D 0002/09 () of 24.3.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:D000209.20100324
Datum der Entscheidung: 24 März 2010
Aktenzeichen: D 0002/09
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 26 KB)
-
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer hat die europäische Eignungsprüfung, die vom 6. bis 8. März 2007 stattgefunden hat, nicht bestanden. gegen diese Entscheidung der Prüfungskommission hat der Beschwerdeführer bereits einmal Beschwerde eingelegt. Über diese Beschwerde erging die Entscheidung D 7/07, mit der der Prüfungskommission aufgetragen wurde, die Arbeit C des Beschwerdeführers neu zu bewerten, wobei bei der Vergabe von Punkten nach Maßgabe von Regel 4 (2) und (3) ABVEP jede Lösung jeder Teilaufgabe zu berücksichtigen sei.

II. Die Prüfungskommission hat mit Schreiben vom 11. Februar 2009 dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden hat. Sie hat in diesem Schreiben auch mitgeteilt, dass dieses Schreiben die neue Entscheidung der Prüfungskommission darstelle, die gemäß dem Auftrag der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (D 7/07) nach erneuter Bewertung der Prüfungsaufgabe erfolgt sei.

III. Gegen diese Entscheidung richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Sie ist am 11. März 2009 im Amt eingelangt und wurde mit Schreiben vom 8. April 2009, eingelangt am 14. April 2009 begründet. Die Beschwerdegebühr wurde am 9. März 2009 entrichtet.

Die Begründung kann folgendermaßen zusammengefasst werden:

Die den beiden Entscheidungen der Prüfungskommission zugrunde liegenden Bewertungsbögen seien (abgesehen von den jeweils zu Aufgabe C vergebenen Punkten) identisch. Eine neue Musterlösung sein nicht veröffentlicht worden. Trotzdem seien die in den beiden Bewertungsbögen vergebenen Punkte unterschiedlich (38 bzw. 42 Punkte). Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie die Prüfungskommission zu zwei voneinander verschiedenen Bewertungen hätte gelangen können.

Im Rahmen der Akteneinsicht habe der Beschwerdeführer festgestellt, dass keine Entscheidungsunterlagen über die erneute Bewertung der Aufgabe C, insbesondere keine im Sinne von Artikel 16 VEP von der Prüfungskommission den Mitgliedern des betreffenden Prüfungsausschusses gegebenen Anweisungen sowie keine Bewertungsschemata, die tatsächlich die Grundlage für die zweite Entscheidung der Prüfungskommission vom 11. Februar 2009 gebildet hätten, vorgelegen seien. Eine angeforderte Stellungnahme habe er nicht erhalten.

Er beantrage daher, die Prüfungskommission dazu zu verpflichten, die vorgenannten Entscheidungsgrundlagen offenzulegen. Dies sei erforderlich, damit nachprüfbar sei, ob bei der Neubewertung seiner Arbeit gegen Bewertungsgrundsätze verstoßen worden sei, beispielsweise ob ein Missbrauch oder eine Überschreitung des Ermessensspielraumes stattgefunden habe.

Sodann wird ausgeführt, dass die Musterlösung hinsichtlich Beurteilung der Prioritätsfrage und der Frage des nächstliegenden Standes der Technik objektiv unrichtig sei. Es seien daher bei der Bewertung schwerwiegende und eindeutige Fehler gemacht worden. Die Prüfer seien bei ihrer Beurteilung von einer technisch und rechtlich falschen Beurteilungsgrundlage ausgegangen. Diese Auffassung wird vom Beschwerdeführer durch detaillierte Auseinandersetzung mit der Musterlösung zu begründen versucht.

Es werde nicht beantragt, die Prüfungsarbeit dahingehend fachlich zu überprüfen, ob deren Bewertung sachlich angezeigt gewesen sei oder nicht, es solle lediglich über die objektive Richtigkeit der Musterlösung entschieden werden.

Es wird weiters der Vorwurf erhoben, die Mitglieder der Prüfungskommission, die an der 2. Entscheidung (vom 11. Februar 2009) mitgewirkt haben, hätten gegen das Gebot der Sachlichkeit verstoßen und seien voreingenommen gewesen. Dies wird mit angeblichen Äußerungen eines Mitglieds der Prüfungskommission gegenüber einem Industrievertreter begründet. Zum Beweis dafür wurde die Kopie einiger Seiten des CIPA Journals vom November 2007 vorgelegt.

IV. Mit Schreiben vom 29. Mai 2009 wurde der Präsidentin des Amtes sowie dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Sie haben davon nicht Gebrauch gemacht.

V. Die Beschwerdekammer hat in einer Mitteilung zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Meinung geäußert.

VI. Der Beschwerdeführer hat darauf mit Schreiben vom 14. Jänner 2010 erwidert.

VII. In der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Kammer auf die aus gleichgelagerten Fällen bekannte Problematik einer Divergenz der einzelnen Sprachfassungen in den Prüfungstexten hingewiesen und die Aufhebung der Entscheidung von Amtswegen aus dem Grunde des Nichteingehens auf die möglichen Auswirkungen dieser Divergenz bei der Beurteilung der Arbeit des Beschwerdeführers in Aussicht gestellt.

VIII. In weiterer Folge wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass bei der Benotung seiner Arbeit insgesamt schwere Fehler unterlaufen seien, da auch bei der neuerlichen Beurteilung nicht auf die Alternativlösungen eingegangen worden sei. Deshalb habe er auch Befangenheit geltend gemacht, da er nach dieser Vorgangsweise kein Vertrauen mehr in die Objektivität der Prüfer habe.

IX. Der Vertreter der Präsidentin wies darauf hin, dass die neuerliche Bewertung der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers von einem personell anders zusammengesetzten Prüfungsausschuss vorgenommen worden sei.

X. Die folgenden Anträge wurden gestellt:

1. Aufhebung der Entscheidung der Prüfungskommission

2. Die Mitglieder der Prüfungskommission, die an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, werden an der weiteren Mitwirkung in dieser Sache ausgeschlossen.

3. Die Sache wird an die anders zu besetzende Prüfungskommission mit der Anordnung zurückverwiesen,

a) eine neuerliche Bewertung der Arbeit C der europäischen Eignungsprüfung 2007 des Beschwerdeführers durch den betreffenden Prüfungsausschuss zu veranlassen, wobei die bisherige Bewertungsvorlage (Musterlösung) dahingehend zu ändern ist, dass

i) die von Anlage 1 beanspruchte Priorität auch hinsichtlich der Ansprüche 1 und 7 wirksam ist,

ii) für Angriffe gegen die Ansprüche 2, 3, 5, und 6 der Anlage 1 die Anlage 3 einen gegenüber Anlage 4 gleichwertigen nächstliegenden Stand der Technik darstellt, und

iii) ein vollwertiger Angriff gegen Anspruch 1 der Anlage 1 in der Verwendung von Anlage 3 als nächstliegender Stand der Technik unter Beiziehung der Anlage 5 besteht;

b) bei der Vergabe von Punkten nach Maßgabe von Regel 4 (2) und (3) ABVEP hinsichtlich der Teilaufgabe "Angriff gegen Anspruch 4" eine Lösung basierend auf Anlage 4 zu berücksichtigen ist und

c) der Benotung der Arbeit C des Beschwerdeführers das Ergebnis der neuerlichen Bewertung gemäß a) zuzüglich 10 Punkte zugrunde zu legen und hierauf gemäß Artikel 7 (3) VEP zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer die Europäische Eignungsprüfung bestanden hat oder nicht.

Entscheidungsgründe

1. Der Beschwerdekammer ist aus mehreren gleich- oder sehr ähnlich gelagerten Fällen bekannt, dass die Frage einer Divergenz der Übersetzung der Prüfungsarbeit in den drei Amtssprachen bereits von zahlreichen Beschwerdeführern zusammen mit der Rüge der globalen Hinzurechnung von 10 Punkten zu allen Prüfungsergebnissen 2007 thematisiert worden ist. Die Beschwerdekammer hat dies seinerzeit zum Anlass genommen, die Prüfungskommission zwar nicht im Rahmen der jeweiligen Entscheidungsformeln, wohl aber im Rahmen der Begründung ihrer Entscheidungen auch in dieser Hinsicht anzuweisen, der Frage der Bedeutung der sprachlichen Divergenz der Prüfungsvorgabennachzugehen und dies allenfalls angemessen zu berücksichtigen (siehe beispielsweise D 45/07, nicht veröffentlicht).

2. Auch wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung auf die Frage einer sprachlichen Divergenz nicht Bezug genommen hat, hält es die Beschwerdekammer für angebracht, von Amtswegen auch in diesem Verfahren die Frage prüfen zu lassen, ob und inwieweit die voneinander abweichenden Sprachversionen einen Einfluss auf das Verständnis der gestellten Prüfungsaufgabe und die sich daraus ergebende weitere Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehabt haben könnten. Dies hätte auch bereits von der Prüfungskommission, der im Hinblick auf mehrere Beschwerden, in denen dieses Problem angesprochen worden war, bekannt gewesen sein musste, eigenständig aufgegriffen werden. Diese Überprüfung ist nun durchzuführen, wobei das Ergebnis dieser Überprüfung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen muss, welche Überlegungen die Prüfungskommission dabei angestellt hat. Die bloße Aussage, dass bei der neuerlichen Bewertung dieser Fehler berücksichtigt worden ist, genügt nicht.

3. Zu den einzelnen Anträgen des Beschwerdeführers ist unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammer bezüglich der Überprüfung einer Prüfungsarbeit festzuhalten, dass es außerhalb der Möglichkeiten der Beschwerdekammer liegt, eine materielle Prüfung, die über die Feststellung des Vorliegens allfälliger schwerer Fehler in der Bewertung oder Verfahrensverletzungen hinausgeht, vorzunehmen. Dass die Prüfungskommission bei der neuerlichen Bewertung der Prüfungsarbeit zu einer anderen Benotung gelangt, kann die Beschwerdekammer nicht als schweren Fehler ansehen, da es in der Natur der Sache liegen kann, dass bei einer neuerlichen Bewertung unter Zugrundelegung des ursprünglich nicht akzeptierten Lösungsansatzes eine andere Punktevergabe erfolgt. Dies muss nicht zwingend so sein, da die Argumentation auch bei geänderter Ausgangslage als nicht schlüssig, unvollständig oder fehlerhaft betrachtet werden kann. Ist jedoch bei Berücksichtigung einer anderen Ausgangslage die ursprünglich vergebene Punktezahl nicht ( mehr ) adäquat, so wird dementsprechend die Prüfungskommission auch zu einer anderen Punktezahl gelangen können. Die Beschwerdekammer kann daher in der unterschiedlichen Punktevergabe keinen schweren Fehler erkennen.

4. Die Anweisungen an die Prüfer ergeben sich im vorliegenden Fall aus der Entscheidung zu D 7/07, wo es unter Punkt 2 a) der Entscheidungsgründe, heißt, dass bei der Vergabe der Punkte jede Lösung jeder Teilaufgabe zu berücksichtigen sei. Damit ist klargestellt, dass die Prüfer auch einen anderen Lösungsansatz, als den ursprünglich als allein richtigen betrachteten, als solchen akzeptieren müssen. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass damit automatisch eine höhere Punktezahl zu vergeben ist, da, wie oben ausgeführt, auch in diesem Fall die Argumentationslinie nicht überzeugend sein könnte, aus dem "anderen" Lösungsansatz nicht zutreffende Schlüsse gezogen oder Gesichtspunkte nicht hinreichend ausgearbeitet worden sein könnten.

5. Bezüglich der Herausgabe von Bewertungsschemata hat die Beschwerdekammer bereits zu D 3/06 (nicht veröffentlicht) entschieden, dass es mangels entsprechender Bestimmungen in den VEP nicht möglich ist, von der Prüfungskommission bzw. den Prüfern Einsicht in allfällige Unterlagen zu erzwingen. Sie hat auch in der Entscheidung D 13/02 (nicht veröffentlicht), festgehalten, dass die Offenlegung von Bewertungsvorlagen weder entscheidungswesentlich ist, wenn über rechtserhebliche Fehler zu befinden ist, noch dass ein Rechtsanspruch bestehe (D 12/82, ABl. EPA 1983, 233).

6. Der Beschwerdeführer sieht eine Befangenheit in der Tatsache, dass im CIPA Journal 11/ 2007 auf eine Rede des Vorsitzenden der Prüfungskommission für die Europäische Eignungsprüfung hingewiesen wird, die er anlässlich der Überreichung der Diplome gehalten hat, die seiner Auffassung nach im Widerspruch zu Ausführungen der Musterlösung und der "briefing note" an die Präsidentin des EPA stehen. Worin eine Befangenheit der Prüfungskommission bzw. des Prüfungsausschusses bei der Beurteilung einer Prüfungsarbeit bestanden haben soll, wenn in einem von dritter Seite wiedergegebenen Vortrag, auf Vorgänge hingewiesen wird, die ua. Anlass für das Verfahren D 7/07 und zahlreiche weitere waren, vermag die Beschwerdekammer nicht zu erkennen. Das selbe gilt für die Erwähnung einer Unterhaltung zwischen einem Teilnehmer an einem SACEPO-Treffen und einem Mitglied der Prüfungskommission. Auch hier ist nicht zu erkennen, inwiefern diese Unterhaltung eine Befangenheit des betreffenden Prüfers gegenüber dem nunmehrigen BF darstellen sollte.

7. In seiner Erwiderung vom 14. Jänner 2010 verweist der Beschwerdeführer auch darauf, dass sich Mitglieder des Prüfungsausschusses in Gesprächen mit EPI und CEIPI-Tutoren in Widersprüche verwickelt hätten. Da, wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zugestand, er die Namen seiner Prüfer und auch die der in einem Internet-Blog nicht namentlich genannten Prüfer nicht kenne, wäre schon aus diesem Grund eine Befangenheit nicht wirksam zu begründen. Der Vertreter der Präsidentin wies in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass infolge personeller Veränderungen auch die Prüfungsausschüsse immer wieder neu zusammengesetzt würden.

8. Da die neuerliche Bewertung der Arbeit des Beschwerdeführers nicht alle Umstände berücksichtigt hat, die für eine korrekte und faire Beurteilung die Voraussetzung bilden, war die Entscheidung aufzuheben und die Sache erneut an die Prüfungskommission zurückzuverweisen. Nach Auffassung der Beschwerdekammer entspricht es auch der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Prüfungskommission wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungskommission zurückverwiesen, mit dem Auftrag, die Prüfungsarbeit C neuerlich zu bewerten, unter Berücksichtigung der sprachlichen Divergenzen der einzelnen Sprachfassungen, sowie unter vollständiger Berücksichtigung der bereits in der Entscheidung D 07/07 enthaltenen Aufträge der Beschwerdekammer.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Quick Navigation