European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:D000206.20060707 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Juli 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | D 0002/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | DBA | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungskommission vom 28. September 2005, die dem Beschwerdeführer am 4. Oktober 2005 zugestellt wurde. Gemäß dieser Entscheidung hatte der Beschwerdeführer die europäische Eignungsprüfung des Jahres 2005 nicht bestanden, da die Prüfungsarbeit C mit 48 Punkten, d.h. mit weniger als den für das Bestehen mindestens erforderlichen 50 Punkten, bewertet wurde.
II. Mit am 4. November 2005 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Schreiben legte der Beschwerdeführer unter Entrichtung der Beschwerdegebühr gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die schriftliche Begründung folgte am 7. Dezember 2005.
III. Der Beschwerdeführer beantragte,
- einen bei der Beurteilung der Prüfungsarbeit C gemachten Punkteabzug bezüglich des nicht erhobenen Einspruchsgrunds mangelnder Neuheit des Gegenstands von Anspruch 4 des Streitpatents gegenüber Anlage 5 der Prüfungsaufgabe C aufzuheben,
- die Arbeit C, anstatt mit 48 Punkten als nicht bestanden, mit mindestens 50 Punkten als bestanden zu bewerten, und
- die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Mit Schreiben vom 5. April 2006 wurde ferner eine beschleunigte Bearbeitung der Beschwerde beantragt.
IV. In einem Zwischenbescheid vom 29. Mai 2006 teilte die Kammer dem Beschwerdeführer ihre vorläufige Ansicht über rechtliche und sachliche Aspekte der Beschwerde mit. Der Beschwerdeführer reichte daraufhin mit Schreiben vom 23. Juni 2006 weitere Anlagen ein, ohne dazu schriftlich Stellung zu nehmen.
V. Dem Präsidenten des Europäischen Patentamts und dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter wurde gemäß Artikel 27 (4) der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP) in Verbindung mit Artikel 12 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die aber nicht ergriffen wurde.
VI. Am 7. Juli 2006 wurde in Anwesenheit eines Vertreters des Präsidenten des Europäischen Patentamts (Artikel 14 VDV) mündlich verhandelt.
VII. Die schriftliche und die an der mündlichen Verhandlung vorgetragene Begründung und Argumentation des Beschwerdeführers lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Verletzung von Ziffer IV.14 der "Anweisungen an die Bewerber für die Anfertigung ihrer Arbeiten" (Beilage zum ABl. 12/2004, S.28 f.)
Die genannte Bestimmung sehe vor, dass bei der Bewertung der Prüfungsaufgabe C das Weglassen eines triftigen Einspruchsgrunds einen Punkteabzug zur Folge habe. Laut dem Examiner's Report im "Compendium (Prüfungsaufgabe C)" des Jahres 2005 sei von den Bewerbern auf Grund des Schreibens gemäß Annex 5 zur Prüfungsaufgabe ein Neuheitsangriff auf Anspruch 4 des Streitpatents erwartet worden. Dabei sei vorausgesetzt worden, dass die in Anspruch 4 des Streitpatents (Anlage 1 zur Prüfungsaufgabe C, deutsch) definierte "schlauchförmige Folie zum Auskleiden eines Rohres" mit dem in Annex 5 (englisch) als "tubing" bezeichneten Gegenstand gleichzusetzen sei. Im englischen Sprachgebrauch bezeichne "tubing" aber nur bei zusammengesetzten Begriffen wie z.B. bei "film tubing" (Folienschlauch), "heat shrink tubing" (Schrumpfschlauch) oder "plastic/rubber tubing" (Plastikschlauch/Gummischlauch) ein flexibles Gebilde. In Alleinstellung dagegen bezeichne der Begriff ein starres formbeständiges Gebilde, wie ein Rohr oder eine Rohrleitung. Dies lasse sich anhand einer Vielzahl von Wörterbüchern nachweisen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass für den Begriff "tubing" vereinzelt die Übersetzung "Schlauchmaterial" zu finden sei. Der Kontext von Annex 5 habe zu keinem anderen Schluss führen können, da das dort in diesem Zusammenhang erwähnte Material "Polyethylene", je nach dem Herstellungsverfahren und der Wanddicke, als starres oder als flexibles Gebilde vorliegen könne. Insbesondere fehle in Annex 5 jeder Hinweis darauf, dass es sich dort um Folienmaterial handle. Der Umstand, dass der Brief gemäß Annex 5 von einem ehemaligen Mitarbeiter der Firma USE Kunststofftechnik, der Inhaberin des Streitpatents nach Anlage 1, stamme, sei für seinen Inhalt als Stand der Technik unbeachtlich. Der Beschwerdeführer habe mit seiner langjährigen Praxis als Übersetzer englischsprachiger Patenttexte deshalb davon ausgehen dürfen, dass der Begriff "tubing" in Annex 5 gemäß dem allgemein üblichen Sprachgebrauch zu verstehen sei und somit ein starres Rohr bezeichne. Ein solches sei aber offensichtlich nicht mit einer schlauchförmigen Folie gemäß Anspruch 4, d.h. einem flexiblen Gebilde mit geringer Wandstärke, gleichzusetzen. Da somit keine Identität zwischen dem Gegenstand von Annex 5 und Anspruch 4 bestehe, habe der Beschwerdeführer zu Recht keinen entsprechenden Neuheitsangriff vorgetragen. Der daraus folgende Punkteabzug sei deshalb rechtswidrig erfolgt.
b) Verletzung von Artikel 15 (2) VEP in Verbindung mit Ziffer IV.16 der "Anweisungen an die Bewerber für die Anfertigung ihrer Arbeiten"
Nach diesen Vorschriften müsse der Prüfungsaufgabe C jeweils ein Glossar der in den Schriftstücken zum Stand der Technik enthaltenen Fachausdrücke in den Amtssprachen des EPA und der Vertragsstaaten beiliegen. Da die deutsche Übersetzung des in Annex 5 verwendeten Begriffs "tubing" zumindest nicht eindeutig gewesen sei, jedoch für die Punktevergabe eine ausschlaggebende Rolle gespielt habe, hätte der Begriff in das Glossar spezieller Fachwörter gehört. Dies umso mehr, als dort auch völlig eindeutige Begriffe, wie z.B. "concrete" (Beton) oder "U-shaped" (U-förmig), aufgeführt seien. Aus dem Umstand, dass der Begriff "tubing" im Glossar zu Annex 5 fehlte, habe der Beschwerdeführer schließen dürfen, dass ihm die übliche Bedeutung als Rohr zukomme. Dass im Glossar andererseits der Begriff "heat shrink tubing" (Schrumpfschlauch) nur im Zusammenhang mit Anlage 2 genannt sei, habe ihn darin bestärken müssen. Somit liege auch in dieser Hinsicht ein Rechtsfehler vor.
c) Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
Aus den erläuterten Gründen habe der Beschwerdeführer in der Prüfung auf den Inhalt des Glossars vertrauen dürfen, insbesondere darauf, dass der Begriff "tubing" in das Glossar aufgenommen worden wäre, wenn ihm in Annex 5 eine besondere Bedeutung hätte zukommen sollen, die vom üblichen Sprachgebrauch abwich. Die Vieldeutigkeit des Begriffs habe jedenfalls nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen dürfen.
d) Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
Der Grundsatz der Gleichbehandlung sei dadurch verletzt worden, dass Bewerber englischer Muttersprache bei der Lösung von Aufgabe C aus den erläuterten sprachlichen Gründen gegenüber den anderen Bewerbern bevorzugt worden seien. Dies hätte durch die entsprechende Gestaltung des Glossars ausgeglichen werden müssen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Vorschriften von Artikel 27(2) VEP und ist somit zulässig.
2. Gemäß Artikel 27 (1) VEP überprüft die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten Beschwerden gegen Entscheidungen der Prüfungskommission nur im Hinblick auf Verletzungen dieser Vorschriften, einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmung oder höherrangigen Rechts. Dagegen besteht keine Befugnis der Kammer, das Prüfungsverfahren, insbesondere die Bewertung der Arbeiten, in der Sache frei zu überprüfen. Hierin ist sie auf die Feststellung schwerwiegender und eindeutiger Fehler beschränkt, die durch Anwendung von Rechtsgrundsätzen nachprüfbar sind (D 1/92; ABl. EPA 1993, 357; D 6/92, ABl. EPA 1993, 361).
3. Die vom Beschwerdeführer als erstes geltend gemachte Verletzung der Bestimmung von Ziffer IV.14 der "Anweisungen an die Bewerber für die Anfertigung ihrer Arbeiten" (oben Ziff. VII.a) beruht darauf, dass er den Inhalt von Annex 5 zu Prüfungsaufgabe C aus sprachlichen Gründen nicht so verstand, wie es die Prüfungskommission von den Bewerbern erwartet hat, nämlich dass dort der Gegenstand von Anspruch 4 des Streitpatents beschrieben wird. Es stellt sich die Frage, ob die Auffassung der Prüfungskommission, die der Bewertung der Arbeit des Bewerbers zu Grunde gelegt wurde, als schwerwiegender und eindeutiger Fehler zu qualifizieren ist.
3.1 Sucht man in Wörterbüchern und anderen Nachschlagewerken die deutsche Entsprechung zum englischen Wort "tubing", so finden sich meist die deutschen Begriffe: Rohr, Röhrenmaterial, Röhrenwerk, Rohrleitung, Leitungssystem etc. Aber auch der Begriff Schlauchmaterial ist zu finden. Wie der Beschwerdeführer selbst ausgeführt hat, besitzt "tubing" insbesondere in zusammengesetzten Begriffen oft die Bedeutung von "Schlauch" (siehe oben Ziff. VII.a). In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer denn auch nicht mehr den Standpunkt vertreten, das englische Wort "tubing" bezeichne ausschließlich (starre) Rohre, sondern hat eingeräumt, dass je nach dem Zusammenhang auch (flexible) Schläuche so bezeichnet werden. Dies bestätigt auch der Eintrag in das den Bewerbern zur Verfügung stehende Glossar zu Anlage 2, wo "heat shrink tubing" mit Schrumpfschlauch übersetzt ist.
3.2 Da der Begriff "tubing" für sich allein somit nicht eindeutig ist, war für sein Verständnis in der vorliegenden Prüfung der Kontext von Annex 5 heranzuziehen. Dazu enthält Annex 5 folgende Hinweise: Der als "new tubing" bezeichnete Gegenstand besteht aus Polyäthylen mit Formgedächtniseigenschaften. Seine ursprünglich runde Querschnittsform lässt sich zur U-Form verändern, um Transport und Lagerung zu erleichtern. Durch Wärmeeinwirkung lässt sich die ursprünglich runde Form dann ohne Längenänderung wiederherstellen, was es erlaubt, die Außenabmessungen stark zu variieren. Hinzu kommt der Hinweis, dass der Entwickler des "new tubing" bei der Inhaberin des Streitpatents tätig war, ihm dort aber die Anerkennung versagt blieb.
3.3 Nach Meinung der Kammer ist bei dieser Fallgestaltung der Standpunkt der Prüfungskommission vertretbar, dass Annex 5 die Merkmale von Anspruch 4 des Streitpatents (Schlauchförmige Folie aus Polyolefinmaterial mit thermisch wiederherstellbarer Form) soweit enthält, dass ein Neuheitsangriff auf dieser Grundlage angezeigt ist. Auch wenn Annex 5 keine expliziten Angaben über die Wandstärke enthält, ist aus der angegebenen Formänderung für Transport und Lagerung und der anschließenden thermischen Wiederherstellung der runden Querschnittform zu schließen, dass eine relativ geringe Wandstärke vorliegen muss, die sich unter den (selbst wieder auslegungsbedürftigen) Begriff der "schlauchförmige Folie" des Streitpatents subsumieren lässt. Diese Identität lässt sich insbesondere daraus ableiten, dass der schlauchförmigen Folie im Streitpatent die gleichen Eigenschaften zugeschrieben werden, wie dem Gegenstand von Annex 5. Bei dieser Sachlage ist im Standpunkt der Prüfungskommission jedenfalls kein eindeutiger und schwerwiegender Fehler zu erkennen.
4. Was die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung von Artikel 15 (2) VEP in Verbindung mit Ziffer IV.16 der "Anweisungen an die Bewerber für die Anfertigung ihrer Arbeiten" betrifft (oben Ziff. VII.b), ist zu beachten, dass das Glossar nach diesen Vorschriften eine Liste mit Fachausdrücken, d.h. speziellen Fachwörtern, enthalten soll, die in den Entgegenhaltungen vorkommen. Der Ausdruck "tubing" war im Glossar zu Annex 5 nicht vorhanden, doch enthielt dieses zu Anlage 2 den Begriff "heat shrink tubing" (Schrumpfschlauch). Gemäß den vorstehenden Erwägungen (siehe Ziff. 3) handelt es sich beim Ausdruck "tubing" nicht um einen speziellen Fachausdruck, sondern eine allgemeine Bezeichnung für sowohl rohr- wie auch schlauchartiges Material. Seine eigentliche Bedeutung für die Lösung der Aufgabe gewinnt dieser Ausdruck daher erst aus dem Kontext von Annex 5. Unter diesen Umständen erscheint es vertretbar, dass er nicht in das Glossar aufgenommen wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dort unter anderem auch relativ einfache technische Begriffe zu finden sind. Die Entscheidung darüber liegt nach Artikel 7 (1) VEP bei der Prüfungskommission, in deren pflichtgemäß ausgeübtes Ermessen die Kammer nicht eingreifen kann. Eine pflichtwidrige Ermessensausübung bei der Gestaltung des Glossars ist aber aus den genannten Gründen nicht zu erkennen.
5. Ebenso wenig können die Ausführungen des Beschwerde führers zum Grundsatz des Vertrauensschutzes (oben Ziff. VII.c) überzeugen. Das Fehlen des Begriffs "tubing" im Glossar konnte kein Vertrauen auf eine bestimmte Bedeutung begründen. Andererseits musste dem Beschwerdeführer das im Glossar zu Anlage 2 angegebene Fachwort "heat shrink tubing" (Schrumpfschlauch) aufgefallen sein, das darauf hinwies, dass "tubing" im englischen Sprachgebrauch nicht nur die engere, ihm aus seiner Praxis bekannte Bedeutung als starres Rohr hat. Auch der Hinweis in Annex 5, dass der Verfasser des Schreibens als Entwickler bei der Patentinhaberin tätig war und dort eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des "new tubing" mit Formgedächtnis hatte, wies die Bewerber in die Richtung, den Begriff "tubing" nicht im engen Sinne zu verstehen, sondern seinen Bedeutungsinhalt aus dem Kontext von Annex 5 zu ermitteln. Verbleibende Zweifel hätte der Beschwerdeführer gemäß Ziffer IV.14 der "Anweisungen an die Bewerber für die Anfertigung ihrer Arbeiten", Absatz 2, auf dem ausdrücklich vorgesehenen gesonderten Blatt als Begründung anmerken können, wieweit er bezüglich Annex 5 den Empfehlungen des Mandanten folgte bzw. nicht folgte.
6. Schließlich kann die Kammer in diesem Zusammenhang auch keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bewerber erkennen (oben Ziff. VII.d). Da dem Begriff "tubing", je nach dem Zusammenhang, unterschiedliche Bedeutungen zukommen können, sahen sich auch die Bewerber englischer Muttersprache vor die Aufgabe gestellt, aus dem Kontext von Annex 5 den Bedeutungsinhalt zu ermitteln. Insofern waren sie nicht besser gestellt, als die übrigen Bewerber, insbesondere der Beschwerdeführer.
7. Da der Beschwerde aus diesen Gründen nicht stattgegeben werden kann, ist nach Artikel 27 (4) VEP auch der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.