D 0008/08 () of 19.12.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:D000808.20081219
Datum der Entscheidung: 19 Dezember 2008
Aktenzeichen: D 0008/08
Anmeldenummer: -
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: -
Name des Einsprechenden: -
Kammer: DBA
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
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Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

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Angeführte Entscheidungen:
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Anführungen in anderen Entscheidungen:
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Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung des Prüfungssekretariats vom 13. August 2008, mit der die Anmeldung der Beschwerdeführerin für die Europäische Eignungsprüfung 2009 zurückgewiesen worden war. Die Beschwerde wurde am 5. September 2008 eingelegt und begründet. Gleichzeitig wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Am 10. November 2008 wurde die Beschwerde gemäß Artikel 27(3) VEP der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorgelegt.

II. Die Beschwerdeführerin hatte ihre Anmeldung zur Europäischen Eignungsprüfung 2009 am 11. Juli 2008 eingereicht. Darin hatte sie zu ihren Beschäftigungszeiten angegeben, sie sei unter den Bedingungen von Artikel 10(2)a)iii) VEP für ihren Arbeitgeber tätig gewesen, und zwar unter anderem unter der Aufsicht von Frau Z., die beim gleichen Arbeitgeber angestellt war. Als Beleg dafür, dass Frau Z. für den Arbeitgeber nach Artikel 10(2)a)ii) VEP vor dem Europäischen Patentamt tätig war, waren der Prüfungsanmeldung Kopien zweier vom 22. Februar 1996 bzw. 9. Juni 2000 datierter, unbefristeter Vollmachten für Frau Z. beigefügt, die diese bevollmächtigen, ihren Arbeitgeber in Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes zu vertreten.

III. Mit Fax vom 1. August 2008 teilte das Prüfungssekretariat der Beschwerdeführerin mit, es könne für die sie ausbildende Frau Z. keine Allgemeine Vollmacht des Arbeitgebers und auch sonst keine aktive Tätigkeit vor dem EPA gemäß Artikel 10(2)a)iii) VEP feststellen. Sie wurde gebeten, dem Prüfungssekretariat die Vollmachtnummer sowie eine Liste europäischer Patentanmeldungen zuzusenden, bei denen Frau Z. direkt verfahrensbeteiligt war.

IV. Mit Schreiben vom 8. August 2009 teilte die Beschwerdeführerin dem Prüfungssekretariat mit, dass für Frau Z. keine Allgemeine Vollmacht eingereicht worden sei. Es seien jedoch jeweils Einzelvollmachten in denjenigen Fällen eingereicht worden, in denen sie vor dem EPA für den Arbeitgeber tätig war. Gleichzeitig sandte die Beschwerdeführerin dem Prüfungssekretariat eine Liste mit 11 europäischen Patentanmeldungen, bei denen Frau Z. im fraglichen Zeitraum mit Angestelltenvollmacht tätig geworden war.

V. Die Entscheidung vom 13. August 2008, mit der das Prüfungssekretariat die Anmeldung der Beschwerdeführerin für die Eignungsprüfung 2009 zurückwies, stützt sich darauf, dass für einen Teil der bescheinigten Ausbildungszeit nach Artikel 10(2)a)iii) VEP nicht nachgewiesen sei, dass die bei der gleichen Firma angestellte Frau Z., unter deren Leitung die Beschwerdeführerin diesen Teil des Praktikums absolviert hatte, vor dem EPA für ihren Arbeitgeber gehandelt habe. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, dass für Frau Z. eine Allgemeine Vollmacht gemäß Artikel 133(3) EPÜ vorliege. "Ebenso haben wir keinerlei aktive Beteiligung von Frau Z. in Verfahren vor dem EPA feststellen können." Damit betrage für die Beschwerdeführerin die anrechenbare Ausbildungszeit nur 2 Jahre und 8 Monate, sodass noch 4 Monate bis zur vorgeschriebenen Dauer von 3 Jahren fehlten.

VI. Die Beschwerdeführerin weist in der Beschwerdebegründung erneut darauf hin, dass Frau Z. im fraglichen Zeitraum in etlichen, in der Beschwerdeschrift angegebenen Anmeldeverfahren für den Arbeitgeber vor dem Europäischen Patentamt tätig gewesen sei. Sie verweist dazu konkret auf sechs europäische Patentanmeldungen, in deren Verfahren Frau Z. beispielweise vor dem EPA tätig war, wie durch entsprechende Aktenauszüge belegt wird. Im Gegensatz zu der vom Prüfungssekretariat angedeuteten Auffassung sei es gemäß Artikel 10(2)a)iii) VEP nicht notwendig, dass die Bevollmächtigung durch eine eingetragene Allgemeine Vollmacht nach Regel 101(2) EPÜ 1973 erfolge. Somit sei sowohl die Bevollmächtigung als auch die aktive Beteiligung von Frau Z. an Verfahren vor dem EPA feststellbar und nachgewiesen. Der Beschwerdeführerin sei vor der Zurückweisung der Anmeldung zur Eignungsprüfung leider keine Gelegenheit gegeben worden, das Prüfungssekretariat bei diesem Nachweis zu unterstützen.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Zulassung zur Europäischen Eignungsprüfung 2009.

VIII. Mit Schreiben der Kammer vom 13. November 2008 wurde der Präsidentin des Europäischen Patentamts sowie dem Präsidenten des Rats der zugelassenen Vertreter gemäß Artikel 27(4) VEP in Verbindung mit Artikel 12, Satz 2 VDV Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Es sind keine Stellungnahmen eingegangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Vorschriften von Artikel 27(2) VEP und ist somit zulässig.

2. Die Artikel 10(2)a)ii) und iii) VEP betreffen Bewerber für die Europäische Eignungsprüfung, die die notwendige 3-jährige Berufserfahrung als Angestellte eines Arbeitgebers dadurch erworben haben, dass sie für diesen gemäß Artikel 133(3) EPÜ vor dem Europäischen Patentamt selbst gehandelt haben (Ziffer ii) oder als Assistent einer solchen Person daran beteiligt waren (Ziffer iii). Für beide Personengruppen wird verlangt, dass sie "an einer Vielzahl von Tätigkeiten im Zusammenhang mit europäischen Patentanmeldungen und europäischen Patenten beteiligt waren".

3. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Anmeldung zur Eignungsprüfung auf Ziffer iii) von Artikel 10(2)a) VEP. Dies setzt den Nachweis voraus, dass die sie ausbildende Person im fraglichen Zeitraum gemäß Ziffer ii) für den Arbeitgeber vor dem EPA gemäß Artikel 133(3) EPÜ gehandelt hat und dabei an einer Vielzahl von Tätigkeiten im Zusammenhang mit europäischen Patentanmeldungen und europäischen Patenten beteiligt war. Das Prüfungssekretariat hat diesen Nachweis für den Zeitraum vom 1. Februar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 als für nicht erbracht erachtet. Dies deshalb, weil das Prüfungssekretariat nicht habe feststellen können, dass für Frau Z. eine Allgemeine Vollmacht nach Artikel 133(3) EPÜ vorgelegen habe und weil es auch "keinerlei aktive Betätigung von Frau Z. in Verfahren vor dem EPA" habe feststellen können (siehe oben Ziff. V).

4. In der Entscheidung D 4/07 vom 6. Dezember 2007 hat die Kammer im Zusammenhang mit Artikel 10(2)a)ii) VEP ausgeführt, eine Bevollmächtigung nach Artikel 133(3) EPC könne sowohl durch Einzelvollmachten als auch durch eine Allgemeine Vollmacht erfolgen. Nur letztere stelle allerdings sicher, dass die ausbildende Person während der gesamten Ausbildungszeit für den Arbeitgeber vor dem EPA in einer Vielzahl von Tätigkeiten gemäß Artikel 10(2)a)ii) bzw. iii) VEP tätig sein konnte (siehe Ziff. 3 der Gründe). In der Entscheidung D 34/07 vom 11. Januar 2008 hat die Kammer präzisiert, dass die genannten Voraussetzungen im Einzelfall auch erfüllt sein können, wenn nachgewiesen sei, dass der Arbeitgeber für die betreffende Person während der gesamten Ausbildungszeit einzelfallweise Vollmachten zum Handeln vor dem EPA eingereicht hat (siehe Ziff. 3.1 der Gründe). Schließlich hat die Kammer in der Entscheidung D 32/07 (Ziff. 6 der Gründe) darauf hingewiesen, dass die Beurteilung, ob ein Bewerber die Voraussetzungen von Artikel 10(2)a)ii) VEP erfülle, weniger nach formellen Gesichtspunkten als danach erfolgen sollte, ob seine praktische Tätigkeit eine vernünftige Vorbereitung für die Eignungsprüfung sicherstelle.

5. Von dieser Rechtslage ging im vorliegenden Fall offensichtlich auch das Prüfungssekretariat aus, indem es sowohl im Bescheid vom 1. August 2008 als auch in seiner Entscheidung vom 13. August 2008 unter anderem darauf abstellte, ob Frau Z. bei europäischen Patentanmeldungen bzw. Verfahren vor dem EPA für ihren Arbeitgeber direkt bzw. aktiv beteiligt war (siehe oben Ziff. III. und V.). Die Beschwerdeführerin hat den entsprechenden Nachweis mit der auf den Bescheid vom 1. August 2008 hin eingereichten Liste von 11 europäischen Patentanmeldungen zu führen versucht, bei denen Frau Z. für den Arbeitgeber vor dem EPA handelte. Trotzdem hat das Prüfungssekretariat in der angefochtenen Entscheidung, ohne auf diese Unterlagen einzugehen, daran festgehalten, dass "keinerlei aktive Beteiligung von Frau Z. in Verfahren vor dem EPA" festgestellt werden konnte. Dabei hätte durch Akteneinsicht ohne weiteres festgestellt werden können, dass Frau Z. in mindestens 6 der 11 aufgelisteten Fälle die Anmeldeverfahren vor dem EPA mit (Einzel-)Vollmacht des Arbeitgebers nach Artikel 133(3) EPÜ im Zeitraum der Jahre 2001 bis 2004 selbständig geführt hat, wie sich aus den von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen ergibt.

6. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten kann gemäß Artikel 27(1) VEP nur überprüfen, ob die VEP, eine bei ihrer Durchführung anzuwendende Bestimmung oder höherrangiges Recht verletzt wurde (D 1/92, ABl. EPA 1993, 357; D 6/92, ABl. EPA 1993, 361). Deshalb kann die Beurteilung des Prüfungssekretariats, ob ein Bewerber im Einzelfall die Voraussetzungen von Artikel 10(2)a)ii) und iii) VEP erfüllt hat, nur daraufhin überprüft werden, ob dabei Recht verletzt wurde (vgl. dazu D 32/07, Ziff. 8 der Gründe).

7. Im vorliegenden Fall kommt die Kammer zu dem Schluss, dass eine solche Rechtsverletzung vorliegt, indem in der angefochtenen Entscheidung mit keinem Wort auf die von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8. August 2008 auf die Aufforderung des Prüfungssekretariats hin als weitere Beweismittel eingereichten Unterlagen eingegangen wird (siehe Ziff. V, oben). Dadurch wurde der als höherrangiges Recht anerkannte Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wie er in Artikel 113(1) EPÜ seinen Ausdruck findet (vgl. D 3/99, Ziff. 5 der Gründe; D 3/99, Ziff. 3 der Gründe). Dieser Grundsatz hätte verlangt, dass das Prüfungssekretariat in der Begründung seiner Entscheidung auf die vorgelegten Beweismittel und die darauf gestützten Argumente der Beschwerdeführerin eingegangen wäre. Statt dessen wurde lediglich der Inhalt des vorangegangenen Bescheids wiederholt, ohne die neuen Beweismittel und die darauf gestützten Argumente zu würdigen. Aus diesem Grund ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

8. Da angesichts der knappen Zeit bis zur Eignungsprüfung 2009 besondere Gründe vorliegen, die gegen eine Zurückverweisung der Sache an das Prüfungssekretariat sprechen (vgl. Artikel 12 der ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten), entscheidet die Kammer selbst über die Zulassung der Beschwerdeführerin zur Eignungsprüfung 2009. Wie in Ziff. 5 erwähnt, hat sie sich auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Auszüge aus Anmeldungsakten und durch eigene Akteneinsicht davon überzeugt, dass Frau Z. während des fraglichen Zeitraums mindestens 6 Anmeldeverfahren vor dem EPA mit Einzelvollmacht des Arbeitgebers selbständig geführt hat.

9. Aufgrund dieses Sachverhalts kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen von Artikel 10(2)a)ii) bzw. iii) erfüllt. Da dies nach Ansicht des Prüfungssekretariats das einzige Hindernis für die Zulassung darstellte, steht dieser somit nichts mehr im Wege.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Beschwerdeführerin ist zur Europäischen Eignungsprüfung 2009 zuzulassen.

3. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.

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