European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:D000100.20010724 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Juli 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | D 0001/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | - | ||||||||
IPC-Klasse: | - | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | - | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | DBA | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Nachdem der Beschwerdeführer bei der vom 24. bis 26. März 1999 stattgefundenen europäischen Eignungsprüfung folgende Ergebnisse erzielt hatte:
Prüfungsaufgabe A: 70 Prüfungsaufgabe B: 71 Prüfungsaufgabe C: 43 Prüfungsaufgabe D: 72,5
wurde ihm mit Schreiben vom 29. September 1999 die Entscheidung der Prüfungskommission mitgeteilt, daß er die Prüfung nicht bestanden habe.
II. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer am 12. Oktober 1999 Beschwerde ein; am 18. Oktober 1999 wurde eine erste Beschwerdebegründung eingereicht, zwei Tage darauf die Beschwerdegebühr gezahlt. Weitere Argumente und Beweismittel sind in den am 25. Oktober 1999, 17. April 2000 und 19. März 2001 eingereichten Schriftsätzen enthalten.
III. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten hat am 27. April 2000 dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter (EPI) und dem Präsidenten des Europäischen Patentamts (EPA) gemäß Art. 12, Satz 2 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern i.V.m. Art. 27 (4), Satz 1 der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
IV. Nachdem die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 1. Februar 2001 ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt hatte, worauf sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. März 2001 äußerte, wurde am 24. Juli 2001 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und einer Vertreterin des Präsidenten des EPA mündlich verhandelt und die Entscheidung verkündet.
V. Folgender Sachverhalt liegt der Beschwerde zugrunde:
Anlage 2 zur Prüfungsaufgabe C der Europäischen Eignungsprüfung 2000 bestand aus drei Blättern einer fiktiven Patentschrift in englischer Sprache mit folgendem Aufbau:
1. Blatt Vorderseite: Bibliographische Daten ("Deckblatt")
Rückseite: Leer
2. Blatt Vorderseite: Überschrift "SPECIFICATION" und Titel der Erfindung, Beschreibungstext u.a. enthaltend:
"This object is achieved by ... as defined in claim 1."
Rückseite: Fortsetzung Beschreibungstext, Zwischentitel "Claims" Text Ansprüche 1 bis 3.
3. Blatt Vorderseite: Zwei Zeichnungen überschrieben mit "FIGURE 1" bzw. "FIGURE 2"
Rückseite: Leer
Vorder- und Rückseite des zweiten Blattes (Text) sowie die Vorderseite des dritten Blattes (Zeichnungen) weisen eine fortlaufende, deutlich erkennbare Seitennumerierung auf, die Vorderseite des zweiten Blattes ("Textseite 1") die Seitenbezeichnung "- 1 -".
In den Prüfungsunterlagen war auch eine Übersetzung der Textteile der Anlage 2 (Deckblatt und Textseiten 1 und 2) in die französische Sprache enthalten.
Wie der Beschwerdeführer glaubhaft ausführt, verwendete er bei Bearbeitung der Prüfungsaufgabe C deren Anlage 2 in englischer Fassung und übersah dabei, daß sich die Textwiedergabe auf der Rückseite des zweiten Blattes fortsetzt (die letzten fünf Zeilen der Beschreibung und unter der Überschrift "Claims" ein Haupt- und zwei abhängige Ansprüche). Dies hatte zur Folge, daß er die Neuheitsschädlichkeit, jedenfalls die Relevanz, dieser Patentschrift nicht (voll) erkennen und daher bei seiner Lösung der Prüfungsaufgabe nicht (voll) berücksichtigen konnte, was zu einer dementsprechend niedrigen Bewertung der Prüfungsaufgabe C und in letzter Folge zum Nichtbestehen der Prüfung führte.
Ursächlich für dieses Übersehen war die Tatsache, daß auf Textseite 1 dieser Unterlage die Textwiedergabe mit einem vollen Satz am rechten, durch Blocksatz festgelegten Schriftrand endet und der anschließende untere Seitenrand etwa 6 cm breit ist; dies habe den Beschwerdeführer zur Annahme verleitet, das Satzende sei gleichzeitig Absatzende und der Textteil der Anlage 2 würde damit enden.
Im Gegensatz dazu endet der Text auf Textseite 1 der französischen Übersetzung von Anlage 2 mitten im Satz ("... soudée autour des") und setzt sich dann ebenfalls auf der Rückseite fort; der untere Seitenrand ist knapp 3. cm breit.
VI. Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, wegen dieser Unterschiede im Layout hätte die Prüfungsaufgabe C, je nachdem welche Sprachfassung von Anlage 2 ein Kandidat verwendete, einen deutlich abweichenden Schwierigkeitsgrad aufgewiesen, so daß "der übergeordnete Grundsatz der Gleichbehandlung der Amtssprachen des EPÜ und der Chancengleichheit der Bewerber" verletzt worden sei. Die äußere Gestaltung von Textseite 1 in der englischen Fassung sei nämlich in höchstem Maße irreführend gewesen, was bei der französischen Fassung keineswegs gegeben war.
Das auch auf der englischen Fassung der Textseite 1 nicht als Hinweis auf eine Fortsetzung des Textes auf der Rückseite angesehen werden können, weil sich dieses Symbol auch auf nur einseitig bedruckten Prüfungsunterlagen findet.
Unter den gegebenen Gesamtumständen, insbesondere auch dem Prüfungsstress, sei die Gestaltung der Textseite 1 der englischen Fassung - gleichgültig, ob absichtlich herbeigeführt oder zufällig entstanden - objektiv irreführend gewesen, indem sie den Eindruck einer vollständigen Wiedergabe der Beschreibung erweckte und damit ein Übersehen der Rückseite, wie es dem Beschwerdeführer passierte, geradezu provozierte. Konkret habe diese Seitengestaltung auch dazu geführt, daß er beim Umordnen der Unterlagen während der Prüfung das Zeichnungblatt nach außen, optisch als Rückseite des zweiten Blattes, an dieses angeklammert habe und er deswegen die Textseite 2 auch später nicht entdeckte. Hätte er - was ihm aufgrund seiner Sprachkenntnisse ohneweiters möglich gewesen wäre - die französische Fassung verwendet, wäre ihm das Versehen nicht unterlaufen. Da bei dieser Fassung im Gegensatz zur englischen keine Irreführung gegeben war, sei es letztlich auch nicht ausschlaggebend, wie stark der aus den beiden Sprachfassungen resultierende Unterschied im Schwierigkeitsgrad der Prüfungsarbeit war.
VII. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr und einer halben Prüfungsgebühr anzuordnen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beziehungsweise der Chancengleichheit setzt logisch voraus, daß im Unterschied zur französischen Fassung der betreffenden Prüfungsunterlage deren englische Fassung tatsächlich irreführend gestaltet in dem Sinne war, daß bei den Prüfungskandidaten der unzutreffende Eindruck erweckt wurde, die Textwiedergabe der Patentschrift ende bereits auf Textseite 1.
3. Ob dies gegeben war, ist daher vorab zu prüfen. Bei dieser Prüfung ist ein objektiver Maßstab anzulegen und zu beurteilen, ob unter Einbeziehung aller relevanten Einzelumstände insgesamt eine Situation bestand, die Prüfungskandidaten auch bei Anwendung der in der Prüfungssituation von ihnen zu erwartenden Kenntnisse und Sorgfalt zu einem Übersehen der Textseite 2 veranlassen konnte. Hierfür sind die folgenden Gesichtspunkte maßgeblich:
3.1. Daß eine Textseite mit einem Absatz endet, ist eine häufige, teilweise sogar angestrebte Gestaltung und wäre daher kein Indiz dafür, daß sich der Text nicht auf einer Folgeseite fortsetzt. Im vorliegenden Fall ist jedoch optisch gar nicht von einem Absatzende am Ende der Textseite 1 auszugehen, da die letzte Zeile auf dieser Seite ebenso wie die ihr vorangehenden Zeilen desselben Absatzes genau am rechten Schriftrand abschließt. Dies ist angesichts der Tatsache, daß bei dem hier verwendeten Blocksatz die letzte Zeile eines Absatzes regelmäßig - wie bei allen Absätzen in diesem Text deutlich zu sehen - kürzer ist, vielmehr ein Hinweis darauf, daß der Text gerade nicht an dieser Stelle endet, sondern der Seitenumbruch innerhalb eines sich auf der nächsten Seite fortsetzenden Absatzes erfolgte.
3.2. Ebensowenig kann aus einem breiteren unteren Schriftrand auf ein Zusammenfallen von Seiten- und Textende geschlossen werden. Bei bestimmten Unterlagen, etwa bei einem gedruckten Dokument mit festen Regeln für das Layout (z. B. einem Buch, einer Patentdruckschrift) mag ein solcher Schluß u.U. gerechtfertigt sein, nicht aber bei einer - wie hier und ohneweiters erkennbar - speziell für die Prüfung mittels eines Textverarbeitungssystems erstellten, "frei" formatierten Unterlage.
3.3. Bei der vom Beschwerdeführer kritisierten Seite 1 handelt es sich nicht um irgendeinen isolierten Text, sondern um die Wiedergabe des Beschreibungsteiles einer (fiktiven) Patentschrift, was für die Prüfungskandidaten schon aus dem Zusammenhang und jedenfalls aus der Bezeichnung, dem Aufbau und Inhalt sicher erkennbar war. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, daß er dies während der Prüfung nicht erkannt hätte. Patentschriften enthalten aber als festen Bestandteil (normalerweise an den Beschreibungtext anschließende) Ansprüche; bei Anlage 2 finden sie sich auf der (übersehenen) Seite 2 im Anschluß an die Beschreibung. Schließlich enthalten Patenschriften sehr häufig auch Zeichnungen, und zwar auf gesonderten Seiten im Anschluß an die Ansprüche, so wie auch in Anlage 2.
3.4. Anlage 2 weist völlig stimmig auf dem Deckblatt und den beiden Textseiten, nicht aber auf dem Zeichnungsblatt ignorieren kann, selbst wenn es auf anderen Schriftstücken nicht immer oder nicht immer korrekt angebracht wird. Insbesondere aber waren die Seiten deutlich und in gängiger Form durchnumeriert und ist in Textzeile 11 der Seite 1 ausdrücklich auf den (auf der vom Beschwerdeführer übersehenen Seite 2 wiedergegebenen) Anspruch 1 Bezug genommen.
3.5. Es ist eine auch dem Beschwerdeführer bekannte Tatsache, daß fast immer die französische Fassung eines Textes länger ist als dessen englische, was unvermeidlich zu Layoutunterschieden zwischen den jeweiligen Sprachfassungen führt.
4. Auf diesem Hintergrund, bei dieser Vielzahl der Hinweise auf eine Fortsetzung des Textes und angesichts der Adressaten, für welche die Anlage 2 bestimmt war (Prüfungskandidaten), ist der Umstand, daß auf der Seite 1 der englischen Fassung der Unterlage der Text mit einem Satzpunkt und etwa doppelt so weit als üblich vom unteren Blattrand entfernt endet, objektiv nicht geeignet, ein Ende des Gesamttextes an dieser Stelle anzudeuten. Wenn der Beschwerdeführer dies dennoch angenommen hat, dann ist der ursächliche Fehler bei ihm zu suchen, indem er unter Außerachtlassung aller anderen maßgeblichen Umstände ausschließlich auf zwei eher nebensächliche Layout-Details abstellte und auch diese, für sich genommen, nicht richtig eingeschätzt hat.
5. Das bedeutet, daß kein rechtlich relevanter Unterschied zwischen den beiden Sprachfassungen dieser Prüfungsunterlage und damit erst recht kein Irreführungstatbestand gegeben war. Zwar sind die beiden Fassungen der Anlage 2 nicht vollkommen identisch im Layout, sie müssen das aber auch nicht sein: Nicht ein jeder solcher Unterschied ist irreführend und/oder per se mit dem sprachlichen oder allgemeinen Gleichbehandlungsgebot unvereinbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen