Beschwerdeführer die Prüfungsarbeit C nicht bestanden hat.

II. Gegen diese zweite ablehnende Entscheidung der Prüfungskommission hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten hat in der Sache D 02/09 entschieden, dass die Prüfungskommission eine neuerliche Bewertung der Prüfungsarbeit C des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der sprachlichen Divergenzen der einzelnen Sprachfassungen, sowie unter vollständiger Berücksichtigung der bereits in der Entscheidung D 07/07 enthaltenen Aufträge der Beschwerdekammer vorzunehmen habe.

III. Die Prüfungskommission hat daraufhin eine dritte Bewertung durchgeführt und Folgendes entschieden (nachstehend der vollständigen Wortlaut der mitgeteilten Entscheidung):

"Hiermit möchte ich Sie darüber informieren, dass die neuerliche Bewertung der Prüfungsarbeiten C der EEP 2007 abgeschlossen ist.

Dabei wurden alle Aspekte der Entscheidungen D02/09 bzw. D07/07 der Beschwerdekammer berücksichtigt. Insbesondere wurde jede Lösung jeder Teilaufgabe berücksichtigt. Die sprachlichen Divergenzen in den einzelnen Fassungen wurden ebenfalls berücksichtigt.

Basierend auf dem neuen Bewertungsvorschlag hat die Prüfungskommission ihre Prüfungsarbeit zur Aufgabe C der Eignungsprüfung 2007 mit 42 Punkten und der Note "Nicht bestanden" gewertet.

Auf Grundlage der vergebenen Punkte und Note entscheidet die Prüfungskommission, dass die Bedingungen des Artikels 17 (1) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (Beilage zum ABl. EPA 12/2008) nicht erfüllt sind. Daher erklärt die Prüfungskommission, dass Sie die europäische Eignungsprüfung 2007 nicht bestanden haben."

Am 15. Dezember 2010 wurde die Mitteilung dieses Ergebnisses sowie der Bewertung dem Beschwerdeführer mit eingeschriebenem Brief durch die Post zugestellt.

IV. Am 19. Januar 2011 legte der Beschwerdeführer eine begründete Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Am 13. Januar 2011 wurde die Beschwerdegebühr gezahlt. Die Prüfungskommission beschloss am 24. Januar 2011, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte sie gemäß Artikel 24 (3) Satz 2 VEP am 2. Februar 2011 der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vor.

V. Mit Schreiben jeweils vom 23. Februar 2011 wurde dem Präsidenten des Europäischen Patentamtes (EPA) sowie dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (epi) gemäß Artikel 27 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 12 Satz 2 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Es sind keine Stellungnahmen eingegangen.

VI. Der Beschwerdeführer reichte am 6. April 2011 eine weitere Eingabe ein, in der erneut die Gründe zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung angegeben wurden.

VII. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, dass sich die Prüfungskommission über die Anordnung der Beschwerdekammer, die Prüfungsarbeit unter Berücksichtigung der sprachlichen Divergenzen der einzelnen Sprachfassungen neuerlich zu bewerten, hinweggesetzt habe. So sei der Entscheidung vom 15. Dezember 2010 lediglich der Satz "Die sprachlichen Divergenzen in den einzelnen Sprachfassungen wurden ebenfalls berücksichtigt" zu entnehmen. Die angefochtene Entscheidung lasse nicht in nachvollziehbarer Weise erkennen, welche Überlegungen die Prüfungskommission bei der Berücksichtigung der ursprünglich nicht berücksichtigten Lösungen angestellt hatte. Die bloße Aussage, dass bei der neuerlichen Bewertung jede Lösung jeder Teilaufgabe berücksichtigt worden sei, genüge nicht.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragt

1. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Prüfungskommission;

2. den Ausschluss der Mitglieder der Prüfungskommission, die an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, von der weiteren Mitwirkung in dieser Angelegenheit;

3. die Verweisung der Angelegenheit an die anders zu besetzende Prüfungskommission mit dem Auftrag, die Prüfungsarbeit C unter Berücksichtigung der in der Entscheidung D 02/09 enthaltenen Aufträge der Beschwerdekammer erneut zu bewerten;

4. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Hilfsweise beantragt er die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Geltende Vorschriften

1. Der vorliegende Fall ist nach den vom Verwaltungsrat am 9. Dezember 1993 beschlossenen und am 1. Mai 1994 in Kraft getretenen Vorschriften zur Europäischen Eignungsprüfung (VEP) (siehe Beilage zum ABl. EPA 12/2008,1) zu entscheiden. Diese Vorschriften sind nach Artikel 134 (2) c) und (8) a) EPÜ 1973 ergangen. Weiterhin ist nach Artikel 27 (4) Satz 1 VEP Teil IV der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) auf das Verfahren vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (siehe ABl. EPA 1978, 91) anzuwenden.

2. Nach Artikel 27 (1) VEP kann eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission und des Prüfungssekretariats wegen Verletzung der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmung erhoben werden.

3. Im vorliegenden Fall richtet sich die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission mit Datum vom 15. Dezember 2010 über das Nichtbestehen der Prüfungsarbeit C für die im Jahr 2007 stattgefundene europäische Eignungsprüfung. Die Entscheidung ist dem Beschwerdeführer mittels eingeschriebenen Briefs zugestellt worden. Nach Artikel 27 (4) Satz 1 VEP in Verbindung mit Artikel 21 (2) VDV in Verbindung mit Regel 78 (1) Satz 1 EPÜ 1973 sind Entscheidungen, durch die eine Beschwerdefrist in Lauf gesetzt wird, jedoch durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zuzustellen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, so dass ein Zustellungsmangel vorliegt, der jedoch durch den Nachweis des tatsächlichen Zugangs geheilt werden kann. Da die angefochtene Entscheidung am 17. Dezember 2010 nachweislich zugegangen ist, gilt sie infolge dessen nach Artikel 27 (4) Satz 1 VEP in Verbindung mit Artikel 21 (2) VDV sowie unter Berücksichtigung der gesetzlich fingierten Zustellung zehn Tage nach der Abgabe zur Post am 25. Dezember 2010 als zugestellt (Regel 78 (2) Satz 1 EPÜ 1973).

Zulässigkeit der Beschwerde

4. Gemäß Artikel 27 (2) und (3) VEP ist eine Beschwerde gegen eine Entscheidung der Prüfungskommission innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung schriftlich beim Prüfungssekretariats einzulegen und innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt jedoch erst als eingelegt, wenn auch die gemäß Artikel 19 VEP festgesetzte Beschwerdegebühr entrichtet worden ist.

5. Vorliegend endeten die Beschwerde- und die Beschwerdebegründungsfrist nach Artikel 27 (2) VEP in Verbindung mit Artikel 27 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 24 (1) VDV sowie in Verbindung mit Regeln 83 (4) EPÜ 1973, gerechnet von der am 25. Dezember 2010 erfolgten fiktiven Zustellung der angegriffenen Entscheidung der Prüfungskommission, am 25. Januar 2011 (Dienstag) bzw. am 25. Februar 2011 (Freitag). Die Beschwerdeschrift samt Beschwerdebegründung wurde am 19. Januar 2011 (Tag des Eingangs) eingereicht. Die Beschwerdegebühr wurde am 13. Januar 2011 gezahlt. Die Beschwerde ist somit fristgemäß eingegangen und auch im übrigen als zulässig zu erachten.

Begründetheit

6. Die Beschwerde führt auch zum Erfolg.

7. Die Beschwerdekammer hat in der zweiten Entscheidung D 02/09 entschieden, die Sache an die Prüfungskommission zurückzuverweisen mit der Vorgabe, "die Prüfungsarbeit C neuerlich zu bewerten, unter Berücksichtigung der sprachlichen Divergenzen der einzelnen Fassungen, sowie unter vollständiger Berücksichtigung der bereits in der Entscheidung D 07/07 enthaltenen Aufträge der Beschwerdekammer" (Entscheidungsformel Nr. 2). Ferner ist nach der Vorgabe der Kammer in Entscheidungsgrund Nr. 2 zu prüfen, ob und inwieweit die voneinander abweichenden Sprachversionen einen Einfluss auf das Verständnis der Prüfungsarbeit C hatten, und zu beachten, dass "das Ergebnis dieser Überprüfung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen muss, welche Überlegungen die Prüfungskommission dabei angestellt hat. Die bloße Aussage, dass bei der neuerlichen Bewertung dieser Fehler berücksichtigt worden ist, genügt nicht" (Hervorhebung in dem Text der Entscheidung).

8. Die Prüfungskommission hat ihre neuerliche Bewertung der Prüfungsarbeit C in der angefochtenen Entscheidung lediglich wie folgt begründet: "Dabei wurden alle Aspekte der Entscheidungen D 02/09 bzw. D 07/07 der Beschwerdekammer berücksichtigt. Insbesondere wurde jede Lösung jeder Teilaufgabe berücksichtigt. Die sprachliche Divergenzen in den einzelnen Fassungen wurden ebenfalls berücksichtigt." Aus diesen drei Sätzen vermag die Kammer jedoch nicht zu erkennen, welche Überlegungen der Prüfungskommission bei der erneuten Prüfung eine Rolle gespielt haben. Damit fehlt es, entgegen den Vorgaben der Kammer, an einer Begründung, die entscheidungserhebliche Überlegungen der Prüfungskommission in nachvollziehbarer Weise zu erkennen gibt. Vielmehr hat die Prüfungskommission lediglich den Tenor ihrer Bewertung mitgeteilt, obwohl die Beschwerdekammer in der Sache D 02/09 hierzu klar entschieden hat, dass eine solche Begründung nicht genüge (siehe oben Entscheidungsgrund Nr. 2). Die Kammer in ihrer jetzigen Besetzung kann somit nur feststellen, dass die Prüfungskommission die ratio decidendi der Entscheidung D 02/09 nicht befolgt hat.

9. Gemäß Artikel 111 (2) Satz 1 EPÜ 1973 ist das Organ, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, durch die rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer gebunden, wenn die Beschwerdekammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückverweist und soweit der Tatbestand noch derselbe ist. Diese Vorschrift findet nach Artikel 22 (3) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertreter (VDV) in Verbindung mit Artikel 27 (4) Satz 1 VEP auch in Verfahren wie dem vorliegenden Anwendung. Die Bindung an die rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer bezieht sich dabei auch auf die die Entscheidung tragenden Gründe (ratio decidendi), beschränkt sich also nicht allein auf das rechtliche Ergebnis der Entscheidung, wie es in der Entscheidungsformel seinen Ausdruck findet. Dies ergibt sich auch aus dem für die Auslegung der Vorschrift in gleicher Weise maßgeblichen Wortlaut der französischen Fassung des Artikels 111 (2) Satz 1 EPÜ 1973, in der es heißt, dass im Falle einer Zurückverweisung die untere Instanz gebunden ist "par les motifs et le dispositif de la chambre de recours". Die Prüfungskommission hätte infolge dessen bei der erneuten Überprüfung der Prüfungsarbeit C in nachvollziehbarer Weise die von ihr vorgenommenen Überlegungen zu den voneinander abweichenden Sprachversionen der Prüfungsarbeit darlegen müssen. Dies ist nicht geschehen. Dies allein begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler, so dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.

Zum Antrag betreffend die Besetzung des Prüfungsausschusses

10. Bei der erneuten Bewertung des Falles hat die Prüfungskommission davon abzusehen, wie der Prüfungsausschuss die Prüfungsarbeit C in der angefochtenen Entscheidung bewertet hat. Die Prüfungskommission hat weiterhin unter Berücksichtigung des Prinzips der Unparteilichkeit ihrer Mitglieder dafür Sorge zu tragen, dass der für die Prüfungsarbeit C zuständige Prüfungsausschuss diese neuerliche Bewertung unter Beachtung aller Vorgaben vornimmt, die ihm die beiden Entscheidungen D 07/07 und insbesondere D 2/09 gemacht haben.

Als der zu beauftragende Prüfungsausschuss ist der jeweils aktuell bestimmte Ausschuss zu verstehen, der in seiner Besetzung nicht notwendigerweise mit jenem Ausschuss identisch sein muss, der die mit der gegenständlichen Beschwerde angegriffene Bewertung der Arbeit des Beschwerdeführers vorgenommen hat.

Zum Antrag betreffend die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr

11. Da die Ursache der erfolgreichen Beschwerde nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten ist und die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers erfolgt, entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdegebühr gemäß Artikel 27 (4) letzter Satz VEP zurückzuzahlen.

Zum hilfsweise gestellten Antrag auf mündlichen Verhandlung

12. Da der Beschwerde stattgegeben wird, ist der hilfsweise gestellten Antrag auf mündlichen Verhandlung gegenstandslos.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Prüfungskommission vom 15. Dezember 2010 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungskommission zurückverwiesen mit der Anordnung, eine neuerliche Bewertung der Prüfungsarbeit C der europäischen Eignungsprüfung 2007 des Beschwerdeführers durch den betreffenden Prüfungsausschuss unter Berücksichtigung der in der Entscheidung D 02/09 enthaltenen Vorgaben der Beschwerdekammer vorzunehmen.

3. Die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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